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gemahlt werden können. Und auf diesem Wege findet man nirgends Grenzen; denn obschon die Menschen zu allen Zeiten einerley Fehlern unterworfen sind, so zeigen sie dieselben doch nicht immer auf einerley Art. Die Alten, in diefer Absicht, find den Neuern sehr ungleich; und wir selbst, die wir in den jeßigen Tagen le ben, haben mit unsern Våtern sehr wenig åhnliches.

Zu den Zeiten des Moliere und derCorneillen, besonders zu Anfange ihres Jahrhunderts, konnte man die gelehrten und wißigen Köpfe von Profeßion mit griechischen und lateinischenCitationen ausgespickt, über ihre barbarischen Schriftsteller verdüstert,in ihren Sitten grob und unbiegsam, und in ihrem Aeusserlichen nachläßig und schmugig vorstellen. Diese Züge passen schon seit langer Zeit nicht mehr. Das pedantische Ansehen ist mit jener tiefen Gelehrsamkeit, die aus lefung der Originale geschöpft war, verschwunden. Man begnügt sich, wenn ich so reden darf, mit dem blossen Vernis der Litteratur, und den meiften von unsern Neuern ist ein leichtes und sich ausnehmendes Mundwerk anstatt der gründlichen Wissenschaft, welche ihre Vorgänger besassen. Ihre Erkenntniß, sagt man, ist mannig faltiger, aber eben deswegen auch unvollkommn

ner.

Sie haben, wenn man will, mehr Wit; aber vielleicht desto weniger wahres Genie. Kurz die meisten von ihnen scheinen von den alten Ge

lehr

lehrten nichts beybehalten zu haben, als die bekla genswürdige Erbitterung, ihre Personen und ihre Werke unter einander zu verlåstern, und sich dadurch in den Augen ihrer Zeitgenossen und der Nachwelt verächtlich zu machen.

Es ist also nicht sowohl die Erschöpfung der Charaktere und des Lächerlichen, noch die Begierde nüßlicher zu seyn, noch die Vorstellung eines grössern Vergnügens, welche uns die Gattung des weinerlich Komischen verschaft hat, sondern vielmehr die. Schwierigkeit, den Ton des Moliere zu erreichen, oder vielmehr die Begier de unsre Bewunderung durch die glänzenden Reihe der Neuigkeit zu überraschen. Diese Krankheit, welche dem Französischen Genie so eigen ist, erzeugt die Moden in der Litteratur, und stekt mit ihren Sonderlichkeiten sowohl alle - Schreibarten, als alle Stände an. Unfre Neugierde will alles durchlaufen; unsre Eitelkeit will alles versuchen; und auch alsdenn, wenn wir der Vernuft nachgeben, scheinen wir nicht sowohl ihrem Reiße, als unserm Eigensinn gefolgt zu dfeyn.

Wann diese Betrachtungen wahr sind, so ist es leicht, das Schicksal des weinerlich Komischen vorher zu sagen. Die Mode hat es eingeführt, und mit der Mode wird es vergehen, und in das Land des Tragikomischen verwiesen werden, aus welchem es gekommen ist. Es glänzet vermöge der schimmernden Bliße der

Neuigkeit, und wird eben so geschwind, als diese, verlöschen Das schöne Geschlecht, welches der gebohrne Beschützer aller zärtlichen Neuerungen ist, kann nicht immer weinen wollen, ob es gleich immer empfinden will. Wir dürfen uns nur auf seine Unbeständigkeit verlassen.

