Potsdam 1847. Ob ich nun völlig im Sinne von Ross gehandelt habe, wenn drei bisher ungedruckten Stücken (der nicht abgeschlossenen Beurtheilung von Beule's L'acropole d'Athènes, S. 268-279, dem Fragment über Plinius den Aelteren, S. 352-377, und dem Aufsatz: Hypata. Oetaeer. Aenianen, S. 453-480) ein Platz von mir eingeräumt worden ist, das muss ich freilich dahingestellt sein lassen, hoffe jedoch, dass auch diese Artikel den Lesern nicht unwillkommen sein werden. Leichter fiel mir die Entscheidung über das schon vordem Gedruckte. Den inschriftlichen Abschnitt Nr. V. ausgenommen, ist mein Bestreben hier, um ein umfassendes Bild von Rossens Thätigkeit zu geben, auf eine gewisse Vollständigkeit gerichtet gewesen, ohne jedoch dafür einstehen zu können, dass sich nicht eine und die andere Arbeit meiner Kenntniss entzogen hat. Denn da der Verkauf der Rossischen Bibliothek lange zuvor erfolgt war, ehe ernstlich an diese Sammlung gegangen werden konnte, so war es mit einiger Mühe verbunden, nur erst das Material von vielen Orten her wieder zusammen zu bringen. Gleichwohl fürchte ich nicht, dass man etwas Wichtigeres hier vermissen werde. Einzelnes habe ich absichtlich zurückgelegt. Wenn ferner Ross bei einer durch ihn selber besorgten Herausgabe mit den hier vereinten Aufsätzen ohne Zweifel allerlei Umarbeitungen durch Zusetzen wie Kürzen vorgenommen haben würde, so musste ich natürlich von jeder Aenderung der Texte abstehen. Ebensowenig schien es mir bei dem umfänglichsten Theile des Ganzen (Abschn. I—IV) angemessen, Bemerkungen, wenn auch nur in litterarischen Nachweisen bestehend, anzuschliessen, schon weil diese Zuthaten von mir über eine grössere oder geringere Unvollständigkeit nicht hinausgekommen sein würden. Ein Paar VORWORT DES HERAUSGEBERS. VII Notizen solcher Art, wie S. 295, sind mir mehr unwillkürlich entschlüpft. Nur bei der inschriftlichen Partie, auf einem mir etwas bekannten Gebiete, glaubte ich mir eine Ausnahme gestatten zu dürfen. Was aber die Inschriften selber betrifft, so war es nicht thunlich, hier alle oder auch nur die Mehrzahl derer zu wiederholen, welche Ross während einer langen Reihe von Jahren zerstreut in deutschen, französischen und italienischen Zeitschriften veröffentlicht hat. Sehr viele dieser Stücke sind inzwischen auch in der Εφημερὶς ̓Αρχαιολογική von Pittakis, in den Inscriptions Grecques et Latines von Lebas und in den Antiquités Helléniques von Rhangabis publicirt, und zuletzt werden alle in dem Berliner Corpus Inser. Gr. vereinigt sein, wo schon gegenwärtig nicht wenige nach den Mittheilungen von Ross bearbeitet sind. Deshalb habe ich mich bei meiner Auswahl auf das Interessanteste oder wie es mir schien minder Bekannte eingeschränkt. Mehrere angesehene Gelehrte, unter ihnen der schmerzlich vermisste L. Preller, haben auf die Kunde von meinem Vorhaben ihre Zustimmung zu erkennen gegeben. Mein Wunsch ist nun der, dass auch diese zweite, von den Herren Verlegern würdig ausgestattete Sammlung wie die erste (Gött. Gel. Anz. 1855. N. 182-83) bei den Männern der Wissenschaft eine günstige Aufnahme finde und zum ehrenden Andenken an den charaktervollen Forscher diene, welcher auch da, wo er das Schwert des Wortes scharf und schneidend handhabte, im Interesse der von ihm erkannten Wahrheit nur für die Sache stritt, nicht die Person des Gegners durch seine Streiche verletzen wollte. Endlich geschieht es in Folge mehrfacher Aufforderung von geachteter Seite, dass ich mir erlaube, nachstehend den kleinen, zuerst in den N. Jahrbüchern f. Phil. u. Pädag. 