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Symptom dieser ganzen reaktionären Zeitstimmung waren, ist eine von selbst sich darbietende Vermutung; fest steht jedenfalls, dafs die Lehre von der Analogie in Rom praktische Anwendung fand für die Regelung des Wortgebrauchs in der Kunstsprache. Das beweisen folgende Thatsachen. Der Kreis des Scipio und sein litterarischer Hauptvertreter Lucilius waren Anhänger der analogetischen Richtung: Scipio sprach pertisum, weil man concisum, iniquum sage (Fest. 273; Cic. or. 159) und Lucilius hat seine Flexionsregeln auf analogetischer Grundlage aufgebaut (wie aus Quint. I 6, 8 f. hervorgeht und sich durch Vergleich des IX. Buchs seiner Satiren mit dem Abrifs der Analogie bei Cic. or. 158 ff. näher zeigen lassen mufs)'): derselbe Mann ist es nun auch gewesen, der gegen die ungeheuerlichen, die Sprache vergewaltigenden Neubildungen in den Wortkompositionen der zeit

1) Mir scheint aber bemerkenswert, dafs Lucilius keineswegs einen rigorosen Standpunkt vertrat, sondern dieselbe Vermittlung zwischen ratio und consuetudo anstrebte wie Aristarch (Varro de 1. 1. IX 1) und später Varro: während Scipio pertisum befahl, mokierte sich Lucilius leise über Leute, die so sprachen (842 L.), und er hatte offenbar dabei die consuetudo im Auge, welche in den (noch deutlich als solche gefühlten, cf. z. B. Ter. Hec. 58) Kompositionen mit per- die Vokalabstufung in der folgenden Silbe nicht eintreten liefs (persalsus, persapiens, perfacilis neben insulsus, insipiens difficilis, cf. W. Lindsay, The latin language [Oxford 1894] 195; 198; 587); er wird also ebensowenig das von Scipio der consuetudo zum Trotz befohlene rederguisse (Fest. 273) gebilligt haben, wie er ja auch betreffs der Assimilation zwischen adbibere und abbibere, adcurrere und accurrere freie Wahl liefs (330 cd L.). Wir brauchen dringend eine neue Behandlung des IX. Buches des Lucilius auf Grund solcher Betrachtungen. Überhaupt mufs eine Geschichte der Analogie und Anomalie, wofür wir so massenhaftes Material haben, noch erst geschrieben werden. H. Steinthal, Gesch. d. Sprachwiss. bei den Griech. u. Röm. (Berlin 1891) 127 ff. halte ich für verfehlt, da er die Hauptstelle des Charisius I 117 mit ihren Angaben über die xavóves des Aristophanes und Aristarch für verdächtig erklärt, was sich schon durch die Grammatik des Dionysios Thrax und die speziellen Angaben Varros de 1. 1. IX 43; 91 widerlegt. Wie weit liefs ferner Aristarch die ovvý gelten? Zu allgemein darüber A. Ludwich, Aristarch. Textkrit. II (Leipz. 1884) 108 ff. Die Sprache des Terenz mufs unter diesem Gesichtspunkt untersucht werden: ihre grofse Uniformität im Vergleich mit der plautinischen in lautlicher, formeller und syntaktischer Beziehung beruht sicher auf der Theorie des Litteraturkreises, in dem er lebte: Caesar wufste wohl, weshalb er ihn als puri sermonis auctorem pries (Sueton, vit. Terent. p. 34 Reiff.). Es ist übrigens zwar höchst merkwürdig, dass auf der lex Iulia municipalis quamtus tamtus (beide oft) sentemtiam (4mal)

genössischen Tragiker Front gemacht hat (cf. Hor. sat. I 10, 53 und das. Porphyrio; 1. XXVI fr. 462 ff. Baehr, besonders fr. 548 L. 468 B.; 620 L. 472 B.; 561 L. 475 B.; 616 L. 480 B.; 565 L. 481 B.).1) Wie empfindlich man wurde, zeigt die bekannte Notiz Varros (de 1. 1. VI 59), novissimus in der Bedeutung extremus hätten Aelius Stilo und senes aliquot als ein nimium novum verbum getadelt 2): man verlangte eben überall damdum (1) damdam (1) faciumdei (1) tuemdus (6) gegenüber nur dreimaligem n (locandum, referundum, tuendam) geschrieben wird, dafs das aber mit einer Theorie Caesars zusammenhänge (Lindsay 1. c. 66), widerlegt sich aus Bruns, Fontes 87, 13; 110, 6.

