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X.

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Glossographisches.'

1.

Zu den im Rhein. Mus. Bd. XXX (1875) S. 449–455 von H. Rönsch gemachten glossographischen Mittheilungen seien die nachstehenden Ergänzungen, bez. Berichtigungen gestattet.

S. 449 wird als Quelle des von Hildebrand edirten Glossars codex Parisinus 7651 bezeichnet. Rönsch folgt hierin der Angabe des Herausgebers (praefatio S. IX f.: ... denique commemorandus est codex 7651 saec. IX Parisiis, cuius apographon hac editione annotationibus illustravi'), die aber durchaus falsch ist. Der cod. Parisinus 7651 enthält ja die lateinisch-griechischen sogenannten Philoxenusglossen; die Quelle von Hildebrands 'glossarium latinum bibliothecae Parisinae antiquissimum saec. IX' war vielmehr der cod. Parisinus 7690, wie ich dies in meiner Arbeit 'de glossariorum latinorum fontibus et usu' des Näheren nachweise. Ebenda wird auch gezeigt werden, in wie erschreckend geringem Grade die Angabe 'codex ... cuius apographon

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illustravi' der Wahrheit entspricht. [Vgl. Prodr. S. 88 ff.]

S. 449-453 weist Rönsch nach, dass eine Anzahl Glossen in Hildebrands Glossar hebräisch-lateinisch, nicht rein lateinisch sind, was dem Herausgeber ganz unbegreiflicher Weise entgangen war. Zu den hierbei in Frage kommenden Glossen ist nun zu bemerken, dass mit ihnen der ursprüngliche Zusammensteller des Glossars durchaus nichts zu thun hat, dass sie vielmehr mit Ausnahme einer einzigen sammt und sonders interpolirt sind. Bewiesen wird dies einmal dadurch, dass durch sie die sonst streng eingehaltene alphabetische Reihenfolge unterbrochen wird, anderseits aber und vor allem

[1) Aus Rhein. Mus. Bd. XXX (1875) S. 616 ff.]

2) Man hüte sich, dies als eigentlichen Superlativ zu fassen.

durch den Umstand, dass codex Leidensis 67 F aus saec. VIII-IX, der an dritter Stelle eben das Hildebrand'sche Glossar enthält, jene hebräischen Glossen fast ausnahmslos weglässt. Dieser Codex bestätigt, resp. modificirt nun auch in erwünschtester Weise die Vermuthungen von Rönsch. So schreibt Rönsch S. 449 Hildebrands Glosse: effremet, ma- 617 nasse pro duabus folgendermassen: effrem et manasse, pro duabus; S. 451 wird Gerizin vermuthet; ebenda die Herstellung Hildebrands interpres malus gebilligt: alle drei Textesgestaltungen bestätigt durchaus die Leidener Handschrift. Wenn aber S. 451 in dem Interpretament der Hildebrand'schen Glosse Geritin mons1, quem collem samaritani für collem ein coluere oder coluerunt oder auch colebant vermuthet wird, so weist der codex Leidensis, indem er colent bietet, vielmehr auf colunt hin: eine Lesart, die auch in dem collem des Parisinus steckt, da wie bekannt m und nt ungemein häufig verwechselt werden. Die Glosse ist also zu schreiben: Gerizin: mons, quem colunt Samaritani.

Wir wenden uns zu dem zweiten, das von G. Thomas edirte Münchener Glossar betreffenden Abschnitt. Die Bemerkungen und Noten, die Rönsch S. 453 vermisst, sind der Herausgabe bald nachgefolgt, aber nicht von Thomas selbst, sondern von C. Halm und C. Hofmann in den Verhandlungen der Münchener Academie von 1869 II S. 1-13 und von Ant. Miller Zu dem lateinischen Glossar aus cod. lat. Monac. 6210' in der Zeitschrift für bayerische Gymnasien Bd. VI (1870) S. 295–303. In diesem Münchener Glossar findet sich auch die sonderbare Glosse: batamola: bene linguatus eloquens. Rönsch S. 453 f. will die Entscheidung darüber, ob jenes batamola semitisch ist, anderen überlassen, doch neigt er sich in der Anmerkung auf Grund von Diefenbachs 'Nov. Glossarium' der Ansicht zu, dass es eine Oel- oder Tretmühle bezeichnen soll und mithin gründlich japhetischen Stammes ist'. Die Entscheidung ist unschwer zu geben; es ist zu schreiben:

с

1) Das Lemma und Erklärung trennende Komma war vor, nicht nach mons zu setzen.

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bata: mola1

bene linguatus: eloquens

die Glosse also japhetisch und semitisch.

Auch über das Semitenthum der geheimnissvollen Glosse mamlotus: gloriosus wird S. 454 die Entscheidung anderen überlassen. Diese Glosse ist durchaus 'japhetisch'; man schreibe: magnilocus: gloriosus. Wenn endlich ebenda für das Wort amma, das ausser bei Isidor auch in den lat. Glossen vorkommt, der Ursprung in dem hebr.

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mater gefunden wird, so konnte zum Mindesten erwähnt werden, dass Lachmann, der zum Lucrez III, 386 S. 165 f. das Wort von anima (vgl. wuxń) ableitet, durchaus verschiedener Meinung ist.

