Immagini della pagina
PDF
ePub

schliefst ab, ihr Nymphen, sei's mit Vorhang, mit Nebel oder mit eigener Person, gleich viel, nur dafs sie das Tier nicht weiter sehe. Damit ist seine Rede am Ende; claudite bleibt ohne Objekt.

[ocr errors]

Sie aber hat ihn gehört, und schliefst sich mit einem Diktäische Nymphen' seiner Rede an. In ihrem Munde aber hat das eine ganz andere Bedeutung als in dem des Silen, es sind ihre Landsmänninnen, von denen sie auf Entgegenkommen rechnen darf, und sie steigert das claudite des Silen zu einem iam claudite, schliefst sofort, nennt auch deutlich das Objekt saltus, die Wege über das Gebirge, wenn sich etwa die Schritte des Ungetüms meinen Augen entgegenlenken wollten: es könnten ihn ja, wie er vom grünen Grase angezogen ist oder Herden nachgeht, irgend welche Kühe in die gortynischen Ställe locken, wo ich nicht bin und wohin ich nicht kommen mag. Vofs' Erklärung ist ganz unmöglich: 'sie ruft voll Leidenschaft die Diktäischen Nymphen die gewundenen Thäler zu verschliefsen, damit der irrende Stier aufgesucht und durch einige Kühe zu den gortynischen Ställen gelockt werde'. Der Satz mit forsitan kann ohne ut gar kein Absichtssatz sein, und wieder ist ut in demselben kaum erträglich: der Satz giebt nur ein Mittel an, den Stier fernzuhalten, wenn etwa seine Schritte sich zu ihr lenken sollten. Wie Ribbeck aus den Worten si qua forte illum, die eine Interpunktion weder vor noch nach sich leiden, eine Strophe hat machen können, ist mir unerfindlich. Dafs Pasiphaë die Redende ist, wird von allen eingeräumt (wie könnten oculis nostris die Augen des Silen sein?), aber wo beginnt Pasiphaës Rede? Die einzige Möglichkeit ist bei Dictaeae nymphae, denn es mufs zu Anfang eines Verses sein, wenn nicht jede strophische Gliederung soll ausgeschlossen werden. Dennoch greift Ribbeck bis claudite nymphae zurück. Wer aber claudite nymphae und Dictaeae nymphae, iam claudite einer und derselben Person in dem Mund legt, mufs doch ein Verhältnis zwischen beiden annehmen; es hat aber noch niemand nachgewiesen, woher hier eine Steigerung des Gedankens kommen soll; anders wenn eine zweite Person das Wort eines Vorredners aufnimmt. Fassen wir aber Dictaeae nymphae vaccae als Einheit zusammen, so beträgt der Abschnitt wie die erste Anrede des Silen 5 Verse, und die Worte der Pasiphaë entsprechen ganz seiner Klage über den tiefen Fall der Pasiphaë durch ihr Wort der Reue: ich will den Stier nie wiedersehen. So bleiben denn die 4 Verse 52-55 als Mesodus in der Mitte stehen, der sich wohl zerbrechen aber nicht in strophisch Entsprechendes auflösen läfst.

Mit Vers 61-63 kommt die Dichtung auf die Metamorphosen zurück; aber das durch die ganze Ekloge beobachtete strophische Gesetz würde durch den überlieferten Text hier eine Ausnahme erleiden, ohne die Annahme, dafs hier ein Vers ausgefallen sei. Vgl. Flachs Bedenken. Es mag etwa ursprünglich geheifsen haben:

Tum canit Hesperidum miratam mala puellam
Invidia Veneris formam sumpsisse leaenae.

oder irgendwie ähnlich. Von einem verlorenen Vers läfst sich mehr als der Inhalt nicht erraten. Eine solche Ergänzung ist um so notwendiger, als Atalantes Metamorphose die ist, mit der der Dichter von der Digression zum Thema zurückkehrt, wo also aufs klarste und bestimmteste das zu Sagende gesagt werden mufs. Dafs bei Vergil wiederholtes tum häufig ist, lehrt uns Jahn zu ecl. 3, 10; aber welcher Unbefangene wird nicht gestehen, dafs ihm doch hier nach dem tum Vers 61 das tum Vers 62 gar zu schnell komme: kurz materiale und formale Schwierigkeiten bieten sich zur Unterstützung der Behauptung, dass hier ein Vers ausgefallen sei, die Hand.