1) Die sorgfältigen Erörterungen von Fr. Stolz, Die lat. Nominalkomposition in formaler Hinsicht (Innsbruck 1877) und Fr. Skutsch, De nominum latinorum compositione quaestiones selectae (Diss. Bonn 1888) scheinen mir nach solchen und nach historischen Gesichtspunkten der Erweiterung bedürftig zu sein. Die älteste Sprache war offenbar verhältnismäfsig biegsam: in ihr wurden Wörter wie suovetaurilia, strufertarius, albogalerus, hosticapas gebildet. Dann verlor sie diese Biegsamkeit für lange Zeit. Dann kamen die Dichter, welche griechische Werke nachbildeten und dabei sehr frei mit der Sprache schalteten: Plautus und vor allem die Tragiker. Gegen letztere polemisierte Lucilius vom analogetischen Standpunkt aus; vielleicht hat Accius darauf geantwortet (Rh. Mus. XLIX [1894] 533). Terenz ist bezeichnenderweise auch hier ganz zurückhaltend. Noch weiter gingen die Neoteriker, besonders Laberius und Laevius, bei letzterem wurde wie der Inhalt so die Sprache zum reinen naiуviov. Zu derselben Zeit schnürten dann wiederum vom Standpunkt der Analogie aus Caesar und Cicero die Sprache ein: über die Theorie der neugebildeten Wortkompositionen äufsert sich Cicero z. B. de or. III 154; 167 und in der Praxis umschreibt er lieber, als dafs er an der Klippe einer Neuprägung scheiterte (cf. G. Landgraf zur Rosciana [Erlang. 1884] p. 163). Aber die Sprache ging ihre eignen Wege: die Schriftsteller über die griechischen Térva, wie Architektur, Medizin, Botanik, konnten solche Neubildungen gar nicht vermeiden; vor allem kam dann das Christentum, welches auch in der Sprache mit offen zugestandener (Augustin serm. 299, 6. Hieronym. in ep. ad Galat. 1. I c. 1) Freiheit schaltete. Daher das massenhafte Auftreten unerhörter Neubildungen in der Kaiserzeit; sie wurden befördert durch das Schwinden des Sprachbewusstseins.

2) Cf. Charisius 207 novissime' Tiro in Pandecte non recte ait dici adiecitque quod sua coeperit aetate id adverbium. ubi Flavius Caper de Latinitate miror, inquit, id dixisse Tironem, cum Valerius Antias libro II "mater cum novissime aegrotasset, inquit, novisse fertur" (folgt ein zweites Citat aus Antias). Der Tadel des Caper ist ungerecht, da der im J. 4 v. Chr. als Hundertjähriger gestorbene Tiro sich gut gerade auf Antias beziehen konnte. Über den Gebrauch des Worts in dieser Epoche cf. H. Hellmuth, Üb. d. Spr. d. Epistolographen C. Sulpicius Galba und L. Cornelius Balbus

