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Rhythmische

Italiker.

Zweiter Abschnitt.

Die römische Kunstprosa bis Augustus.

Erstes Kapitel.

Die nationale Prosa.

Die römischen Litterarhistoriker haben die lateinische LitteraProsa der tur erst von dem Augenblick an beginnen lassen, als sie in die Sphäre der griechischen trat. Was vorausging, erregte dem verfeinerten Sinn Schaudern und man fühlte sich nicht gern an die einstige Barbarei erinnert: auch die reaktionärsten Stil-Archaisten hüteten sich wohl an das zu rühren, was jenseits Livius Andronicus und Cato lag. Was uns nicht die Steine erhalten haben, verdanken wir der gelehrten Forschung von Grammatikern und Antiquaren. Nichts davon gehört zur kunstmässigen Prosa, welche Latium wie alle artes von Hellas erhielt; aber um das Werden dieser zu verstehen, dürfen wir nicht unterlassen, einen flüchtigen Blick auch auf jene Reste vorlitterarischer Prosa zu werfen, die wie verfallene Ruinen emporragen. Sie betreffen die zwei Seiten menschlichen Empfindens, die überhaupt in den Anfängen der Völker die herrschenden sind: die Regelung des Verhältnisses vom Menschen zu den höheren Mächten und vom Menschen zum Menschen, d. h. Gebete und Gesetze, denn auch das Gebet des primitiven Menschen ist nichts weniger als ein lyrischer Ergufs, sondern ein Kontrakt mit der Gottheit: gieb und nimm.

Das berühmte Gebet, welches vom pater familias bei der Sühnung von Hof und Grundstück durch ein Suovetaurilienopfer gesprochen wurde, lautet nach Cato de agr. 141 (in einer gleich zu rechtfertigenden Abteilung und der Übersetzung des mittleren Teils in teilweisem Anschlufs an R. Westphal):

Mars pater te precor quaesoque uti sies volens propitius mihi domo familiaeque meae quoius rei ergo agrum terram fundumque meum suovetaurilibus circumagi iussi,

1 uti tu morbos | visos invisosque

2 viduertatem | vastitudinemque

3 calamitates | intemperiasque

4 prohibessis defendas | averrun

cesque;

5 ut fruges frumenta | vineta virgultaque

6 grandire dueneque | evenire siris,

7 pastores pecuaque | salva servassis

„auf dafs du Seuchtum, sichtbares unsichtbar's,

dafs du Verwaisung, dafs du Verwüstung,

schadvolles Unheil, Wetter und Winde

fernhaltest, abwehrst, | weg von uns treibest;

dafs du des Feldes Frucht, | Weinstock und Weiden

wachsen und gut | uns gedeihen lassest,

Hirten und Herden | heil uns erhaltest,

Wohlsein

8 duisque duonam salutem | vale- gutes Heil gebest, | kraftvolles tudinemque 9 mihi domo | familiaeque nostrae mir, meinem Hause, unserm Gesinde."

harumce rerum ergo, fundi terrae agrique mei lustrandi lustrique faciendi ergo, sic uti dixi, macte hisce suovetaurilibus lactentibus immolandis esto, macte hisce suovetaurilibus lactentibus esto.

Ohne weiteres empfindet man die rhythmische Gestaltung des mittleren Teils, des eigentlichen Gebets: ausdrücklich darauf hingewiesen hat wohl zuerst R. Westphal in seiner Griech. Metrik (2. Aufl. Leipz. 1868) 37 ff., cf. Fr. Allen in Kuhns Zeitschr. XXIV (1879) 584 ff. In Einzelheiten weiche ich aber ganz von beiden ab. Zunächst ist klar die Zweiteilung der einzelnen Zeilen, die oft durch Allitteration bezeichnet ist (1; 5; 7), dann besonders der Rhythmus der zweiten Zeilenhälfte: genau der strengsten Form des Saturniers entsprechen 1; 2; 6; 7, mit Unterdrückung der ersten Senkung 4, mit Auflösung der ersten Hebung 9, mit Unterdrückung der ersten Senkung und Auflösung der zweiten 3. Es bleiben noch 5; 8, die das Gemeinsame haben, dafs sie beide mit Auftakt beginnen, der sich, wenn auch selten, so doch in sicheren Beispielen der Saturnier findet, cf. Buecheler im Rhein.

