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VORREDE.

Paradoxe Lehren, die einer herrschenden falschen Meinung entgegentreten, können nicht auf plötzliche Zustimmung rechnen; sie werden gewöhnlich unfreundlich und misstrauisch aufgenommen, und wenn sie sich zugleich gegen Personen richten müssen, können sie sogar dem heftigsten Zorn begegnen. Aber wenn sie in der Wahrheit begründet sind, dringen sie allmählich durch; denn der Wahrheit wohnt eine stillwirkende Kraft inne, die langsam aber um so sicherer die Macht der Meinung und der Gewohnheit überwindet und allmählich die bittersten Feinde überzeugt und zu Freunden gewinnt. Ich habe das bei frühern Arbeiten zu erfahren Gelegenheit gehabt; und es sei mir gestattet, auf mein Schriftchen über den indischen Thierkreis hinzuweisen.

Auch diese neue Schrift soll eine paradoxe Lehre, eine verkannte Wahrheit verkündigen; sie soll eine Meinung, die jetzt allgemein herrscht und von Niemand bezweifelt wird, erschüttern und vernichten. Auch diesmal wird der Erfolg kein augenblicklicher sein; man wird sich zuerst verwundern, man wird wohl auch schelten; dann wird man mit der Wahrheit markten und feilschen wollen, wie das zu geschehen pflegt; man wird einiges zugeben, um dafür in der Hauptsache beim Irrthum beharren zu dürfen; man wird aber schrittweise weiter gehen, und end

lich werden meine paradoxen Sätze nicht mehr paradox sein, sondern die herrschende Ansicht bilden. Wenigstens würde ich sie nicht vorzutragen wagen, wenn ich nicht diese Zuversicht hätte. Und dass ich diese habe, wird mir kein Verständiger übel deuten. Wer selbst nicht überzeugt ist, hat nicht das Recht Gehör zu verlangen.

Man wird aber nicht ermangeln, Fehler und Mängel in meiner Beweisführung aufzuspüren, und wird mich für widerlegt halten, wenn diess gelungen ist. Und allerdings, Unvollkommenheiten, vielleicht auch Fehler in meiner Schrift zu finden, wird nicht schwer sein. Meine Untersuchung berührt sehr verschiedene, von einander entfernte Gebiete der Gelehrsamkeit; und ich bin schon aus ganz äusserlichen Gründen nicht überall gleich bewandert, gleich heimisch. Es wird also nicht schwer sein, nachzuweisen, dass ich hie und da etwas übersehen habe; und manches wird man tadeln können. Mit Wissen habe ich keine Schwierigkeit verheimlicht, und ich habe im Gegentheil alles hervorgesucht, was etwa als eine Stütze der herrschenden Ansicht betrachtet werden könnte. Man wird also zeigen können, dass mein Buch nicht vollkommen und fehlerfrei ist; aber wenn man nicht nur Recht behalten will, sondern ehrlich forscht und prüft und ehrlich die Wahrheit sucht, wird man nicht wegen anhaftender Unvollkommenheiten die ganze Untersuchung verwerfen. Auf Vollständigkeit gieng ich nicht aus; besonders im dritten Abschnitt musste ich mich auf das Hinreichende beschränken; Erwähnung hätte noch die Zeiteintheilung verdient: Germ. 11. Caes. VI, 18. Es schien mir zweckmässiger, in raschaufeinander folgenden Stössen die Macht einer eingewurzelten Meinung zu

erschüttern, als nach einer erschöpfenden Darlegung aller möglichen Beweismittel zu streben.

Man wird sich ferner auf die allgemeine Geltung der herrschenden Meinung berufen. Nicht nur in Deutschland, sondern auch in Frankreich und England gilt ohne Widerrede und bei allen Gelehrten die Ansicht, die hier angegriffen wird. Das ist wahr, aber nichts destoweniger ist die herrschende Ansicht nichts als eine falsche Meinung. Man weiss ja, wie sich in der Geschichte Irrthümer festsetzen und zuweilen zu allgemeiner Geltung gelangen. Ueber einen dunkeln Punkt, den man noch nicht untersucht hat, und den zu untersuchen nicht leicht ist, äussert ein Gelehrter eine Meinung in einem dicken Buch. Weil die Meinung von einem Gelehrten und in einem dicken Buch geäussert ist, gilt sie für begründet, und wird von zahlreichen Büchermachern als die neuste Weisheit wiederholt. Ist sie auf diese Weise zu allgemeiner und langedauernder Verbreitung gekommen, so ist sie nun eine Macht geworden, der sich auch wirkliche Gelehrte unterwerfen. Obgleich Niemand anzugeben weiss, wo sie begründet und erwiesen ist, so glaubt doch Jeder, dass sie es sei, weil sie ja sonst nicht zu allgemeiner Geltung hätte gelangen können: und so bedenkt sich kein Gelehrter, die herrschende Ansicht ebenfalls anzunehmen und sie durch seinen Beitritt weiter zu tragen und noch mehr zu befestigen.

Hier aber wird man sich sogleich auf zwei ausführliche und gelehrte Werke berufen, in welchen ja die herrschende Ansicht des Keltenthums begründet sei; nämlich auf die Celtica von Diefenbach und auf die Grammatica

celtica von Zeuss. Es sind diess allerdings zwei gelehrte Werke; beide, besonders aber die Grammatica, haben grosse und bleibende Verdienste. Aber eine Prüfung und Begründung der herrschenden Ansicht über die Kelten sind sie durchaus nicht. Um zu prüfen, muss man einen Zweifel für möglich halten; aber Diefenbach und Zeuss halten zum Voraus jeden Zweifel für unmöglich. Die herrschende Ansicht ist nicht das Ergebniss, sondern die Voraussetzung dieser Bücher, sie ist nicht durch diese Bücher begründet, sondern ist vielmehr der Grund, auf dem diese Bücher aufgebaut sind. Beide Bücher zeigen in merkwürdiger Weise, wie gewaltig die Macht einer herrschenden Meinung ist. Von einem überlieferten Glaubenssatz ausgehend betrachten beide Gelehrte die Wirklichkeit; und obgleich sie überall fast mit Händen greifen müssen, dass der Glaubenssatz und die Wirklichkeit nicht in Uebereinstimmung sind, so steht ihnen doch der Glaubenssatz so fest, dass sie sich von der Wirklichkeit nicht im mindesten stören lassen, sondern sich begnügen, wenn hie und da ein Zufall den Satz zu bestätigen scheint. Der Satz steht fest über allem Zweifel erhaben; es handelt sich nur darum, die Wirklichkeit dem Satz anzupassen. Von einer Prüfung und Untersuchung ist nirgends die Rede. Zeuss sammelt z. B. die brittischen Wörter, in welchen a oder i oder u vorkommt, und dann zeigt er, dass es auch gallische Wörter gibt, in denen a oder i oder u vorkommt. Daran hat Niemand gezweifelt; aber folgt daraus, dass die altgallische Sprache die kymrische ist? Auf diese Weise entsteht ein dickes und trockenes Buch, in welchem überall die gallische Sprache mit den brittischen

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