Der Atalante gegenüber gestellt sind die Heliaden. Sehr richtig bemerkt Vofs, dafs ihnen das Patronymicum Phaethontiades vollständig und buchstäblich beikomme, indem Daέdov ein Beiname des Helios gewesen sei. Aus dem Beinamen des Vaters ward dann ein Name für den Sohn, dessen Schicksal aus Ov. met. II bekannt ist. Nach seinem Untergang verwandelte herbes Leid seine mafslos trauernden Schwestern in bernsteinschwitzende Bäume, bald Schwarzpappeln oder Erlen genannt, die am Padus häufig wuchsen, bald Lärchenbäume oder Fichten, deren gallischen Namen der Flufs führen sollte (Vofs). Für das letztere möchte das Elektron sprechen, dessen Ursprung ja die Sage auf sie zurückführte. Eigentümlich ist der Ausdruck 'er umkleidet sie mit dem Moos bitterer Rinde und richtet sie vom Boden auf als ragende Erlen'. Vols übersetzt mit moosiger Rinde', aber das Moos als Schmarotzerpflanze erscheint doch erst in zweiter Linie nach der Rinde. Servius bemerkt, dafs Vergil sonst (Aen. VII 741) cortex als Masculinum gebrauche, und die jüngste Hand desselben fügt hinzu: et est epitheton naturale. Ich dächte, Vergil hätte hier eine Vergleichung in die Konstruktion hineingezogen: 'er umkleidet sie mit bitterer Rinde wie mit Moos, hüllt ihre Glieder in Rinde, wie das Moos den Baum umhüllt'. Servius scheint mir mit dem epith. nat. sagen zu wollen, die Heliaden hätten die Bitterkeit ihres Kummers auf

die Rinde übertragen, aber der Gott machte ihn weicher, setzte Moos an die Stelle der spröden rissigen Rinde. Das Präsens cir- ́ cumdat hat Vofs richtig gedeutet: er malt ihre Verwandlung in Erlen so lebhaft (so treu, so in das Spezielle gehend), als geschähe es gegenwärtig, und vergleicht ecl. 9, 20. Auch das erigit ist wohl nicht bedeutungslos; wir sollen uns die Heliaden in ihrem Kummer als hingestreckt, über das Grab geworfen, denken. Silenus singt, wie ihre Verwandlung in Bäume sie genötigt habe sich aufzurichten. Es ist aber eine Eigentümlichkeit der Erle, dafs ihr Stamm zwar in der Mitte emporwächst, dafs aber die Nebenzweige sich zur Erde senken und hängen, und dasselbe ist der Fall mit der Lärche (larix). Nicht so freilich mit der Schwarzpappel, aber alnus und populus sind nahe verwandte Geschlechter. Sind es die Trauerbäume, die hier entstehen?

In den nächsten 10 Versen, Ribbecks Strophen h und h, springt der Dichter aus der Mythenwelt in die unmittelbare Gegenwart, die Verherrlichung seines Freundes Cornelius Gallus *), hinüber. Die Gegenwart hat eben auch ihre Metamorphosen. Das wäre ein Salto mortale, wenn nicht eben darauf das ganze Gedicht angelegt wäre. So erklärt es sich denn freilich auch, dafs diese Metamorphose nicht wie die andern Metamorphosen eine Strophe, sondern 2 Strophenpaare erhalten hat, von denen sich das letzte zum ersten verhält wie Abgesang zum Aufgesang.

Über Gallus können wir uns schon auf das beziehen, was Vofs z. d. St. und zu ecl. 10, was W. A. Becker im Gallus I3 S. 16 fr. und Bernhardy und Teuffel in ihren r. L.-G. Völter Comment. de C. Cornelii Galli Forojuliensis vita et scriptis Bonnae 1840 u. Elberf. 1844 gesagt haben. Gallus' Stellung als Dichter hat Ovidius trist. İV 10, 51 ff. angedeutet:

Vergilium vidi tantum, nec amara Tibullo

tempus amicitiae fata dedere meae.

successor fuit hic tibi, Galle, Propertius illi,
quartus ab his serie temporis ipse fui.

Seine Bedeutsamkeit und Beliebtheit hat er am. I 15, 29 anerkannt:
Gallus et Hesperiis et Gallus notus Eois

et sua cum Gallo nota Lycoris erit.

*) Servius zu ecl. 10, 1: Gallus ante omnes primus Aegypti praefectus fuit, poeta eximius: nam et Euphorionem transtulit in latinum sermonem et amorum suorum de Cytheride scripsit libros quattuor fuit autem amicus Virgilii, adeo ut quartus Georgicorum a medio usque ad finem eius laudes teneret.

Er war also der Vater und erste Vertreter der römischen Elegie, und das mufs Vergil hier von ihm sagen wollen, wenn er ihn errantem ad Permessum nennt. Fragen wir vor allen Dingen: was ist Permessus? und was heifst ad Permessum errare? Permessos ist nach Strabon IX 411 einer der vom Helikon herabströmenden Zuflüsse des kopaischen Sees, in welchem Hesiodos zu Anfang seiner Theogonie die Musen baden läfst, wenn sie sich anschicken auf der Spitze des Helikon dem Zeus und dem Kreise der Götter einen erhabenen Hymnos zu singen. Aber der Name dieses Flusses hatte, wie wir aus Propertius lernen, in dem damaligen Rom eine besondere figürliche Bedeutung: man setzte den Lauf des Flusses den Höhen und Gipfeln des Berges entgegen, und bezeichnete mit dem errare die leichte, spielende, erotische Dichtung im Gegensatz zur erhabenen, schwungreichen, welche die Felskuppen des Berges umtönte. Prop. II 10, 25 nondum etenim Ascraeos norunt mea carmina fontes, sed modo Permessi flumine lavit Amor. Ohne Frage bezeichnen bei Vergil die Aones montes (der Völkername statt des Adj. Aonii stehend) dasselbe was Properz durch Ascraei fontes bezeichnet.