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Mus. XXXIII (1878) 274 f.; die Halbzeile 5 hat Interesse noch dadurch, dafs sie am Schlufs um eine Silbe länger ist als die gewöhnliche Form: que ist offenbar hinzugefügt, weil auch die vier vorhergehenden Halbzeilen damit endigen; solche um eine Silbe längere Saturnier sind ebenfalls, wenn auch selten, so doch sicher bezeugt, cf. Buecheler 1. c. XXXV (1880) 495 f. Ganz anders verhalten sich nun aber die ersten Vershälften: nur drei von ihnen lassen sich saturnisch messen: 4; 5; 8; Westphal und Allen wollen auch die anderen fünf Zeilenhälften, ja sogar den prosaischen Anfang und Schlufs des ganzen Gebets in saturnisches Versmafs (d. h. was sie darunter verstehen) zwängen, müssen aber zu den stärksten Licenzen greifen, darunter besonders Längungen durch den Accent: diese sind aber doch (ganz abgesehen von der Frage nach ihrer prinzipiellen Berechtigung1) schon dadurch ausgeschlossen, dafs sie in den zweiten Zeilenhälften nicht nur nicht vorkommen, sondern Zeile 9 sogar vermieden sind, wo nostrae an die Stelle von meae im ersten prosaischen Absatz getreten ist. Bei der Strenge der zweiten Hälften kann ich daher auch nicht zugeben, dafs wir es mit 'rohen Saturniern' zu thun haben, sondern bin der Ansicht, dafs wir den mittleren Teil des Gebets seiner Form nach zu bezeichnen haben als rhythmische Prosa mit dem Prinzip der Zweiteilung der Zeile und der saturnischen Messung der zweiten Hälfte; dafs nur diese zweite Hälfte metrisch ist, erklärt sich einfach daraus, dass in ihr, d. h. dem Schluss der jedesmaligen Gedankenreihe, der Rhythmus kräftiger ins Ohr fallen mufste als am Anfang, wo er daher nur ein paar Mal angewendet ist.

Etwas genau Entsprechendes scheint es sonst im Lateinischen nicht zu geben, obwohl ich bemerken will, dafs bei dieser Annahme vielleicht auch Licht fällt auf die Form der Dvenos-Inschrift, die nach Buechelers sicherem Nachweis (Rhein. Mus. XXXVI [1881] 244 f.) in einigen Zeilen saturnische Messung zeigt, während diese in den anderen Zeilen anderen Zeilen nur durch Zulassung

1) Ich erwähne bei dieser Gelegenheit, dafs die Frage zuletzt vortrefflich behandelt ist von U. Ronca, Metrica e ritmica latina nel medio evo (Rom 1890) 43 ff.: vor allem wird hier nachgewiesen, dafs die Behauptung, man habe den Saturnier im Altertum für rhythmisch und nicht für quantitierend gehalten, auf falscher Interpretation der in Betracht kommenden Stellen beruht.

starker Licenzen ermöglicht wird. Aber, um das Unsichere beiseite zu lassen1): dafs der Begriff 'rhythmische Prosa' für das älteste Latein wirklich angenommen werden darf, scheint mir aus ein paar Proben feierlich gehobener Prosa hervorzugehen, die, ohne saturnischen Rhythmus zu haben, doch nach dem soeben festgestellten Prinzip der Zweiteilung gegliedert ist und so durch die Gegenüberstellung unwillkürlich rhythmischen Fall annimmt. Macrobius führt sat. V 20, 18 aus einem liber vetustissimorum carminum, qui ante omnia quae a Latinis scripta sunt compositus ferebatur folgende Worte an, in denen ein Vater seinem Sohn Vorschriften über Ackerbau giebt:

hibernod polverid | vernod lutod

grandia fara | casmile metes.)

