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de parricidio in der Rosciana 62-73 ist von einer alle Grenzen überschreitenden Mafslosigkeit des Tons und einem Schwulst, von dem man oft nicht weifs, ob man über ihn lächeln oder sich über ihn ärgern soll: davon mag z. B. der bekannte Abschnitt über die Strafe der Vatermörder 71 f. eine Vorstellung geben: o singularem sapientiam, iudices: nonne videntur hunc hominem ex rerum natura sustulisse et eripuisse, cui repente caelum solem aquam terramque ademerint, ut, qui eum necasset, unde ipse natus esset, careret eis rebus omnibus, ex quibus omnia nata esse dicuntur? noluerunt feris corpus obicere, ne bestiis quoque, quae tantum scelus attigissent, immanioribus uteremur; non sic nudos in flumen deicere, ne, cum delati essent in mare, ipsum polluerent, quo cetera quae violata sunt expiari putantur; denique nihil tam vile neque tam volgare est cuius partem ullam reliquerint. (72) etenim quid est tam commune quam spiritus vivis, terra mortuis, mare fluctuantibus, litus eiectis? ita vivunt, dum possunt, ut ducere animam de caelo non queant; ita moriuntur, ut corum ossa terra non tangat; ita iactantur fluctibus, ut numquam adluantur; ita postremo eiciuntur, ut ne ad saxa quidem mortui conquiescant. Über diese Stelle des Sechsundzwanzigjährigen hat später der Sechzigjährige geurteilt (or. 107): quantis illa clamoribus adulescentuli diximus, quae nequaquam satis defervuisse post aliquanto sentire coepimus... (er citiert § 72): sunt enim omnia sicut adulescentis non tam re et maturitate quam spe et exspectatione laudati. Es liefse sich noch viel mehr derartiges aus diesen beiden Gerichtsreden anführen, was der ältere Cicero nicht einmal in den epideiktischen Reden gewagt hätte, aber ich übergehe das und verweile nur bei einem Punkt, der mir ganz besonders geeignet zu sein scheint, die mit den Jahren gewachsene Selbstzucht des grofsen Redners zu beobachten.

Wir haben oben (S. 134; 138 f.) aus Cicero selbst erfahren, dafs die charakteristische Eigentümlichkeit der einen asianischen Stilart in zierlich gebauten concinnen Sätzchen bestand, die Cicero selbst in Zusammenhang mit den ἀντιθέσεις, ἰσόκωλα, ὁμοιοTéλEvτa der alten sophistischen Kunstprosa setzt. Jeder weifs, dafs diese lumina in keiner seiner Reden ganz fehlen und dafs er auch in der Theorie mit unverhohlenem Behagen von ihnen zu sprechen pflegt (cf. besonders or. 135; 164 f.; 223 f.); dafs die concinnitas das am meisten Charakteristische der ciceronia

nischen1) Diktion ist, lernt man schon auf der Schule, und dafs die Fälle, wo er diesem Prinzip zuliebe zu einem ungewöhnlicheren Ausdruck, einer selteneren Konstruktion, ja zu Flickwörtern (was er selbst in der Theorie verurteilt or. 230) greift, viel häufiger sind als die, wo er die äufsere Form dem regulären Ausdruck hintansetzt, könnte ich an einer grofsen Zahl von Beispielen zeigen. 2) Aber darauf ist noch nicht hingewiesen worden, dafs er in seinen ersten Reden von diesem Redeschmuck einen ungehörigen Gebrauch macht, während er ihn später erheblich temperiert hat. Unter den ersten Reden verstehe ich auch die für den Schauspieler Roscius: sie ist unmittelbar nach der Rückkehr Ciceros 77 oder 76 gehalten, cf. neuerdings Landgraf 1. c. 47. Diese Rede ist auch sonst stilistisch höchst merkwürdig: es giebt wohl keine, die stärker zu dem Bilde kontrastiert, das man sich von Ciceros Stil macht: kleine zerhackte, man möchte sagen zerfetzte Sätze meist in Frageform jagen sich förmlich, während Ansätze zu längeren Perioden sich so gut wie gar nicht finden, und, wo sie sich finden, fast ohne Ausnahme der Manier unterworfen sind, von der ich sprechen will: in dieser Rede ist von der fast völligen Verwandlung, die er in Molons Schule durchgemacht haben will, noch gar nichts zu merken, sie ist vielmehr noch ganz in der Manier der Asianer geschrieben, nur viel weniger sorgfältig als die beiden ersten. 3) Wie das zu erklären ist, weifs ich nicht; es macht fast den Eindruck, als ob er keine Zeit gehabt hätte, sich genügend vorzubereiten oder bei der Edition zu feilen. In den ersten 50 Paragraphen der Rede pro Sex. Roscio1) sind nun

1) Von C. Antonius, dem Sohn des grofsen Redners, cos. 63, führt Quintil. IX 3, 94 folgendes raffinierte roínalov an: sed neque accusatorem eum metuo quod sum innocens, neque competitorem vereor quod sum Antonius, neque consulem spero quod est Cicero.

