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Stufe neben einander gestellt: denn eine Sonderung des Griechischen und Lateinischen, die innerlich nicht berechtigt ist, würde uns die Erkenntnis wichtiger Zusammenhänge erschweren, und eine wie bisher von Epoche zu Epoche fortschreitende Darstellung lässt sich fortan noch viel weniger geben, als es überhaupt der Fall zu sein pflegt: denn die Litteraturen beider Völker tragen in diesen Zeiten einen wesentlich uniformen Charakter, vor allem auf dem uns hier allein angehenden Gebiet des kunstmäfsigen Ausdrucks der Gedanken in prosaischer Rede.

Die zweite Sophistik.

Die bedeutende Stellung, welche man der Sophistik in der AllKaiserzeit einräumte, erscheint uns modern empfindenden Men- gemeines. schen zunächst unbegreiflich. Wenn wir uns aber in das Empfinden einer Gesellschaft hineinzuversetzen suchen, die erstens nichts Besseres zu thun hatte als sich zu unterhalten, die zweitens noch immer die angenehmste geistige Unterhaltung in dem Reiz sah, welchen das gesprochene Wort auf ihre Ohren ausübte, die drittens und das ist nicht unwesentlich eine erheblich höhere Durchschnittsbildung besafs als es heute der Fall ist1), so verschwindet das Befremdliche und wir verstehen es, dafs die Griechen nicht mehr die "Elinves der grofsen Zeit, sondern die Γραικοί και σχολαστικοί, Graeculi von jeher verstanden, alles zu einer Kunst zu gestalten, damals ihre Geschwätzigkeit zu einer Kunst ausbildeten.) Die vortrefflichen Darstellungen, welche diese sog. zweite Sophistik in neuerer Zeit gefunden hat, vor allem die, welche Rohde in seinem Buch über den griechischen Roman gab, sind bekannt. Uns interessiert hier nur die stilistische Seite, und ich will, damit man eine möglichst lebendige Vorstellung von der Vortragsweise dieser Sophisten für die nachfolgende Untersuchung mit auf den Weg nimmt, eine hübsche, wenn auch etwas karikierende Charakteristik des Synesios (Dion p. 54 f. Pet.) voranstellen, die

die es

1) Darauf weist hin G. Boissier 1. c. 349; cf. Tac. dial. 19: es gebe jetzt keinen Zuhörer mehr, quin elementis studiorum etsi non instructus at certe imbutus sit.

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2) Cf. K. Lehrs in: Pop. Aufs. aus d. Altert. (Leipzig 1875) 372 ff.

wir, da die Verhältnisse sich in jenen Jahrhunderten nicht änderten, ohne weiteres auch auf frühere Zeiten übertragen dürfen. Er vergleicht sich, den in behaglicher Mufse auf seinem Landgut lebenden und von den höchsten Fragen in Anspruch genommenen Philosophen, mit den armseligen Sophisten: „Wer so vielen ungleich gearteten Menschen gefallen mufs, wie sollte der nicht nach Unerreichbarem streben? Ein solcher ist nun eben der Volksredner, der Sklave der Menge, der allen ausgesetzt ist und von jedem Beliebigen in schlechte Stimmung versetzt werden kann. Lacht einer, so ist's um den Sophisten geschehen; macht einer ein finsteres Gesicht, so beargwöhnt er ihn. Denn als Sophist erstrebt er, gleichgültig welche Art der Rede er vertritt, äufseren Schein statt Wahrheit. Unangenehm ist ihm auch der sehr Aufmerksame, da dieser möglicherweise darauf lauert, ihn zu packen, ebenso sehr aber auch der, welcher den Kopf hierhin und dorthin dreht, da er das Vorgetragene nicht des Anhörens für wert halten könnte. Und doch hätte er eigentlich eine so harte und herrische Beurteilung nicht verdient, er, der um den Schlaf vieler Nächte kam, viele Tage auf der Folter lag und um ein kleines vor Hunger und Sorge, nur ja etwas Gutes zusammenzubringen, sein Leben hätte zerrinnen sehen. Und so kommt er denn und bringt etwas mit, das angenehm und lieblich zu hören ist, für seine stolzen Lieblinge, um derentwillen es ihm elend geht, so sehr er auch thut, als fühle er sich wohl. Vor dem angekündigten Tage badet er sich, erscheint dann prunkend in Kleidung und Haltung, damit es auch schön aussehe, lächelt dem Publikum zu und ist (sollte man denken) vergnügt: aber seine Seele wird gefoltert, hat er doch sogar Bocksdorn gegessen, um nur ja klar und wohlklingend zu sprechen. Denn dafs ihm gar sehr an der Stimme liege und er alles, was sie betrifft, gehörig vorgesehen habe, das würde selbst der von ihnen, der am feierlichsten thut, nicht zu leugnen wagen: pflegt er sich doch mitten während des Vortrags umzudrehen und nach dem Fläschchen zu fragen, welches ihm der Diener hinreicht (denn von langer Hand her bereitet er es vor); jener aber schlürft davon und gurgelt damit, um sich frisch an die Gesangpartieen heranzumachen. Aber nicht einmal so findet er Gnade bei seinen Zuhörern: denn sie möchten freilich wohl, dafs er lossinge (würden sie doch dabei lachen können), aber sie