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die auctoritas et vetustas und fragte wie die Atticisten der späteren Zeit stets no xeita; Besonders klar ist der Zusammenhang dieser Bestrebungen mit denen der Atticisten in der ciceronianischen Zeit: Cic. or. 25: Caria et Phrygia et Mysia, quod minume politae minumeque elegantes sunt, asciverunt aptum suis auribus opimum quoddam et tamquam adipatae dictionis genus, quod eorum vicini, non ita lato interiecto mari, Rhodii numquam probaverunt, Athenienses vero funditus repudiaverunt: quorum semper fuit prudens sincerumque iudicium, nihil ut possent nisi incorruptum audire et elegans. eorum religioni cum serviret orator, nullum verbum insolens, nullum odiosum ponere audebat. Daher sagt er (Brut. 274) von Calidius, dem notorischen Atticisten, bei ihm finde sich kein verbum durum aut insolens aut humile aut longius ductum. Die Spitze dieser Entwicklungsreihe wird gebildet durch das berühmte Wort Caesars, des Anhängers der Atticisten, in seiner Schrift de analogia: habe semper in memoria et in pectore, ut tamquam scopulum sic fugias inauditum atque insolens verbum; von hier aus können wir eine gerade Linie nach Alexandria ziehen: denn Caesars Lehrer in der Grammatik war M. Antonius Gnipho, der aus Alexandria nach Rom gekommen war (Suet. de gr. 7), und von ihm gab es ein auf den strengsten Regeln der Analogie begründetes Werk de sermone latino, aus dem Quint. I 6, 23 eine bezeichnende Notiz erhalten hat. Im Gegensatz zu dieser Richtung (cf. Cic. Brut. 260 f.) war Cornelius Sisenna, der Nachahmer des Klitarch und Übersetzer der Milesiaca, berüchtigt wegen seines kühnen Schaltens mit der Sprache: Sisenna, sagt Cic. Brut. 259 f., quasi emendator sermonis usitati cum esse vellet, ne a C. Rusio quidem deterreri potuit, quo minus inusitatis verbis uteretur e. q. s., was wir in seinen eben deswegen citierten Fragmenten noch deutlich beobachten können. Ein anderer Neuerer dieser Art war D. Laberius: über seine Sprachmeisterei handelt ein bekanntes Kapitel des Gellius XVI 7 (cf. XIX 13, 3). Wir werden später sehen, wie in der Kaiserzeit sich genau dieselben Verhältnisse wieder

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(Progr. Würzb. 1888) 21 f. E. Gebhard, De D. Iunii Bruti genere dic. (Diss. Jena 1891) 47 ff. L. Bergmüller, Üb. d. Lat. d. Briefe d. Plancus (Erlang. 1897) 40 f. danach hat es Cicero nur or. pr. Rosc. com. 30, je einmal Sallust, Nepos, Hirtius (Caesar nur in dem technischen novissimum agmen), oft die Epistolographen bei Cicero.

holt haben: Lukian schleuderte vom atticistischen Standpunkt den Bannstrahl gegen die Wortneuerungen der Asianer seiner Zeit. Hier will ich nur noch ein nicht weit jenseits unserer Epoche liegendes Zeugnis anführen, aus dem ebenfalls klar hervorgeht, dafs die Frage, ob und wie weit in der Sprache Neubildungen erlaubt seien, in engstem Zusammenhang mit der analogistisch-anomalistischen Kontroverse behandelt wurde. Horaz hat in einem langen Abschnitt seiner ars poetica (46—72) diese Frage erörtert; er kommt zu dem Resultat, dafs die Sprache als ein lebendiges Wesen (als solches fafsten sie schon die Herakliteer auf) fortwährenden Wandlungen unterworfen sei und dafs man daher die Neuprägung von Worten nicht durch starre Regeln einschränken dürfe:

mortalia facta peribunt,

nedum sermonum stet honos et gratia vivax.
multa renascentur quae iam cecidere cadentque

quae nunc sunt in honore vocabula, si volet usus,

quem penes arbitrium est et ius et norma loquendi. Das sind die bekannten Schlagwörter der Anomalisten: nicht die auctoritas, nicht die vetustas, sondern der usus (ovvýðɛíα) ist die norma (xaváv). Liest man die ganze Episode bei Horaz, so fühlt man, dafs sie durchaus auf griechischer Basis ruht: Neoptolemos aus Parion in der Troas stand naturgemäfs in dieser Frage auf Seiten der pergamenischen Schule.

