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Die Vorgeschichte des Krieges und Hannibals Zug
bis zur Trebia.

Der Gang der Untersuchung nötigt mich, in diesem Abschnitt die chronologische Folge zu verlassen und zunächst Hannibals Zug vorweg zu behandeln. Die Übersicht am Schlufs des Abschnitts wird die Ordnung herstellen.

Liv. XXI 21,9-22,4 findet sich das berühmte Truppenverzeichnis, um es kurz so zu nennen, von dem in der Einleitung schon die Rede war. Böttcher hat zwar den Nachweis versucht, dafs dasselbe originale Abweichungen gegen Pol. III 33 enthielte. Allein es sind in Wahrheit nur kleine Irrungen des Livius oder kleine Differenzen in der handschriftlichen Überlieferung der Zahlen.1) Aufserdem hat Livius die gewöhnliche Reihenfolge Fufsvolk, Reiterei, Elefanten, Flotte hergestellt und die Metagonien, d. h. die westafrikanischen punischen Seestädte, mit denen er nichts anzufangen wufste, einfach civitates genannt. Sonst stimmt der Livianische Text bis in die minutiösesten Details mit dem Polybianischen.

1) Die der Balearen ist bei Polybios ganz ausgefallen. Freilich nach C. Neumann: Zeitalter der punischen Kriege, herausgegeben und ergänzt von G. Faltin, Breslau W. Köbner 1883, S. 268 hat Polybios selbst sie übersehen"!

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Hesselbarth, histor. -krit. Untersuch.

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Nun kann aber angesichts des bestimmten Zeugnisses des Polybios, dafs er das Verzeichnis auf der Lacinischen Tafel gefunden habe, kein Zweifel sein, dafs kein Schriftsteller vor ihm es gehabt hat. Wenn Böttcher dennoch annimmt, schon Silenos habe es gehabt, natürlich nicht von der Tafel, sondern von Hannibal selbst, so bezichtigt er damit Polybios einer Flunkerei, die niemand verborgen bleiben konnte, welchem Silenos zur Hand war. Man lese nur § 17: οὐ χρὴ δὲ θαυμάζειν τὴν ἀκρίβειαν τῆς ἀναγραφῆς, εἰ τοιαύτῃ κεχρήμεθα περὶ τῶν ὑπ ̓ Ἀννίβου κατ' Ιβηρίαν πεπραγμένων, οἵᾳ μόλις ἂν χρήσαιτό τις αὐτὸς κεχειρικὼς τὰς κατὰ μέρος πράξεις, οὐδὲ προκαταγινώσκειν, εἰ πεποιήκαμεν παραπλήσιον τοῖς ἀξιοπίστως ψευδομένοις τῶν συγγραφέων. (18) ἡμεῖς γὰρ εὑρόντες ἐπὶ Λακινίῳ τὴν γραφὴν ταύτην . Polybios entschuldigt sich wegen der allzu speziellen und unabgerundeten Ziffern damit, dafs es eine urkundliche Anführung sei. Und er hat Recht, in ein Buch würde selbst ein persönlich Beteiligter schwerlich so detaillierte Ziffernreihen aufgenommen haben.

....

Nur durch zwei Auswege läfst sich angesichts dieser Stelle die Behauptung, dafs in der dritten Dekade oder in den ersten Büchern derselben Polybios nicht benutzt sei, aufrecht halten. Entweder müfste diese Entlehnung ganz vereinzelt und eine nachträgliche Einschaltung sein, oder man nimmt eine indirekte Ableitung (durch Coelius) an. Ad I dürfte unsere Erörterung über Livius im Schlufsabschnitt darthun, dafs solche Nachträge beispiellos bei Livius sind. Und bald genug werden auch weitere Spuren von Polybios sich einstellen. Ad II ist zuzugeben, dafs die ganze Umgebung des Abschnittes auf Coelius hinweist, und wird dennoch eine ein

gehende Untersuchung zeigen, dafs eine Zurückführung der gesamten Kapitel auf diesen Schriftsteller nicht. möglich ist.

