Immagini della pagina
PDF
ePub

SUGGESTION UND HYPNOTISMUS

IN DER

VÖLKERPSYCHOLOGIE

VON

OTTO STOLL, DR. MED.


A. O. PROFESSOR DER GEOGRAPHIE UND ETHNOLOGIE AN DER
UNIVERSITÄT ZÜRICH.

LEIPZIG.

K. F. KOEHLER'S ANTIQUARIUM.

1894.

7

56446

JAN 10 1901

BLC

.

Vorwort.

In der Arbeit, die ich hiermit den Fachgenossen vorlegen möchte, habe ich den Versuch gemacht, eine Frage, die bis jetzt fast ausschliesslich auf medicinischem Gebiete discutiert worden ist, auf dem umfassenderen Boden der ethnischen Psychologie nachzuprüfen. Der Schwierigkeiten, welche ein solcher Versuch bieten musste, war ich mir wohl bewusst und ich zweifle nicht daran, dass die Beurtheilung, die er erfahren wird, eine sehr verschiedenartige sein wird. Einige werden kurzweg sagen, das ist nicht wahr", Andere werden behaupten, dass sei einfach eine neue Umschreibung für alte und längst bekannte Dinge, von dritter Seite ist wohl auch ein lautes oder leises Anathema sit" zu gewärtigen. Das Alles ist, da es den wahren Thatbestand nicht ändern wird, vollkommen gleichgültig: der ausschliessliche Zweck, den ich mit meiner Arbeit verfolgte, war der, die Aufmerksamkeit der Ethnologen auf eine Kategorie von psychologischen Erscheinungen zu lenken, die bis jetzt auf ethnologischem Gebiete sozusagen keine Beachtung gefunden haben, trotzdem sie den einzigen Schlüssel für das Verständniss mancher Dinge enthalten, welche bis jetzt als zusammenhanglose und unverständliche, weil unverstandene, Mosaik die ethnologischen Lehrbücher füllen.

Eine Änderung dieses Verhältnisses ist erst dann zu erhoffen, wenn die Ethnologie die ihr ihrem Wesen nach gebührende Selbständigkeit und die ihrer allgemeinen Wichtigkeit als Bildungsmittel höheren Ranges entsprechende Stellung im Rahmen der an Hochschulen gelehrten Disciplinen erlangt haben wird. Die erste und unerlässlichste Bedingung zur Erreichung dieses Zieles ist aber die durchgreifende Trennung der Ethnologie von der Geographic, in deren Fahrwasser sie

sich, soweit es sich um ihre Pflege an um ihre Pflege an den Universitäten handelt, vorwiegend gehalten hat und zwar keineswegs zu ihrem Vortheil. Niemand wird die zahlreichen Berührungspunkte und die vielfache Anregung in Abrede stellen, welche die beiden Disciplinen gegenseitig gewinnen können. Die essentielle Grundlage der Ethnologie aber ist die psychologische und erst wenn diese einmal fest ausgelegt sein wird, können die geographischen Factoren, als ein Element secundärer Natur, vielen anderen höchstens gleichwerthig, in ihrer Wirkungsweise klar beurtheilt werden. Die reiche Fülle neuer, fruchtbarer Gedanken und weitausschauender Gesichtspunkte, welche wir Ratzel und der von ihm inaugurierten geographischen“ Betrachtungsweise der ethnologischen Erscheinungen verdanken, wird, wenn ich meine bescheidene Meinung äussern darf, erst dann an die richtige Stelle rücken können, wenn die völkerpsychologische Betrachtung vorausgegangen und zu einer festgegründeten Disciplin, der psychischen Anthropologie geworden ist.

[ocr errors]

"

Viel enger als an die Geographie, ist die Ethnologie durch Inhalt und Forschungsmethode an andere Disciplinen gebunden: an die Medicin, die Volkswirtschaftslehre, die Linguistik, die Geschichte, und was der Ethnologie noch hauptsächlich mangelt, ist die Vertiefung nach den aus diesen Wissenszweigen entlehnten Grundsätzen der wissenschaftlichen Analyse. Wie wenig besagt die landläufige Bezeichnung Ackerbau - Volk" für die wirkliche kulturelle Stufe eines Volkes, denn in wie verschiedener Weise, d. h. auf wie verschiedener wirtschaftlicher Grundlage ist der Ackerbau betrieben worden in China, in Indien, in Mexico, in Afrika, im alten Ägypten und Südeuropa! Wie enge hängt diese wirtschaftliche Grundlage zusammen mit der gesammten Psychologie dieser Völker und wie nebensächlich erscheint dabei das äusserliche Moment des erdbereitenden Werkzeuges, Pflug oder Hacke! Wie viel näher stehen die Australier durch das psychologische Moment der Eigenart ihrer GrundeigentumsVerhältnisse gewissen ackerbautreibenden Völkern, als einer Reihe anderer „Jägervölker"! Wie vollständig unabhängig von den geographischen Factoren breite und grundlegende Kategorien völkerpsychologischer Erscheinungen sich gestalten, und wie vollkommen identisch sie sich anderseits als Reaction auf

identische Reize unter den allerverschiedensten äusseren Bedingungen abspielen, soll in der vorliegenden Untersuchung gezeigt werden.

Mag also immerhin die Geographie für ihre Zwecke auch ihre eigene Behandlungsweise ethnographischer Erscheinungen beibehalten, so wird die Ethnologie doch stets den Anspruch auf wissenschaftliche Selbständigkeit und völlige Unabhängigkeit von der geographischen Betrachtungsweise erheben müssen. Und wenn sie sich nicht bloss in die Fläche, sondern auch in die Tiefe ausgestalten will, so wird ihre Grundlage die psychologische Betrachtung des normalen und, wie die vergleichende Ethnologie der Religionen zeigt, zu einem nicht geringen Theile auch des pathologischen Menschen sein und bleiben müssen. Und zwar darf diese Betrachtung ihre Quellen nicht bloss im Studium des literarischen Materials und nicht bloss in der Beobachtung überseeischer „Naturvölker" erblicken, sondern sie muss selbst im Menschen der allernächsten Umgebung ein ethnologisches Object sehen, aus welchem in unablässiger Bemühung durch direkte Beobachtung und Befragung ein reiches und durch seine Zuverlässigkeit und Controlierbarkeit besonders werthvolles Material zu gewinnen ist, das erst das richtige Verständniss fremdländischer Erscheinungen vermittelt.

Wäre der hier behandelte Gegenstand allgemeiner gekannt und gewürdigt gewesen, so hätte ich mir die Arbeit sehr viel einfacher gestalten können. Es hätte alsdann genügt, die einzelnen hierher gehörigen Erscheinungen des Völkerlebens einfach zu nennen und das literarische Belegmaterial beim fachkundigen Leser als bekannt vorauszusetzen. Wie die Sache aber in aussermedicinischen Kreisen lag, war es nothwendig, das Beweismaterial nicht bloss in extenso dem Leser vorzuführen, sondern zu diesem Zwecke auch, wenn irgend möglich, die Sprache der Originale beizubehalten, da in der Art der Darstellung und in der überraschenden Gleichförmigkeit der Schilderungen verschiedener und von einander gänzlich unabhängiger Quellenschriftsteller ein überzeugendes Moment von nicht zu unterschätzender Kraft lag. Eine Ausnahme habe ich nur bei den weniger allgemein bekannten Sprachen, wie die spanische und griechische, sowie da gemacht, wo die Beibringung der Ausdrucksweise des Originales ohne Belang war. Wo allgemein

« IndietroContinua »