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Realismus einer entarteten Gegenwart zu schliefsen versuchen, wir sehen jene gröfste Welthistorie, den Kampf des sinkenden Heidentums mit der jugendlich sich erhebenden neuen Religion, auch auf dem Schauplatz der Stilgeschichte sich abspielen, und wer das Mittelalter nicht als Ausläufer des Altertums gelten lassen will, der lasse es sich als Vorgänger der Renaissance gefallen. Vor allem werden wir Moderne, speziell wir Deutsche, uns hüten müssen, unsere ästhetischen Begriffe von Formenvollendung im Stil der Prosa zu identifizieren mit denen des Altertums: wir müssen versuchen, da, wo wir nicht mitempfinden können, wenigstens nachzuempfinden.

und Indi

Bevor ich zum einzelnen übergehe, habe ich noch kurz eine Theorie Vorfrage zu berühren: welchen Einfluss hatte im Altertum die vidualität. Individualität des Schriftstellers auf seinen Stil oder, mit andern Worten, wie weit gilt auch für jene Zeit Buffons Ausspruch le style est l'homme même ?1) Zwar hatte auch das Altertum ein Sprichwort: οἷος ὁ τρόπος, τοιοῦτος καὶ ὁ λόγος), aber wir dürfen nicht verkennen, dafs der Satz in der Praxis nicht so grofse Bedeutung hatte wie bei uns. Der Stil war damals eine erlernte Kunst, deren Regeln im allgemeinen keiner seiner Individualität zuliebe übertreten durfte, wie ja überhaupt das Altertum in viel höherem Mafse als die moderne Zeit vom Individuum die Unterordnung seiner Eigenart unter die Autorität der von hervorragenden Kunstrichtern sanktionierten Tradition, die Zurückdrängung des Genialischen, verlangt hat. Daraus ergiebt sich zweierlei. Erstens: die Individuen treten zurück hinter allgemeinen Richtungen der Zeit, deren Repräsentanten sie sind. Zweitens: ein und derselbe Schriftsteller konnte nebeneinander in ganz verschiedenen Stilarten schreiben, indem er bald diese, bald jene idéa verwendete, je nachdem sie ihm für das vor

1) Das berühmte Wort steht in seinem auch sonst durch viele feine stilistische Bemerkungen ausgezeichneten Discours prononcé à l'académie française, gehalten am 25. Aug. 1753, jetzt am bequemsten zugänglich in: Chefs-d'oeuvre littéraires de Buffon par M. Flourens I (Paris 1864) 1 ff. (dort p. 9).

2) Mir sind folgende Stellen bekannt: Plat. Rep. III 400 D. Aristid. or. 45, vol. II 133 Dind. (ἡ παροιμία ἡ λέγουσα, οἷος ὁ τρόπος, τοιοῦτον εἶναι καὶ τὸν λόγον). Quintil. XI 1, 30 (nec sine causa Graeci prodiderunt, ut vivat, quemque etiam dicere). Seneca begründet es im einzelnen ep. 114 und 115, cf. 75, 4.

liegende Werk zweckentsprechend schien. Wir Moderne haben durch Verkennen dieser Thatsache vielfach geirrt1), aber die Zeiten sind vorbei, wo man auf dies Argument hin dem Platon den Menexenos, dem Xenophon den Agesilaos, dem Tacitus den Dialogus, dem Appuleius die Schrift De mundo und so vielen Autoren so vieles aberkannte, oder wo man sich darüber wunderte, dafs der Aristoteles der pragmatischen Schriften in seinen Dialogen so dämonisch zu schreiben verstand. Selbst die so beliebten Schlüsse von der Stilverschiedenheit zweier Werke eines und desselben Autors auf eine verschiedene Abfassungszeit, sind selten zwingend und oft durch Thatsachen anderer Art zu widerlegen. Der Stil war im Altertum nicht der Mensch selbst, sondern ein Gewand, das er nach Belieben wechseln konnte. Wir werden Beispiele genug dafür finden. 2)

1) Richtig urteilte darüber schon Mabillon, De studiis monasticis (Paris 1691), edit. Venetiis 1729 p. 198 ff., wo er schliefslich zu dem Resultat kommt: non semper styli uniformitatem aut diversitatem argumento nobis esse ineluctabili ad iudicandum de legitimo alicuius operis auctore, nisi condiciones reliquae ac coniecturae intersint.