1860, erschienenen Nekrolog diesem Denkmale des Rossischen Geistes und Eifers für die Wissenschaft einzuverleiben. Ausserdem ist, so viel ich weiss, nur von Prutz im Deutschen Museum, Aug. 1859, und daraus in der Beilage der Allg. Zeit. 1859, N. 249, dem Heimgegangenen ein besonderer Nachruf gewidmet worden. Pforte, am 28. October 1861. Karl Keil. LUDWIG ROSS. Multis ille bonis flebilis occidit. Ludwig Ross ist am 22n Juli 1806 in Holstein geboren, noch im alten deutschen Kaiserreich, wenige Wochen vor dessen Ende. Dieses Umstandes hat er oft mit freudigem Stolze gedacht. Seine ersten Jugendjahre verlebte er auf Altekoppel, dem kleinen väterlichen Landsitze Kirchspieles Bornhöved, im Kreise einer zahlreichen Familie, unter der Aufsicht liebender Aeltern. Diese gaben ihm eine einfache, natürliche Erziehung, bei der ein treffendes, plattdeutsches Sprichwort aus dem Munde der fein verständigen Mutter von gröszerer Wichtigkeit zu sein pflegte, als sonstige Ermahnungen und Strafen. Liebe und strenger Gehorsam wurden frühzeitig in das Herz des Kindes gepflanzt, eine Saat, die als tief innige Anhänglichkeit an Vaterland und Vaterhaus, als Dankbarkeit gegen die Aeltern, als still gehegte Zuneigung zu dem groszen Verwandtenkreis, auch in dem Herzen des in der Fremde weilenden Mannes blieb und ihre Frucht brachte. In dieser ländlichen Abgeschiedenheit, unter den hohen Buchen, die das kleine Haus überschatten, umgeben von einer Kette groszer, blauer Seen, die ihre kräftigende Luft über das Land senden, wuchs das Kind heran. Früh zeigte sich ein stiller Ernst in seinem Wesen; mit dem dritten Jahre konnte er lesen, und als man ihm die Bücher entzog, griff er in seinem Wissensdrang nach dem Gesangbuch der Knechte. Einem mangelhaften Unterricht in der Dorfschule des nahen Wankendorfes folgte der bessere einer Gouvernante, einer Fräul. Johannsen aus Eutin; aber mit dem 12n Jahre schon trat der Knabe in die Welt. Der Vater gab ihn zuerst nach Kiel auf die Schule, und später zur Vollendung seines Gymnasialcurses nach Ploen, wo u. a. Kellermann und von Lilienkron zu seinen Jugendfreunden zählten. An der Universität Kiel verlebte er dann von 1825-29 seine Studienzeit. Er schlug anfangs die medicinische Laufbahn ein, verliesz sie aber, nachdem ihm die erste Section eine Ohnmacht zugezogen hatte. Darauf neigte er sich der Ornithologie zu und machte mit einem älteren Freund, dem Justitiar Roie in Kiel, einem bekannten Ornithologen und fleiszigen Sammler, eine Ferienreise an die Westküste Jütlands, entschied sich jedoch schlieszlich für das Studium der Philologie, welchem er nun mit groszem Eifer nachhieng. Als seine Lehrer und Gönner rühmt er in einer autobiographischen Aufzeichnung besonders die Professoren Twesten, Dahlmann, Berger, Nitzsch, Falck, Pfaff, Reinhold und Kleucker. Nach Beendigung des akademischen Cursus wurde er im Mai 1829 auf eine Abhandlung De Aristophanis Vespis Doctor der Philosophie und gieng dann als Hauslehrer nach Kopenhagen in das Haus des Kaufmannes Gottschalck. Hier gelang es dem fleiszigen jungen Manne, der mit guten Universitätszeugnissen und den Empfehlungen be deutender Lehrer ausgerüstet war, von König Friedrich VI. ein Reisestipendium im Belaufe einiger Hundert Thaler bewilligt zu erhalten. Mit dieser Hülfe wollte er dem Drange seines Herzens folgen und den klassischen Boden des zu neuem Leben erwachten Griechenlands besuchen. Für eine kurze Zeit nach Kiel zurückgekehrt, um sein erstes Buch, 'Geschichte der Herzogthümer Schleswig und Holstein' (Kiel, Univ.