möchten ebenso gern, dafs er, wie eine Bildsäule, blofs Lippen und Hand öffne, dann aber stummer als eine Bildsäule werde (würden sie doch dann loskommen, was sie schon lange wünschten)." Die letzten Worte sind eine vom Hafs eingegebene Unwahrheit: das Publikum, an das sich der Sophist wandte, konnte nie genug bekommen und verhimmelte seinen Liebling. Man lese blofs, was Eunapios v. soph. p. 82 ff. von Prohairesios berichtet. Bei einem Konkurrenzreden in Athen befiehlt er durch den Prokonsul dem Publikum, ausnahmsweise ihn nicht durch Klatschen zu unterbrechen; dieses thut ihm den Gefallen, und nur halbunterdrücktes Stöhnen wird laut. Dann aber, als der Sophist, im höchsten Affekt auf der Tribüne hin- und herlaufend, dieselbe Rede sofort wörtlich wiederholt, ovte d åvýúπατος ἐνταῦθα τοὺς ἑαυτοῦ νόμους ἐφύλαττεν οὔτε τὸ θέατρον τὰς ἀπειλὲς τοῦ ἄρχοντος· καὶ τὰ στέρνα τοῦ σοφιστοῦ περιλειχμησάμενοι καθάπερ ἀγάλματος ἐνθέου πάντες οἱ παρόντες οἱ μὲν πόδας οἱ δὲ χεῖρας προσεκύνουν, οἱ δὲ θεὸν ἔφασαν οἱ δὲ Ἑρμοῦ Λογίου τύπου.

Man pflegt heute zu glauben, dafs über die litterarhistorische Stellung dieser jüngeren Sophistik eine wesentliche Kontroverse zwischen zwei Autoritäten, Rohde (1. c. 288 ff.) und Kaibel (Hermes XX [1885] 507 ff.), bestehe: jener sage, dafs die zweite Sophistik mit dem Asianismus, dieser, dafs sie mit dem Atticismus zusammenfalle. Danach meinen die Neueren, die die zweite Sophistik für eine Regeneration des Asianismus halten, dafs sie dafür auf Rohde verweisen können.1) Nun aber hat weder Rohde das eine, noch Kaibel das andere behauptet. Jener spricht p. 325 ausdrücklich nur von manchen der neueren Sophisten, die ein begreiflicher Zug der Wahlverwandtschaft über die

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1) L. Friedländer, Sittengesch. III (Leipz. 1881) 413. A. Reuter, De Quintiliani libro qui fertur de causis corruptae eloquentiae (Diss. Königsb. 1887) 70, 44. C. Brandstaetter, De notionum roliτinós et copioτns usu rhetorico in: Leipziger Studien XV (1893). Wohl auch J. von Müller, Galen als Philologe (in: Verh. d. 41. Vers. deutsch. Philol. u. Schulm. in München 1891) 81, wenn ich seine Worte recht verstehe: „sie (die Sophisten) vermeinten, die antik-attische Beredsamkeit wieder erneuern zu können, ohne freilich zu merken, dafs der korrekte Gebrauch attischer Wörter, Formen und Fügungen ihren im Grunde asianischen Barockstil nicht verdeckte."

Norden, antike Kunstprosa.

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ernsten Redner hinaus, zu den rhetorischen Manieristen Gorgias, Hippias und den Asianern geführt habe, und er führt p. 316 ein antikes Zeugnis an, nach welchem z. B. Aristides in direkten Gegensatz zu den Asianern gestellt werde. Nichts anderes meint Kaibel, wenn er p. 508 konstatiert, dafs es unter den Sophisten solche gegeben habe, die dem Asianismus huldigten, da es sonst dem Aristides nicht hätte nachgerühmt werden können, dass von ihm mit dem Asianismus gebrochen sei, wie er ja auch selbst eine Rede offenbar gegen die Asianer geschrieben habe.1) Ich hoffe nun, im folgenden die Richtigkeit der im Prinzip von Rohde und Kaibel geteilten Auffassung nachweisen zu können.

