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Poesie und

Prosa.

ein niedliches Mädchen, ein stattliches Tier u. dgl. zu beschreiben, so haben sie andererseits bei Beschreibung von schaurigen Höhlen, dem Ocean und seinen Schrecknissen (der über ihm lagernden Nacht, den Ungeheuern der Tiefe), Sturm und Schiffbruch, Foltern, Totschlag u. dgl. Töne aufgesetzt, die einem wirklich durch Mark und Bein gehen. Uns wird später derartiges öfters begegnen; hier führe ich nur an die Äufserungen und Proben bei Seneca contr. II praef. 1; 3; II 1, 13; VII 1, 4; 10; 26 (hier ein griechisches Beispiel); 27; exc. VIII 6 p. 367, 17 ff. Müll.; suas. 1, 1; 15; Sen. ep. 122, 11 ff.; apocol. in. Quint. II 4, 3; IV 3, 12; IX 2, 44; Plin. ep. II 5, 5; Lukian de hist. conscr. 19 f.; 57. An mehreren dieser Stellen wird ausdrücklich gesagt, dafs man in solchen expoάoes ganz poetisch sprechen dürfe: so erklärt es sich, dafs wir dieselben Stoffe bis zum Überdrufs bei den rhetorisierenden Dichtern der Kaiserzeit wiederfinden, was wenigstens für eins dieser Themata von C. Liedloff, De tempestatis etc. descriptionibus (Diss. Leipz. 1884) nachgewiesen ist.

In der Diktion mied man sordida et cotidiana vocabula, was keine Kleinigkeit war, da ja gerade έoes aus dem Alltagsleben die häufigsten waren und das lupanar eine nicht geringe Rolle spielte: einer sagte absichtlich, um nicht als scholasticus zu gelten, acetum, puleium, lanterna, spongia (Sen. contr. VII praef. 3, cf. I 2, 21; IV praef. 9; IX 2, 25; X 1, 13). Man suchte möglichst gewählt und glänzend zu sein, cultus und splendor waren hier die Schlagwörter; politura nennt es Seneca der Sohn ep. 100, 5, und bei Tacitus (dial. 20; 22) sagt Aper, die Rede solle nicht gleichen rohgebauten Tempeln und Häusern, die nur Schutz gegen Unwetter gewähren, sondern den neuen Marmortempeln und Prachtbauten. Natürlich ging man auch hier über das Erlaubte hinaus (Sen. contr. II praef. 1; IV praef. 10; X praef. 5; Quint. III 8, 58; VIII pr. 18 ff.; 3, 6; XII 10, 46; 73 ff.; Tac. dial. 20; 22). In den Worten herrschte Ausgelassenheit (lascivia ist der Ausdruck, mit dem dies vitium alle Kritiker brandmarken: Sen. contr. II praef. 1; II 6, 8; Sen. ep. 114, 2; Quint. II 5, 22; X 1, 43; 56; XII 10,73): Hyperbeln (Quint. VIII 6, 73 ff.), Metaphern (Sen. contr. VII 3, 8; Sen. ep. 114, 10), Vergleiche, die aber oft ganz falsch waren (Quint. VIII 3, 76); besonders werden auch poetische Worte und poetisches Ko

lorit überhaupt1) von den Kritikern gerügt (Sen. ep. 114, 13. Quint. II 4, 3; VIII pr. 25. X 2, 21. Plin. ep. IX 26, 8): wir erkennen das noch deutlich an mitgeteilten Proben, z. B. sagte einer: nox erat concubia, et omnia, iudices, canentia sub sideribus muta erant, was schon die Zeitgenossen als Imitation berühmter vergilischer Verse (VIII 26 f.) erkannten (Sen. contr. VII 1, 27); sie traten in offen eingestandene Konkurrenz mit Vergil: man sehe, wie einer der extravagantesten dieser Deklamatoren, Arellius Fuscus aus Asien, den Wechsel der Witterungsverhältnisse nach Vergils Vorgang beschreibt (bei Sen. suas. 3, 1; 5); ein griechischer Deklamator ruft den Poseidon an: άμετρήτων δέσποτα βυθῶν, τὴν ἐνάλιον κληρωσάμενε βασιλείαν (Sen. contr. VII 1, 25) und ein anderer beschrieb den Schild des Polyphem in so gewagten Ausdrücken (id. suas. 1, 12), dafs man früher geglaubt hat, sie stammten aus dem Dithyrambus des Philoxenos. Die Annäherung der Poesie an die Prosa war in jenen Kreisen und der ganzen von ihnen abhängigen Litteratur so weit fortgeschritten, dafs sie sich überall berührten, bei manchen völlig in einander aufgingen; die poetische Ausdrucksweise wurde im Lauf der Kaiserzeit mehr und mehr entwertet, man empfand sie nicht mehr als solche; daher ging die Poesie zugrunde und wurde durch eine in poetischen Farben schillernde Prosa ersetzt. Nur in dem Mafs der Verwendung des Poetischen unterscheiden sich sowohl einzelne Schriftsteller von einander als auch ein und derselbe in seinen verschiedenen Werken, z. B. geht Florus etwas weiter als Velleius, viel weiter als Tacitus, aber Appuleius wieder viel weiter als Florus, und Appuleius selbst erlaubt sich in den Florida mehr als in den Metamorphosen, in diesen mehr als in der Apologie und den philosophischen Schriften, unter denen aber ihrerseits die Schrift über die Gottheit des Sokrates als Deklamation wiederum poetischer ist als die rein dogmatische über die Lehre Platons.