-Buchh. 1831), zu vollenden, zog dann Ross auf neun Monate nach Leipzig, wo er sich durch die Vorlesungen des groszen Meisters G. Hermann, dem er bald auch persönlich näher kam, im freundschaftlichen Verkehr mit Funkhaenel, Sauppe, Westermann u. a. noch weiter für seine Reise vorbereitete. Er trat diese, die für jene Zeiten noch ein groszes und schwieriges Unternehmen war, am 23n Mai 1832 an und gieng, theils zu Fusz, theils mit der Post, über München durch Salzburg nach Triest, welches er am 17n Juni erreichte und den 11n Juli am Bord eines griechischen Segelschiffes verliesz. Die Fahrt endete am 26n Juli mit der Ankunft zu Nauplia. Wie sich hier im Laufe der nächsten Jahre die gesellschaftlichen Verhältnisse und die Zustände des Landes änderten, ist hinlänglich bekannt. Es fügte sich alles zu Gunsten des jugendlichen Reisenden, um ihn zu einer immer gröszeren Ausdehnung seines Aufenthaltes zu veranlassen, aus dem dann eine feste Ansiedelung in dem Lande hervorgieng, das ihm von der Vorsehung zur zweiten Heimath bestimmt war. Im J. 1833 begab er sich in den Dienst des neuen Königreiches, in dem er, eine kurze Unterbrechung abgerechnet, bis zum Jahre 1843 verblieb. Mit der Verpflanzung des jungen Hofes nach Athen gewann das Leben dort einen geregelteren Verlauf nach europaeischem Zuschnitt. Auch Ross schlosz sich diesen neuen Verhältnissen gern an und freute sich in dem kleinen Kreise gebildeter Männer aus den verschiedensten Ländern Europas einer ehrenden Stellung. Wie fördernd diese glückliche Wendung auf den innern Bildungsgang des Aufstrebenden wirken muste, ist begreiflich; er selbst war in voller Erkenntnis dessen, was sie ihm genützt. Vor allem anderen aber schrieb er den entscheidendsten Einflusz auf die Gestaltung und Entwickelung seines Geistes- und Gemütslebens dem bildenden Umgange und dem mit der Zeit zu einer gegenseitigen treuen Freundschaft herangediehenen Verhältnisse zu, in welchem er zu dem damaligen österreichischen Gesandten in Athen, dem jetzigen k. k. Internuntius in Konstantinopel, Freiherrn von ProkeschOsten, stand. Tiefe Dankbarkeit und innige Anhänglichkeit fesselten den jüngeren Mann an den gediegenen, welterfahrenen Freund, in dessen Familie er stets eine liebevolle Aufnahme fand. So reifte Ross, durch die Gunst auszergewöhnlicher Verhältnisse, umgeben von der Schönheit der südlichen Natur, gefördert in seinen klassischen Studien durch unmittelbare Anschauung, zum Mannesalter, zu jener wissenschaftlichen Bedeutung und zu dem sittlich groszen Menschen heran, der er im vollsten Sinne des Wortes war. Er sah sich mit Wohlwollen umgeben, in der Achtung der edelsten Menschen befestigt, und als Gelehrter und Forscher durch die Anerkennung der Koryphaeen der Wissenschaft namentlich in Deutschland und Frankreich ermutigt und ausgezeichnet. Ein klarer, scharfer Verstand, unterstützt von einem glück |