Ich werde ebenso wie im vorhergehenden Abschnitt zunächst zeigen, dafs der Kampf des alten und des neuen Stils sich ununterbrochen weiterspinnt; dann, dafs der alte Stil mit dem Atticismus, der neue mit dem Asianismus identisch ist; dann, dafs dieser neue, asianische Stil an die alte Sophistik anknüpft, aus der, wie wir sahen, der Asianismus überhaupt herausgewachsen ist; endlich, dafs zwischen den beiden extremen Parteien eine dritte vermittelnd steht. Diese Einteilung presse ich nicht etwa mit Gewalt in eine von mir aufgestellte aprioristische Konstruktion hinein, sondern sie ergab sich mir ohne weiteres aus einer grofsen Reihe von Zeugnissen. Diese sprechen meist so deutlich für sich selbst, dafs ich sie fast alle ohne nähere Erklärung neben einander stellen kann.

1) Die ganze loyouazía ist dadurch hervorgerufen, dafs Rohde an einer früheren Stelle (p. 290, 1), wo er nur gelegentlich diese Frage streift, zu schroff sagt: „Die zweite Sophistik scheint überhaupt, in rhetorischer Beziehung, nichts eigentlich Neues gebracht, sondern nur die asianische Manier erneuert zu haben." Das hat er aber doch an den im Text citierten Stellen, wo er die Frage eingehend behandelt, widerrufen oder wenigstens sehr modifiziert.

Erste Abteilung.

Die Theorie.

A. Der alte und der neue Stil.

Die beiden werden sich in präziser Form gegenübergestellt Zeugnisse. von Philostratos vit. soph. I 19,1: ἡ ἰδέα τῶν λόγων (nämlich des Niketes aus Smyrna) τοῦ μὲν ἀρχαίου καὶ πολιτικοῦ ἀποβέβηκεν, ὑπόβακχος δὲ καὶ διθυραμβώδης. id. vit. Apoll. I 17: ὁ δὲ ̓Απολλώνιος λόγων ἰδέαν ἐπήσκησεν οὐ τὴν διθυραμβώδη καὶ φλεγμαίνουσαν ποιητικοῖς ὀνόμασιν οὐδ ̓ αὖ κατεγλωττισμένην καὶ ὑπεραττικίζουσαν, ἀηδὲς γὰρ τὸ ὑπὲρ τὴν μετρίαν ̓Ατθίδα ἡγεῖτο. Als Skopelianos, einer der schlimmsten Moderedner, in Athen auftrat, liefs Herodes, der Vater des Sophisten, die Hermen der alten Redner zertrümmern, da sie ihm seinen Sohn verdürben (v. s. I 21,7). — Lukian rhet. praec. 9 ff.: auf der einen Seite wird zu dem jungen Adepten der Rhetorik ein sehniger ernster Mann treten, dem man die viele Arbeit ansieht, er wird ihn einen mühsamen Weg führen nach den Spuren des Lysias, Demosthenes, Aeschines, Platon und anderer längstvergessener Alten”: ἀρχαῖος ὡς ἀληθῶς καὶ Κρονικὸς ἄνθρωπος νεκροὺς ἐς μίμησιν παλαιοὺς προτιθεὶς καὶ ἀνορύττειν ἀξιῶν λόγους πάλαι κατορωρυγμένους ὥς τι μέγιστον ἀγαθόν. Auf der anderen Seite tritt an ihn heran ein Modestutzer und entnervter Weichling, der ihn einen bequemen Weg zu führen verheifst: 15-20 altattische Worte soll freilich auch er sich aneignen, aber nur auf keinen Fall einen der alten Schriftsteller lesen: ἀναγίγνωσκε τὰ παλαιὰ μὲν μὴ σύ γε, μηδὲ εἴ τι ὁ λῆρος Ἰσοκράτης ἢ ὁ χαρίτων ἄμοιρος Δημοσθένης ἢ ὁ ψυχρὸς Πλάτων, ἀλλὰ τοὺς τῶν ὀλίγον πρὸ ἡμῶν λόγους καὶ ἅς φασι ταύτας μελέτας, ὡς ἔχῃς ἀπ ̓ ἐκείνων ἐπισιτισάμενος ἐν καιρῷ καταχρήσασθαι καθάπερ ἐκ ταμιείου προαιρῶν. Endlich eine Stelle des Synesios in seinem 'Dion', die ich ganz anführen mufs, weil sie eine der wichtigsten ist. Synesios hebt die innere Wandlung hervor, die in Dio vorging, seitdem er den Beruf eines Sophisten mit dem eines Philosophen vertauschte. Dem ernsten Inhalt entsprach der veränderte Stil (p. 39 f. Pet.): τῷ μὴ παρέργως ἐντυγχάνοντι

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