Errare ad Permessum aber kann zweierlei bedeuten, einmal blofs am Permessus wandern, wallen': ecl. 1, 9 ille meas errare boves.. permisit. 2, 21 mille meae Siculis errant in montibus agnae. 6, 40 per ignaros errant animalia montes. Hor. carm. III 18, 13 inter audaces lupus errat agnos. Statius Theb. IX 433 subterque animae supraque recentes errant. Es kann aber auch den Mangel an innerer Haltung bezeichnen, die Handlung, welche der Sicherheit des Gehens und Handelns oder Zieles entbehrt: Ov. met. XIV 680 passim toto vagus errat in orbe. III 175 non certis passibus errans. Verg. georg. I 452 nam saepe videmus ipsius (solis) in voltu varios errare colores. Aen. V 435 erratque aures et tempora circum crebra manus. Vofs übersetzt unsere Stelle 'den Strom des P. umirrend', aber der Permessus ist keim Strom, und umirren führt auf eine falsche Vorstellung. Servius erklärt errantem durch ambulantem, tritt also, gewifs richtig, der ersten Auffassung bei. Eine der Musen hat den Gallus, der sich bis dahin schlendernd (anders freilich Flach a. O. S. 634) nur im leichten Liede Liebesliede erging, auf die Höhen des Helikon geführt, wo

[ocr errors]
[ocr errors]

sich ihm ein höheres Feld der Dichtung erschlossen hat, und die ganze Gefolgschaft des Phöbus, an deren Spitze offenbar Linus steht, in dem wir also den Repräsentanten der verdienstvollen Dichter der Vorzeit zu suchen haben, hat es anerkannt, dafs er mit Glück KOLSTER, Vergils Eklogen.

9

ein höheres Feld der Dichtung betreten. Die Sitte des assurgere erläutert am besten Cicero in Pis. § 26 an vero reliquo tempore consulem te quisquam duxit? quisquam tibi paruit? quisquam tibi in curiam venienti assurrexit? Cato m. § 63 haec enim ipsa sunt honorabilia, quae videntur levia atque communia, salutari, appeti, decedi, assurgi, deduci, reduci, consuli. Tac. dial. 13 testes Augusti epistulae, testis ipse populus, qui auditis in theatro Vergilii versibus surrexit universus et forte praesentem spectantemque Vergilium veneratus est sic quasi Augustum, ja Vergil selbst hat geogr. II 98 das Wort ganz figürlich gebraucht für den Vorzug einräumen': Tmolius assurgit quibus et rex ipse Phanaeus.

Die assurgentes sind der Chor des Phöbus. Ich wüfste nicht daf's sonst von demselben irgendwo die Rede wäre. Er ist offenbar um die Musen versammelt, und zu ihm gehört Linus, der Lehrer des Herakles in der Musik (Preller gr. myth. II 122), der im Namen der Musen zu sprechen und zu handeln hat, also eine hervorragende Stellung in jenem Chor einnimmt. Wir haben also auf den Höhen des Helikon um die Musen die Gefolgschaft des Apollo vereinigt zu denken, die von ihm hochbegnadigten Sänger der Vorzeit. Als Heimgegangene tragen sie den Eppichkranz (apium defunctorum epulis feralibus dicatum. Plinius n. h. XX 113. Plut. Timol. 26 τὰ μνήματα τῶν νεκρῶν εἰώθαμεν ἐπιεικῶς στεφαvovv бεlívois). Linus aber trägt auch Blumen in seinen Eppichkranz geflochten, ich dächte als mit höherer Stellung betraut. Seinen Namen trug schon in der Homerischen Zeit eine klagende Tanzweise (Oltóλivos) Il. Σ 570, deren Refrain uns Aischylos bewahrt hat Agam. 121. 139. 159.

Viro aber ist gewifs nicht mit Schaper aufzufassen als nur gesetzt um dem tonlosen is auszuweichen: Gallus, geb. 685 in Forum Iulii, war im J. 715 erst 30 Jahr alt, nach römischer Weise also adulescens. Wenn ihn daher Vergil vir nennt, so liegt darin eine Aufserung der Achtung vor seinen grofsartigen Leistungen. Wir wissen dafs Gallus sich aus niedrigen Standesverhältnissen emporgearbeitet hatte, dafs er in vertrautem Verhältnis zu Asinius Pollio gestanden hat, der ihn Cic. epist. X, 32 familiaris nennt, und der erste unter den römischen Elegikern von Rang gewesen ist; dafs er eine Liebe zu Lykoris in seinen Dichtungen gefeiert und hernach eine Übersetzung des Euphorion aus Chalkis geliefert hat. Vergil aber stand Gallus, seinem Landsmanne, persönlich sehr nahe und setzte ihm im vierten Buche der Georgica ein so glänzendes Denkmal, dafs Augustus auf Beseitigung desselben drang,

« IndietroContinua »