Was sind diese Worte, an denen einige, um sie in ein Metrum zu pressen, wahrhaft frevelhafte Änderungen vorgenommen haben, anders als feierliche, deutlich gegliederte und daher rhythmisch wirkende Prosa? Verhält es sich nicht ebenso mit einem praeceptum Marcii vatis, das Isidor or. VI 8, 12 überliefert:

postremus dicas, | primus taceas -?

Wenn ich mit solchen Zeilen wirkliche Saturnier zusammenhalte, die ebenfalls deutlich ihre Gliederung zeigen, z. B. das incantamentum bei Festus 123:

vetus novum vinum bibo, | veteri novo morbo medeor,

wo beide Hälften noch viersilbig sind, so drängt sich mir die Überzeugung auf, dafs der saturnische Vers nichts anderes ist als die metrische Ausgestaltung der seit uralter Zeit in feierlicher Rede angewandten rhythmischen Zweiteilung der Zeile: daraus würde sich mir auch erklären, dafs in dem Gebet bei Cato beide Formen gewissermassen ineinander geschoben sind, daraus auch das Nebeneinander beider Formen in dem umbrischen Devotionsgebet, welches sie nach vollbrachtem Lustrationsopfer schweigend beten (tab. Ig. VI B 58 f.):

1 totam Tarsinatem, | trifo Tarsinatem,

2 Tuscom Naharcom | Iabuscom nome,
3 totar Tarsinater, | trifor Tarsinater,

1) Doch bemerke ich, dafs auch die Auguralformel bei Varr. de 1. 1. VII 8 nur in ihrem mittleren Teil metrisch ist.

2) Damit die Worte nicht zu modern aussehen, habe ich sie in altertümlicher Lautierung gegeben.

4 Tuscer Naharcer | Iabuscer nomner
5 nerf sihitu ansihitu,

6 iovie hostatu anhostatu

7 tursitu tremitu,

8 hondu holtu,

9 ninctu nepitu,

10 sonitu savitu,

11 preplotatu previlatu.

Diese Worte hat Westphal 1. c. 37 sämtlich als accentuierende Saturnier messen wollen, was schon dadurch ausgeschlossen wird, dafs wir bei den Umbrern sicher quantitierende Saturnier haben, die Buecheler, Umbrica (Boun 1883) 148 nachwies1); aber auch ohne diese schon zu kennen, hätte Westphal seine Hypothese deshalb nicht aufstellen dürfen, weil in diesem Gebet selbst Z. 1 bis 4 ja sicher quantitierende Saturnier sind, und wer wird glauben, dafs die übrigen accentuierend seien? Also: dieses Gebet geht von vier regulären Saturniern, die zu einer Formel erstarrt waren (cf. VI B 53 f.), über zu dem feierlichen Fluch: dieser besteht aus mehreren Reihen von je zwei durch Allitteration aneinander gebundenen Begriffen, die, da sie unter sich von gleicher Silbenzahl sind2), rhythmisch fallen.

Hält man dies alles zusammen, so wird man vielleicht geneigt sein mit mir anzunehmen, dafs es auch bei den Italikern eine Zeit gegeben hat, in der zwischen Prosa und Poesie nicht der Schnitt gemacht wurde, den die spätere Entwicklung mit sich brachte, sondern in der hohe feierliche Prosa sich den Formen der Poesie näherte oder ganz in sie umschlug; empfohlen wird jedenfalls diese Auffassung nicht nur durch die früher (S. 30 ff.) angestellten allgemeinen Erwägungen, sondern auch durch ein in sehr hohes Alter zurückgehendes Wort, in dem die innige Verknüpfung der beiden Arten menschlicher Rede gewissermassen hypostasiert ist. Man weifs, eine wie lebhafte

1) Es kommt vielleicht noch hinzu VI A 1, die Weisung für den Augur, er solle das Augurium anstellen

parfa curnase dersva, | peiqu peica merstu, vorausgesetzt, dafs in curnase das a lang ist wie in iέganı.

2) Nepitu ist, da die Buechelersche Zusammenstellung mit Neptunus evident ist, něpitu gesprochen worden (cf. auch E. Huschke, Die iguv. Tafeln [Leipz. 1859] 253), also rhythmisch

=

ninctu.

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