Natürlich spielten bei diesem Schmuck und Glanz der Rede Figuren. die Figuren eine Hauptrolle, und zwar, wie Quintilian (IX 3, 3 ff.) sagt, nicht die gewöhnlichen, denn sie seien schon zu

1) Poetische, z. T. neugebildete Wörter der griechischen Asianer bei Seneca sammelt W. Schmid, Der Atticismus I 44, 18. Cf. im allgemeinen L. Friedländer, Sittengesch. d. röm. Kaiserz. III (Leipz. 1881) 350.

abgegriffen und würden als solche gar nicht mehr empfunden, sondern: secretae (figurae) et extra vulgarem usum positae ideoque magis notabiles ut novitate aurem excitant ita copia satiant et se non obvias fuisse dicenti, sed conquisitas et ex omnibus latebris extractas congestasque declarant. Seneca erzählt eine hübsche Geschichte davon (contr. VII praef. 7): einer hatte im Centumviralprozess ein hübsches oxñua gesagt, worauf ihn sein Gegner festnagelt; jener: schema dixi und: ista ratione schemata de rerum natura tolluntur, dieser: tollantur, poterimus sine illis vivere; die Centumvirn entscheiden auf Grund des oxñua, worauf jener, tief beleidigt, sich ein für alle Mal vom Forum zurückzieht. Von Antithese den Wortfiguren war, wie nicht anders zu erwarten, die Antiparallelis- these am beliebtesten: sie machte am meisten Furore: excepta est sententia (Sen. contr. VII 6, 19 a. E.; suas. 5, 6), was sich durch Persius 1, 85 ff. hübsch illustrieren läfst:

und Satz

mus.

'fur es' ait Pedio. Pedius quid? crimina rasis

librat in antithetis, doctas posuisse figuras

laudatur: 'bellum hoc'1). hoc bellum? an, Romule, ceves? Die Zahl der Beispiele für diese Figur bei Seneca wird 100 weit übersteigen; von den Arten mögen folgende beliebig herausgegriffene Proben eine Vorstellung geben. Antithese mit loóκωλον und gelegentlichem ὁμοιοτέλευτον κ. Β. πάλαι μὲν ἐκθέτοις κίνδυνος ἦν τὸ ῥιφῆναι, νῦν δὲ τὸ τραφήναι (contr. Χ 4, 21), εἰ πυρὶ καὶ σιδήρῳ ζωγραφοῦνται, τίνι τυραννοῦνται; (X 5, 23), hoc unum scio, nec fieri quod non potest nec portentum esse quod potest (I 3, 4), lege damnata est: habetis iudicium. deiecta est: habetis exemplum (ib.6), pater rogabat ut occiderem, mater ut viveret; pater ne nocens inpunita esset, mater ut ego innocens essem; pater recitabat legem de adulteriis, mater de parricidiis (I 4, 9), merito abdicasti an immerito? si immerito abdicasti, odi patrem tot eicientem innocentes: si merito, odi domum tot facientem nocentes (II 1, 4), perit aliqua cum viro, perit aliqua pro viro; illas tamen omnis aetas honorabit, omne celebrabit ingenium2) (II 2, 11 von Ovid), alam qui propter debilitatem alitur, non alam qui propter alimenta debilitatur (exc. III 1), alter quos roget non

1) Cf. über diese Akklamation C. Morawski 1. c. 375 f.

2) Durch die Umstellung celebrabit ingenium wird zwar das duoiotéLavrov verwischt, aber dafür die Klausel erreicht.

videt, alter quibus roget non habet (VII 4, 9)1); etwas anderer Art: refulsit inter privata pocula publicae securis acies (IX 2, 24, wo Seneca selbst die Thorheit notiert, privata pocula wegen publicae securis zu sagen). Ohne Parallelismus (Gedankenantithese): VII 4, 9 redet ein Vater seine Söhne, von denen der eine beim Tyrannenmord die Augen, der andere in der Schlacht die Hände verloren hatte, an: exsurgite nunc, viva cadavera; exc. VIII 6: einer kommt, der Gefahr eines Schiffbruchs mit Not entronnen, ans Land, wo ihn sein Feind erwartet, das drückt er so aus: adhuc tamen bene, iudices, navigamus; naufragium maius restat in litore.) Am liebsten tritt der Parallelismus in der Form des τρίκωλον (und τετράxolov) auf3), z. B. contr. I 3, 2: damnata est quia incesta erat, deiecta est quia damnata erat, repetenda est quia et incesta et damnata et deiecta est II 2, 4: vir, dum nimis amat uxorem, paene causa periculi fuit; uxor, dum nimis amat virum, paene causa luctus fuit; pater, dum nimis amat filiam, abdicat II 3, 5: hoc si reo dicis, non curo; si iudici, videbo; si dementi, non intellego exc. VI 4: sic egit ut deprehenderetur, sic deprehensus est ut exoraretur, sic bibit ut viveret, IX 3, 14: ergo ego tollere potui, educare potui, tacere non potui? IX 6, 18: invenit, quomodo damnata accusaret, moriens occideret, torta torqueret suas. 7, 8: videlicet Cicero audiat Lepidum, Cicero audiat Antonium, nemo Ciceronem. An zwei Stellen spricht Seneca ausdrücklich über die Sucht, unbekümmert um den Sinn diese Figur nur um ihrer selbst willen zu verwenden: contr. II 4, 12: hanc controversiam cum declamaret Maximus (Fabius M. † 14 n. Chr.), dixit tricolum tale qualia

