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Die Sage von Tanaquil.

Eine Untersuchung

über

den Orientalismus in Rom und Italien

von

Dr. J. J. Bachofen.

Professor in Basel.

Bachor
Die Samu
Tanaquil

Heidelberg.

Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr.

1870.

4b1031414

G

Vorrede und Einleitung.

Aufgabe, Grundgedanken und Methode der Unter

suchung.

Ist die Cultur Italiens autochthon oder von aussen dem Lande zugeführt? Haben wir von fremden Einflüssen nur den des Hellenismus anzuerkennen oder giebt es eine ältere orientalische Periode? Das ist die Frage, deren Lösung das vorliegende Werk verfolgt. Niemand wird ihre Berechtigung in Abrede stellen. Hängt doch der richtige Gesichtspunkt für die Behandlung der späteren Geschichte wesentlich von der Auffassung der Ursprünge ab. Grössere Bedenken erregt die Frage nach der Möglichkeit einer unzweideutigen Lösung. Kann eine Zeit, die mit den Traditionen des Alterthums längst gründlich aufgeräumt zu haben sich rühmt, den Berichten über asiatische Einwanderungen irgend einen Werth zuerkennen? Was hilft es, darauf hinzuweisen, dass die Uebereinstimmung der römischen mit der etruscischen Ueberlieferung und beider mit einer Mehrzahl kleinerer Sagenkreise dem Glauben der beiden wichtigsten Völker Italiens an ihren orientalischen Ursprung erhöhte Wahrscheinlichkeit leiht? Was auch, wenn wir noch so sehr betonen, dass eben diese Völker ihre asiatische Abstammung nicht nur einmal gewusst, sondern auch niemals vergessen und durch alle Wandlungen ihrer Schicksale hindurch mit gleicher Treue bewahrt haben? Ueber die Anerkennung solcher directer Beweise ist die kritische Aufklärung unserer Zeit längst hinweggeschritten, und keiner der Vielen, die

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auf Verstand und Talent Anspruch machen, dürfte es wagen, ihnen Gehör zu schenken oder gar ein entscheidendes Gewicht beizulegen. Was man verlangt, ist der Beweis des Beweises, und für diesen nothwendiger Weise ein erhöhter Grad der Zuverlässigkeit. Da nun auf solchem Wege nicht weiter zu kommen ist, so sieht sich die Forschung auf die Denkmäler als einziges Mittel der Aufklärung verwiesen. Wer wollte auch läugnen, dass Schrift, Sprache, Bauwerke und die mannigfaltigen Schöpfungen der Kunst über Art und Herkunft eines Volkes manchen Aufschluss zu geben vermögen? Gehört doch das Verfahren durch Vergleichung auf allen Gebieten der Wissenschaft zu den erfolgreichsten Werkzeugen des menschlichen Geistes. Aber hier erheben sich neue Schwierigkeiten, theils solche, die aus dem erhaltenen Material, theils andere, die aus den Forderungen des Zeitgeistes entspringen. Was kann die Sprachvergleichung helfen, wo es an hinreichenden Monumenten fehlt? Was Etrurien uns bieten, so lange dessen wenig zahlreiche linguistische Reste dunkler sind als die des Euphrat- und Tigrislandes? Zwar stehen die Baudenkmäler und die übrigen Nachlassstücke, durch welche untergegangene Völker zu den späteren Zeiten reden, in weit grösserer Fülle unserer Prüfung zu Gebot, und bei ihnen giebt es weder eine Schwierigkeit der Entzifferung noch erhebliche Bedenken der Fälschung: aber den Anforderungen des Zeitgeistes genügen auch sie nicht. Weder der Nachweis eines unbestreitbar orientalischen Einflusses in der Wahl mancher mythischen Darstellungen, in zahlreichen Kunstformen, in Auffassung und Darstellung göttlicher Wesen, in den Massund Gewichtssystemen, noch die Autorität der geprüftesten, ausdauerndsten und unabhängigsten Beobachter der Originalwerke eines G. Conestabile, Noël des Vergers, J. de Witte, Micali in seiner späteren Zeit 1) hat bis heute dem Orientalismus Etruriens

1) Ich begnüge mich, J. de Witte's Worte hier mitzutheilen: Etudes sur les vases peints. Paris 1865, p. 51: L'origine lydienne des Etrusques est un fait admis par les archéologues les plus éminents, et qui semble aujourd'hui à l'abri de toute contestation sérieuse; les monuments sont d'accord avec les témoignages écrits et pour tout homme, qui a étudié ces questions, qui a l'habitude des ouvrages d'art anciens, il est évident que les monuments appartenant aux âges reculés, qui ont été découverts en Toscane ont été exécutés sous une influence directement asiatique

irgend einen Sieg über entgegengesetzte Geschichtssysteme oder erheblichen Einfluss auf unsere Studien zu erringen vermocht. Fehlt es den Verfechtern des Hellenismus an anderen Einwendungen, so gilt ihnen die gewöhnliche Beschränkung der akademischen Studien auf das Griechische als hinreichender Grund gegen die Statthaftigkeit ferner liegender Parallelen. 1a)

So sehen wir uns um diejenigen Prüfungsmittel betrogen, auf welche die weitestgehenden Hoffnungen sich bauen liessen. Mit dem Beweise einer orientalischen, vorgriechischen Culturperiode Italiens dürfte es daher nach der Meinung der Meisten recht schlecht bestellt sein. Denn wenn die directen Zeugnisse des Alterthums zu Gunsten ihrer Annahme von vornherein nicht geltend gemacht werden dürfen, die Sprachvergleichung kein Material zu ihren Experimenten besitzt und den Denkmälern keine überzeugende Beweiskraft zugestanden wird, so scheint jedes Mittel der Aufklärung erschöpft und die Wissenschaft verurtheilt, über den Cardinalpunkt der italischen Geschichte ewig in Ungewissheit zu bleiben.

Aber wie aus keiner unserer Geschichtsquellen trotz jahrhundertelanger Benutzung Alles gezogen worden ist, was sie enthält, so giebt es auch keine grundlegende Thatsache, deren Wahrheit oder Unwahrheit schon an allen uns zugänglichen Mitteln geprüft worden wäre. Ausser der Sprache und den Werken von Menschenhand bietet der vergleichenden Forschung noch eine dritte Klasse von Denkmälern, der Mythus, sich dar. Ja dieser ertheilt über die Frage des Culturzusammenhangs unter den einzelnen Völkern die reichsten und zugleich die zuverlässigsten Aufklärungen. Denn wenn auswandernde Stämme nicht selten mit der Heimath auch die Sprache wechseln oder in Folge schneller Racenmischung

1a) Das beste Beispiel für diese Hellenomanie liefert Brunn's Erläuterung eines zu Tarquinii gefundenen Reliefs, abgebildet in den Monumenti dell' Instituto 1860 tav. 46. Auf S. 481 heisst es: Invece d'andar a cercar delle analogie in regioni ben lontane ed in sistemi mitologici nemmen' essi troppo ben esplorati, faremo meglio attenendoci prima di tutto ai confronti di quell' arte, che coll' etrusca sin da remotissimi tempi ebbe una relazione non mai interotta, cioè la greca. Mit anderen Worten: geläufig ist uns nur das Griechische, und darum kann das ferne Asien keinen Einfluss auf Italien ausgeübt haben.

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