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2) Cf. einiges im Greifswalder Prooemium Ostern 1897. Ein paar Beispiele für Verletzung der Concinnität bei E. Kühnast, Die Hauptpunkte der livian. Synt. (Berlin 1872) p. 328 adn. 193. J. Madvig zu Cic. de fin. (Hauniae 1876) 810.

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3) Landgraf 1. c. führt einiges an für die Fülle des Ausdrucks. Affektiert ist § 48 mentitus est Cluvius? ipsa mihi Veritas manum inicit et paulisper consistere et commorari cogit, cf. Varr. sat. 141.

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4) Die für P. Quinctius führe ich im Text nicht an, weil sie mäfs ihrem sterileren Stoff überhaupt sparsamer mit den Mitteln der

jene Figuren 20 mal angewendet (darunter 14 im Proömium von 14 Paragraphen), und zwar in der aufdringlichsten Form (oft noch mit allerlei anderen facetiae, besonders Wortspielen ausgestattet), z. B. § 4 f.: a me autem ei contenderunt, qui apud me et amicitia et beneficiis et dignitate plurimum possunt, quorum ego nec benevolentiam erga me ignorare nec auctoritatem aspernari nec voluntatem neglegere debeam. his de causis ego huic causae patronus exstiti, non electus unus qui maximo ingenio sed relictus ex omnibus qui minimo periculo possem dicere, neque uti satis firmo praesidio defensus Sex. Roscius, verum uti ne omnino desertus esset. 9: his de rebus tantis tamque atrocibus neque satis me commode dicere neque satis graviter conqueri neque satis libere vociferari posse intellego; nam commoditati ingenium, gravitati aetas, libertati tempora sunt impedimento. 13 (Schlufs des Proömiums) vier lange parallele Sätze, die wieder bestehen aus je zwei unter sich parallelen κῶλα. 32: patrem meum cum proscriptus non esset iugulastis, occisum in proscriptorum numerum rettulistis; me domo mea per vim expulistis, patrimonium meum possidetis (in diesem díxolov mit je 2 xóμuaτa haben xóuua 1 und 2 je 15, 3 und 4 je 11 Silben!). In der Rede für den Schauspieler Roscius finden sich in 50 Paragraphen (das Proömium fehlt in der Überlieferung) gar 57 dieser Figuren, meist mit derselben Aufdringlichkeit, z. B. § 2: scripsisset ille, si non iussu huius expensum tulisset? non scripsisset hic, quod sibi expensum ferri iussisset (17+ 16 Silben)? nam quem ad modum turpe est scribere quod non debeatur, sic improbum est non referre quod debeas; aeque enim tabulae condemnantur eius qui verum non rettulit et eius qui falsum perscripsit. 7: quid est quod neglegenter scribamus adversaria? quid est quod diligenter conficiamus tabulas? qua de causa? quia

Rhetorik wirtschaftet. Doch finden sich im Proömium von 10 Paragraphen 6 Fälle, in der Peroratio von 9 Paragraphen 12 Fälle, darunter so starke wie § 95 miserum est deturbari fortunis omnibus, miserius iniuria; acerbum est ab aliquo circumveniri, acerbius a propinquo und so noch fünf weitere Glieder, im ganzen also sieben, die ich aber unter den 12 Fällen nur als einen einzigen gerechnet habe. Unter den übrigen auch Klangmittel wie 94 sin et poterit Naevius id, quod libet, et ei libebit id, quod non licet, quid agendum est? qui deus appellandus est? cuius hominis fides imploranda est? 98 ab ipso repudiatus, ab amicis eius non sublevatus, ab omni magistratu agitatus. Solche roízala zähle ich natürlich nur als eínen Fall.

haec sunt menstrua, illae sunt aeternae; haec delentur statim, illae servantur sancte; haec parvi temporis memoriam, illae perpetuae existimationis fidem et religionem amplectuntur; haec sunt disiecta, illae sunt in ordinem confectae.1) 23: laborem quaestus recepit,