Wir betrachten nun kurz die praktischen Konsequenzen II. Die dieser Theorieen. Wenn wir alles zusammennehmen, so werden Praxis. wir sagen müssen: in der Zeit, in der die lateinische Schriftsprache ihre höchste stilistische Formen vollendung erreicht hat, ist sie in ihrem Wortschatz am ärmsten gewesen. Aus dem überfliefsenden Reichtum der alten Sprache, deren Kenntnis stetig sank1), wurde eine be

1) Uns wäre es heutzutage ein Leichtes, irgend ein Gesetz der caesarianischen oder augusteischen Zeit in die Sprache etwa des zweiten punischen Krieges umzuschreiben: die Römer jener Zeit sowie der nachfolgenden Jahrhunderte konnten es nicht, ohne Fehler zu machen. Ich habe für dieses Sinken des altertümlichen Sprachbewusstseins im Rh. Mus. XLIX (1894) 202 f. aus Cicero, Sallust und Livius einige Belege gegeben; hier ein paar Nachträge. Der alte Ortsadverbien-Ablativ in advorsus ea (SC de Bacan. 24, cf. adversus hac im Plebiscit bei Fest. 246) wurde später nicht mehr

schränkte Anzahl von Worten ausgelesen, deren Bedeutungssphäre sich dafür erweiterte, z. B. kennt die Epistula coss. de Bacanalibus für geheime Verbindungen folgende Worte: coniurare convovere conspondere compromittere, wovon nur das erste übrig blieb1). Wir können das allmähliche Schwinden der früheren Wortfülle noch deutlich beobachten durch Vergleich der Schriften des jungen Cicero mit denen des alten; dafür hat vieles nützlich gesammelt Ph. Thielmann, De sermonis proprietatibus quae leguntur apud Cornificium et in primis Ciceronis libris (Diss. Strafsburg 1879), woraus ich einiges anführe. Viele Komposita schwinden, z. B. hat Cicero absumo nur in der Rede pro Quinctio und in einer aus Sophokles übersetzten Stelle, es fehlt bei Caesar und Nepos; antistare, in alter Zeit sehr beliebt, schwindet zu Gunsten von praestare; transfugere hat Cicero nur in der genannten Rede, dann tritt dafür perfugere an die Stelle. In der Schrift de inventione kennt er noch extrarius extraneus, später beschränkt er sich auf externus. Die vielen Adjektiva auf -bilis sterben aus: im Anfang hat Cicero noch comparabilis conducibilis ignorabilis. Man kann sagen: das, was Cicero im Gegensatz zu andern entweder ganz meidet oder nur in seinen früheren Schriften und den Briefen hat, ist vulgär oder von den Autoritäten,

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verstanden, sondern als Neutrum plur. gefafst, z. B. Wilmanns 454 si quis adversus ea quae) s(upra) s(cripta) sunt fuerint etc., ebenso ib. 315, 23 und auf der lex met. Vipasc. CIL II 5181 Z. 29 si adversus hoc quid fecerit. Cf. Weifsbrodt, Observ. in SC de Bacch. p. I (Braunsberg 1879) 16. Wenn Livius II 12 schreibt iuberem macte virtute esse, si pro mea patria ista virtus staret, so weifs er nicht mehr, dass macte ein an den Imperativ gebundener Vokativ ist. Cf. Conington, Appendix zu Verg. Aen. IX (vol. II 221 ff.). Die alte Bedeutung von privatus (der einzelne Angeklagte gegenüber der richtenden Volksversammlung) ist für Livius u. a. schon in Vergessenheit geraten, wie L. Lange, Die osk. Inschr. d. tab. Bantina (Göttingen 1853) 50; 52 schön darlegt. Vergil längt in der Caesur nach Ennius' Vorbild manche Silben, geht aber darin zu weit, indem er im Gegensatz zu Ennius oft ursprüngliche Kürzen, wie super, ebur, als Längen behandelt, cf. Nettleship in Coningtons Vergilausgabe III 465 ff. pseudosallustischen Werke zeigen zu starke Archaismen, ebenso wie die Inschrift der Columna rostrata (deren Vf. nebenbei grobe Fehler begeht) und einige Prologe sowie die meisten akrostichischen Argumente der plautinischen Stücke.

Die

1) In dieser Epoche scheint hinzuzukommen consentire (z. B. Cic. Phil. II 17), was aber doch wohl alt ist wegen der dei consentes.

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