Unter die Gründe, warum man den Geschmack an dem weinerlich Komischen wird fahren lafsen, gehöret auch noch die äusserste Schwierige keit, in dieser Gattung glücklich zu seyn: die Laufbahn ist nicht von grossem Umfange, und es wird ein eben so glänzendes und bearbeitetes Genie, als das Genie des Verfassers der Melanide ist, dazu erfordert, wenn man sie mit gutem Fortgange ausfüllen will. Der Herr von Fontenelle hat einen Ton, welcher ihm eigen ist, und der ihm aliein unvergleichlich wohl läßt; allein es ist unmöglich oder gefährlich ihn nachzuahmen. Der Herr de la Chauffee hat gleichfalls seinen Ton, dessen Schöpfer er ist, und dem es mehr in Ansehung der Art von Unmöglichkeit, seine Fabeln nicht nach zu copiren, als in Ansehung der Schwierigkeit, sie mit eben so vieler Kunst und mit eben so glänzenden Farben vorzutragen, an Nachahmern fehlen wird.

Doch alle Kunst ist unnüße, wenn die Gattung an und für sich selbst fehlerhaft ist, das ist, wenn sie sich nicht auf jencs empfindbare und allgemeine Wahre gründet, welches zu allen Zeiten und für alle Gemüther verständlich ist.

Aus

Aus dieser Ursache vornehmlich wird die Tau schung des neuen Komischen gewiß verschwinden; man wird es bald durchgängig überdrüßig feyn, die Auskrahmung der Tugend mit bürgerlichen Abentheuern verbunden zu sehen, und ro manenhafte Originale die strengste Weisheit, in dem nachgemachten Tone des Seneca predigen, oder mit den menschlichen Tugenden, zur Nachahmung des berühmten Marimenschreibers, finn reich zanken zu hören.

Lasset uns daher aus diesem allen den Schluß ziehen, daß keine Erfindungen vergönnt sind, als welche die Absicht zu verschönern haben, und daß die Gattung des weinerlich Komischen eine von den gefährlichen Erfindungen ist, welche 6 dem wahren Komischen einen tödlichen Streich 1. versehen kann. Wenn eine Kunst zu ihrer Vollkommenheit gelangt ist, und man will ihr Wesen verändern, so ist dieses, nicht sowohl eine in n dem Reiche der Gelehrsamkeit erlaubte Freyheit, ng als vielmehr eine unerträgliche Frechheit. (1) Die

ור

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(1) Da alle Künste aneinander grenzen, so last uns noch die Klagen hören, welche Hr. Blondel in feinem 1747 gedruckten Difcours fur l'Architecture führet. Es ist zu befürchten, sagt er, daß die finnreichen Neuerungen, welche man zu jeßiger Zeit, mit ziemlichem Glück einführt, endlich von Künstlern werden nachgeahmt werden, welchen die Verdienste und die Fähigkeiten der Erfinder mangelt. Sie werden daher auf eine Menge un

Die Griechen und die Römer unfre Mei ster und Muster in allen Geburthen des Geschmacks, haben die Komödie vornehmlich dazu bestimmt, daß sie uns, vers mittelst der Critik und des Scherzes, zugleich ers gößen und unterrichten soll. Alle Völker Eu

ropens find hernach dieser Weise mehr oder we niger gefolgt, so wie es ihrem eigenthümlichen Genie gemäß war: und wir selbst haben sie in den Zeiten unsers Ruhmes, in dem Jahrhunderte angenommen, das man so oft mit dem Jahrhun derte des Augusts in Vergleichung gestellet hat. Warum will man jezt Thalien nöthigen die traurige Stellung der Melpomene zu borgen, und ein ernsthaftes Ansehen über eine Bühne zu verbreiten, deren vornehmste Zierde allezeit Spiel und Lachen gewesen sind, und beständig ihr unterscheidender Charakter seyn werden?

Verfibus exponi tragicis res comica non

vult

Horaz in der Dichtkunst.

Hier

gereimter Gestalten fallen, welche den Geschmack nach und nach verderben, und werden ausschwei fenden Sonderlichkeiten den schönen Namen der Ers findungen beylegen. Wann dieses Gift die Künste einmal ergriffen hat, so fangen die Alten an uns fruchtbar zu scheinen, die grossen Meister frostig, und die Regeln allzu enge ic. ze.

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