quaestum laboris reiecit; populo Romano adhuc servire non destitit, sibi servire iam pridem destitit (cf. besonders noch § 55). Mit diesen Zahlen vergleiche man nun die der zeitlich folgenden Reden: pro M. Tullio (gehalten 72/71) hat in 50 Paragraphen nur 10 Beispiele (davon 2 im Proömium von 2 Paragraphen), darunter am stärksten das, mit dem das Proömium schliefst: mihi autem difficile est satis copiose de eo dicere, quod nec atrocius verbis demonstrari potest quam re ipsa est neque apertius oratione mea fieri quam ipsorum confessione factum est; daneben freilich auch noch eine jener subtilen scholastischen Wortdistinktionen, wie wir sie oben (S. 175) in den Musterbeispielen des auctor ad Herennium kennen gelernt haben und wie sie sich in der Rede für Sex. Roscius sehr häufig finden, § 5: verum et tum id feci quod oportuit et nunc faciam quod necesse est (in den späteren Reden ist es, denke ich, damit ganz vorbei). Aber, wird man sagen, diese Rede pro M. Tullio gehört zu den sterilsten (wozu sie Tac. dial. 20 ausdrücklich rechnet) und aus ihr läfst sich daher nicht beweisen, dafs Cicero diese dem Schmuck der Diktion dienenden Figuren im Laufe der Zeit absichtlich eingeschränkt hat. Dieser Einwurf wird am schlagendsten widerlegt durch die Thatsache, dafs in der im J. 70 gehaltenen vierten verrinischen Rede, d. h. also in derjenigen, welche die Glanzstücke der Kunst in der expoaois enthält, das Verhältnis sich nicht anders stellt als in der Rede für Tullius: in den ersten 50 Paragraphen finden sich nur 9 Beispiele, darunter keins von jener empfindlichen Härte der früheren); das Gleiche gilt von

1) Solche nóμuara sind in der angegebenen Zahl von 57 Beispielen nur für 1 Beispiel gezählt!

2) Höchstens könnte man anführen 20: hi te homines auctoritate sua sublevent, qui te neque debent adiuvare si possint neque possunt si velint. Diese stärkste Form der Antithese (&vtiueraßolń, commutatio cf. auct. ad Her. IV 28, 39 Quint. IX 3, 85; das Monstre beispiel ist esse oportet ut vivas, non vivere ut edas) geht direkt auf Gorgias zurück: Palam. 5 obtε γὰρ βουληθεὶς ἐδυνάμην ἂν οὔτε δυνάμενος ἐβουλήθην ἔργοις ἐπιχειρεῖν το GovTois. Cicero fand daran viel Freude (Beispiele aus den Reden Quintil.

den 4 Beispielen der §§ 51-100; unter den 10 Beispielen der letzten 50 Paragraphen (101-151) ist das hervorragendste die yon Cicero selbst (or. 167) als Muster eines άvτíðεtov im Stil des Gorgias citierte Parallelisierung des M. Marcellus und Verres § 115: conferte hanc pacem cum illo bello, huius praetoris adventum cum illius imperatoris victoria, huius cohortem impuram cum illius cxercitu invicto, huius libidines cum illius continentia: ab illo qui cepit conditas, ab hoc qui constitutas accepit captas dicetis Syracusas (cf. auch § 121): welche Kraft liegt darin trotz des Raffinements, und wie schwächlich nehmen sich dagegen aus die durch ihre Häufigkeit und besonders den Kontrast zwischen Inhalt und Form verletzenden Figuren jener frühen Reden. Das Gleiche gilt von den späteren Reden, z. B. hat die Miloniana in 105 Paragraphen nur 12 Beispiele, darunter im Proömium (§ 10) wohl das berühmteste von allen, das er selbst ebenfalls mit Genugthuung citiert (or. 165): est igitur haec, iudices, non scripta sed nata lex, quam non didicimus accepimus legimus, verum ex natura ipsa arripuimus hausimus expressimus, ad quam non docti sed facti, non instituti sed imbuti sumus. Wenn in der angeführten Stelle der Verrinen der angestellte Vergleich von selbst seinen Niederschlag in antithetischer Sprache fand, so ist hier der reichliche Schmuck sowohl durch das Pathos auf dem Kulminationspunkt des Proömiums als durch die yvóun bedingt.1) Wenn in den 34 Paragraphen der Marcelliana sich 16 Beispiele finden, so darf 1. c., O. Guttmann, De earum quae vocantur Caesarianae orationum Tullianarum genere dicendi [Diss. Greifswald 1883] 34 f.): Brut. 287 orationes quas interposuit (Thucydides), eas ego laudare soleo; imitari neque possim si velim nec velim fortasse si possim. Ähnlich ist Brut. 145, wo er über den Redner Crassus und den Juristen Scaevola folgendes Urteil referiert: eloquentium iuris peritissumus Crassus, iuris peritorum eloquentissumus Scaevola; ihm gefällt diese Redewendung so, dafs er 148 folgendermafsen darauf zurückkommt: nam, ut paulo ante dixi, consultorum alterum disertissumum, disertorum alterum consultissumum fuisse, sic in reliquis rebus ita dissimiles erant inter sese, statuere ut tamen non posses, utrius te malles similiorem: Crassus erat elegantium parcissumus, Scaevola parcorum elegantissumus; Crassus in summa comitate habebat etiam severitatis satis, Scaevolae multa in severitate non deerat tamen comitas. licet omnia hoc modo, sed vereor ne fingi videantur haec, ut dican ur a me quodam modo: res tamen sic se habet. 1) Ähnlich der glänzende Schlufs eines längeren Abschnitts in der Sestiana § 35.

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