2.3

Zu den allerverzweifeltsten Glossen, die ich kenne, gehört die von Bonaventura Vulcanius nach Scaliger veröffentlichte sogenannte Isidorus - Glosse: Bri . . . . . de tesseris (Thesaurus utriusque linguae Leiden 1600, S. 671, 29). Zuerst hat sich Franz Oehler (im Archiv f. Philologie Bd. XIII [1847] S. 235 f.) an ihre Emendation gewagt. Er meinte, die fünf Punkte zwischen Lemma und Interpretament sollten eine Lücke der Handschrift bedeuten, und ergänzte deshalb ein Wort von fünf Buchstaben: etiam. Freilich, dass bria auch einen „Würfelbecher" bedeutete, davon ist bis jetzt Nichts bekannt. Vielmehr dienten die briae, wie Arnobius VII 29 zeigt, weit ernsteren Zwecken: es waren heilige Gefässe, die zusammen mit den scyphi, paterae und simpuvia

1) Vgl. die Glosse des 'glossarium Salomonis': bata: apud hebreos mola olearia.

2) Mir ist folgende Glosse bekannt:

amma: avis nocturna

cod. Bernensis 16 f. 23a; Mai VII p. 551b (aus cod. Palatinus 1773); Mai VI p. 506b (ama); gloss. Salomonis (avis est); gloss. Monac. 6210. Durch Verquickung von Isidor XII, 7, 42 mit dieser Glosse sind die Glossen des cod. Vossianus Oct. 24, des Papias und des Vincentius Bellovacensis entstanden.

[3) Aus Fleckeisens Jahrb. B. 117 (1878) S. 800.]

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genannt werden. Auch ist das Interpretament recht sonderbar ausgedrückt. Aus diesen Gründen verwarf ich im Prodromus S. 79 die Oehlersche Conjectur, ohne jedoch etwas Besseres an ihre Stelle setzen zu können. Seitdem sind zwei neue Vorschläge gemacht worden. H. Rönsch im litterarischen Centralblatt 1877 Nr. 21 Sp. 696 erinnert zweifelnd an Cyrillus“ S. 578, 24 tepi❤epńc: convexus, devexus, teres. Aber dieser Hinweis führt nicht zur Heilung: man kann ihn nicht benutzen, ohne gewaltsam zu ändern und ohne ein falsches Einreihen von peripheres unter b anzunehmen. Auch sind griechisch-lateinische Glossen in der Quelle, aus welcher Scaliger schöpfte, ausserordentlich selten. Etwas weniger gewaltsam ist die Vermuthung von J. N. Ott (in Fleckeisens Jahrbüchern Bd. CXVII [1878] S. 422): bria : (mensura), metretes. So wird bria allerdings glossirt. Aber schlagend ist auch diese Aenderung nicht, und sie geht nicht vom richtigen Fundament aus. Ich habe a. a. O. als handschriftliche Grundlage aus dem Leidensis 67 E saec. X f. 11'a brideteres reris nachgewiesen. Dasselbe fand allem Anschein nach auch Scaliger in seinem Codex vor, nahm aber, indem er seine Conjectur an Stelle der handschriftlichen Lesart setzte was er oft gethan in seine Auszüge Bri........... de tesseris auf. Dass auch diese Vermuthung nicht befriedigt, wird zugeben, wer das Missliche der Annahme einer Lücke bedenkt. Ueberdies ist es mir wenigstens nicht klar, an welches Wort Scaliger dabei gedacht hat. Ich glaube nun das Richtige gefunden zu haben, so kühn auch die Besserung auf den ersten Blick erscheinen wird. Ich stelle die beiden Hälften von brideteres reris um und theile so ab: teres reris bri de. Dies aber ist aus Ceres, reris. reri declinatur verderbt, resp. verkürzt: de ist de, d. h. wie sehr häufig, declinatur. Den Beweis für die Richtigkeit dieser Manipulation liefert die im Leidensis unmittelbar voraufgehende, in den Scaliger'schen Excerpten unmittelbar nachfolgende Glosse brasbrat: lucubro. Schon G. J. Vossius und J. S. Semler haben gesehen, dass dieses Monstrum aus lucubro .bras .brat entstanden ist.

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LOEWII OPUSCULA GLOSS.

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XI.

Aus lateinischen Glossaren.'

Die Hauptbereicherung des bisher verzeichneten lateinischen Wortschatzes dürfte sich aus Glossaren gewinnen lassen. Ich beabsichtige die mir zur Verfügung stehenden Sammlungen in der Weise für das Archiv auszubeuten, dass ich einmal Zusammenstellungen solcher Worte und Formen gebe, die unsern Wörterbüchern noch gänzlich fremd sind. Wenn ich dabei als Ausgangspunkt die siebente Auflage des „ausführlichen lateinisch-deutschen Handwörterbuches von Karl Ernst Georges" (Leipzig 1879,80) nehme, so wird diese Wahl bei Kundigen keinen Anstoss erregen. Hat doch Georges von den neueren Lexikographen am selbständigsten gearbeitet und am meisten die Glossare berücksichtigt. Was die Mittheilung der Glossen dieser ersten Kategorie anlangt, so gebe ich in der Regel nur einen Beleg für jede Glosse, obwohl oft zehn bis zwanzig vorhanden sind: mehrere Fundorte nur dann, wenn die Ueberlieferung eines einzelnen Glossars durch die verwandten Sammlungen gebessert oder gestützt werden kann.

Den als erste Probe mitgetheilten hundert neuen Artikeln lasse ich einige weitere folgen, die etwas ausführlicher in der Besprechung und mit Aufführung möglichst aller Belege interessante Formen und Worte behandeln, ohne mich dabei auf noch Unbelegtes zu beschränken. Auch diese Abtheilung meiner Glossematica werde ich in späteren Beiträgen fortsetzen.

Da bei der Verwerthung des mitgetheilten Wortvorrathes das Alter der Quellen, welchen er entnommen ist, hervor

[1) Aus Wölfflins Archiv für lat. Lexikographie Heft I S. 21 ff.]

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