2) Daraus ist auch zu erklären, dafs wir oft über einen und denselben Schriftsteller ganz verschiedene Stilurteile vernehmen. Z. B. wird an Polemon seine Leidenschaftlichkeit, sein goigos hervorgehoben (cf. die Stellen bei W. Schmid, Der Atticismus I [Stuttgart 1887] 46), aber in den uns erhaltenen Deklamationen ist davon nichts zu spüren, und auch die Deklamation, die M. Aurel bei ihm hörte, mufs mehr in der Art der uns erhaltenen gewesen sein, cf. ep. ad Front. II 5. Fronto selbst empfiehlt seinem Schüler I 8 (p. 20 ff. N.), wenn er zum Volk rede, eine möglichst geschmückte Redeart (sogar compositionis structuraeque mollitiam), aber die Probe einer an M. Antoninus gerichteten Rede Frontos, aus der M. Aurel ep. I 6 p. 13 ff. viel mitteilt, ist nichts weniger als geziert, vielmehr (aufser einigen etwas gehobeneren Partieen) sicca, was Macrob. Sat. V 1 als den Stilcharakter Frontos nennt. Wenn nun Claudianus Mam. in seinem Brief an den Rhetor Sapaudus (Corp. script. eccl. Vind. XI 203 ff.) die Reden Frontos pompaticae nennt, so bezieht sich das auf die epideiktischen Reden, für die Fronto selbst III 16 p. 54 das pompaticum genus dicendi empfiehlt. Cf. auch O. Seeck, Gesch. d. Untergangs d. ant. Welt I (Berlin 1895) 427. Über Aristoteles sehr fein schon W. v. Humboldt 1. c. CCL f.

Erstes Buch.

Das Altertum.

Erster Teil.

Von den Anfängen bis zum augusteischen

Zeitalter.

Erster Abschnitt.

Die griechische Kunstprosa.

Erstes Kapitel.

Die Begründung der attischen Kunstprosa.

machos.

Gorgias.

Als Begründer der kunstmässigen Prosa galten dem Altertum ThrasyThrasymachos von Chalcedon und Gorgias von Leontini. Die neueren Untersuchungen haben das sichere Resultat ergeben, dass jener der ältere von beiden war.1) Thrasymachos hat zuerst das für alle Folgezeit bindende Gesetz aufgestellt, dafs die gute Prosarede periodisiert, d. h. rhythmisch sein müsse. Darüber werden wir bald genau zu handeln haben.

Gorgias wurde vom gesamten Altertum als evoɛtýs der Gorgias. бýμata angesehen, die nach ihm den Namen Tooyíɛia erhielten, und die, wie wir im Verlauf dieser Untersuchungen sehen werden, für die Litteraturen der meisten Kulturvölker eine geradezu singuläre Bedeutung erlangen sollten. Die Notiz von Gorgias als ihrem Erfinder begegnet uns zuerst bei Timaios (Diodor XII 53) und ist von da an die einzige, unwidersprochene.") Bei Diodor

1) Cf. Diels in: Hermes XXIII (1888) 285: Thrasymachi secta Gorgiae non immerito praelusisse creditur et agrum laetificasse, in quo paulo post Sicula seges incredibilem in modum pullularit. E. Schwartz, De Thrasymacho Chalcedonio (Ind. lect. Rostoch. 1892) 3 f.

2) Unwesentlich Philostr. vit. soph. I 13 über Polos: sioì d'of φασι καὶ τὰ πάρισα καὶ τὰ ἀντίθετα καὶ τὰ ὁμοιοτέλευτα Πῶλον εὑρηκέναι πρῶτον,

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