1) Der parallele Satzbau war Veranlassung, dafs in unsern Handschriften eine grofse Zahl von Stellen lückenhaft ist, z. B. ist sicher richtig ergänzt II 1, 15 si omnes mali sunt, quid isto patre (miserius? si omnes boni sunt, quid isto patre) furentius? cf. II 2, 4 u. ö. Seneca selbst liebt die Figur auch, cf. contr. IV praef. 1 (p. 224, 9 Müll.). IX 4, 21 (p. 413, 5). 2) Aus dieser Antithesensucht erklärt sich die Vorliebe der Deklamatoren für die gern in antithetischer Form auftretenden Sentenzen des Publilius Syrus; darüber giebt eine interessante Ausführung Sen. contr. VII 3, 8, wo aus Syrus angeführt wird: tam dest avaro quod habet quam quod non habet, desunt luxuriae multa, avaritiae omnia, o vita misero longa felici brevis. Cf. die Sentenzen bei Seneca ep. 108 und W. Meyer, Über die Spruchsammlung des Publ. Syrus (Leipz. 1877) 37 f.

3) Cf. meine Untersuchung im Greifswalder Progr. 1897 p. 41 f.; 49. Norden, antike Kunstprosa.

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sunt quae basilicam infectant.1) dicebat autem a parte (patris): omnes aliquid ad vos inbecilli alter alterius onera detulimus: accusatur pater in ultimis annis, nepos in primis (adoptatur, in mediis abdicatur)2) filius.' VIII 2, 27: dixit Murredius illud tetracolon serviebat forum cubiculo, praetor meretrici, carcer convivio, dies nocti novissima pars sine sensu dicta est, ut impleretur numerus. quem enim sensum habet: 'serviebat dies nocti'? hanc ideo sententiam rettuli, quia et in tricolis et in omnibus huius generis sententiis curamus ut numerus constet, non curamus an sensus.3)

Rhythmus. Ein wesentliches Charakteristikum dieses Stils war der Rhythmus. Ich mufs darauf etwas näher eingehen, weil dies Moment besonders wichtig ist, um diesen Stil in seiner historischen Entstehung und Fortentwicklung zu begreifen. Wir wissen (s. o. S. 53 ff.), dafs seit den Zeiten des Isokrates kein unter der Theorie stehender Schriftsteller seine Diktion unrhythmisch gestaltet und kein Stilkritiker eine solche Diktion für existenzberechtigt gehalten hat; wir wissen aber ebenfalls (s. o. S. 135 ff.), dafs schon früh in gewissen Kreisen die eğ1S εὔρυθμος zur λέξις ἔνρυθμος wurde, vor der die angesehensten Kritiker vergeblich warnten. Bei den Deklamatoren der Kaiserzeit wiederholen sich die Verhältnisse aufs genaueste und auch hier suchen die angesehensten Männer vergebens dem Verfall des Geschmacks Einhalt zu gebieten. Das IX. Buch Quintilians ist speziell der Lehre vom Rhythmus gewidmet und daher ganz durchzogen von einer Polemik gegen die Excesse seiner Zeit in dieser Richtung; er tadelt vor allem die Vergewaltigung der Wortstellung dem Rhythmus zuliebe, und zwar eines ganz

1) Insectant codd., corr. O. Jahn. Die in Müllers Ausgabe aufgenommene Änderung von E. Thomas basilicani sectantur ist viel unwahrscheinlicher. Für die basilica cf. Sen. contr. IX praef. 3 a. E.

2) Diese Worte ergänzt Müller, andere ähnlich; der Sinn steht fest. 3) Auch Wortspiele fehlen nicht, obwohl sie durchaus nicht häufig sind: Sen. contr. II 1, 32 sic de me dives meruit, ut illi et dare filium paratus sim et commodare, X 1, 10 mulier quem virum patre relicto secuta fuerat, patre viso consecuta est, suas. 7, 11 dixit (der Name ist ausgefallen) sententiam cacozeliae genere humillimo et sordidissimo, quod detractu aut adiectione syllabae facit sensum: pro facinus indignum: peribit ergo quod Cicero scripsit, manebat quod Antonius proscripsit?' exc. V 1 Cn. Pompeius in Pharsalia victus acie vixit (cf. oben S. 208).

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