Dafs c. 21 Hannibal Winterquartiere in Neukarthago bezieht, dafs er für den ganzen Winter die Spanier beurlaubt, dies beides konnte Livius auch bei Polybios finden. Aber bei dieser Gelegenheit läfst er Hannibal eine Ansprache halten, welche von sonstigen Livianischen Reden (auch Hannibals) durch Kürze und Schwung sehr absticht und auch inhaltlich recht bemerkenswert ist. Kein Wort von dem bevorstehenden Kriege mit Rom. Vielmehr sagt Hannibal, da ganz Spanien unterworfen sei, müsse man nunmehr Beute und Ruhm in fremden Ländern suchen. Zu einem bellum ingentis gloriae praedaeque im nächsten Frühjahr ladet er sie ein. Er ignoriert also die bestehende Verwickelung der beiden grofsen Mächte. Und nicht als karthagischer Feldherr, sondern nur als ihr Oberhaupt spricht er zu den Truppen, als ein Condottiere, der mit überlegener Einsicht dem Heere verschafft, was es sucht, Ruhm und besonders Bente. Sollte vielleicht gar die Anrede socii in dem Sinne: Genossen (vgl. Verg. Aen. I 198, auch Caesars: commilitones) gefafst werden müssen? So fafst in der That von den Herausgebern Wölfflin den Ausdruck. Im staatsrechtlichen Sinne liefse derselbe sich wohl so erklären. Livius denkt sich irrigerweise oft Karthager unter den Truppen, und im Gegensatz zu diesen können dann nach römischer Analogie alle übrigen socii heilsen. Vgl. c. 44, 2; 45, 6. Nachdem im Frühjahr die Spanier wieder eingetroffen, hält Hannibal eine allgemeine Musterung ab und macht eine Reise nach Gades zu religiösen Verrichtungen in dem berühmten Herkulestempel, von welcher Polybios schweigt. Mit inde (sodann) angeknüpft,

kommt nun das Verzeichnis der Truppen und ihre umständliche Hin- und Herschiebung, wovon wir ausgingen.

C. 22, 5: Hannibals Rückkehr von Gades und Aufbruch zum Ebro. Dabei stofsen wir auf die Angabe des Weges und auf den berühmten Traum. C. 23 die Unterwerfung1) von Nordspanien wesentlich wie bei Polybios, jedoch wieder mit einer Besonderheit am Schlufs. Während Polybios kurz bemerkt, dafs Hannibal 10000 Spanier vor den Pyrenäen nach Haus zurückgesandt habe, um sie, das übrige Heer und Spanien selbst bei guter Laune zu erhalten, so weifs Livius Genaueres: Als der Marsch in die Pyrenäen begann und das Gerücht bestimmter auftrat (postquam . . . traduci exercitus est coeptus rumorque per barbaros 2) manavit certior de bello Romano), dafs der Kriegszug Rom gelte, gingen 3000 Karpetaner auf und davon. Da schickte Hannibal über 7000 Mann, welche ebenfalls unzuverlässig waren, ihnen nach, indem er vorgab, auch die Karpetaner seien von ihm zurückbeordert. Von den folgenden Verhandlungen mit gallischen Häuptlingen und überhaupt den Details des Marsches bis hinter Ruscino schweigt Polybios ganz.

In dieser ganzen Partie, sowohl c. 21, 1-9 als c. 22, 5 bis c. 24, treffen wir also Schritt für Schritt sachliche Einzelheiten, die bei Polybios fehlen, aber offenbar auf eine vor

1) Dafs Hannibal tripertito den Ebro überschreitet, ist gewifs Zuthat des Livius, sei es aus blofser Liebhaberei für militärische Kunstausdrücke (Wölfflin), sei es auf Grund eines Rückschlusses aus der Dreizahl der bekämpften Völker (Föhlisch, üb. d. Benutzung des Pol. im 21. u. 22. Buche des Liv. Progr. Pforzheim 1884).

2) Dieser Ausdruck für Hannibals Heer ist gewählt, um das Erschrecken der Leute bei Nennung des römischen Namens auszumalen.

zügliche Urquelle, ebendieselbe welche Polybios benutzte, zurückzuführen sind. Dies ist heutzutage wohl allgemein anerkannt. Auch Wölfflin hat diesen Abschnitt nicht für Polybios in Anspruch genommen, Luterbacher ihn ausdrücklich als Cölianisch anerkannt. Nebenbei aber, was weniger beachtet ist, durchzieht diese Partie eine eigentümliche, nicht authentische Auffassung von Hannibals Persönlichkeit und Stellung zu seinen Truppen, welche wir als die römischnationale bezeichnen können. Die in der That staunenswerte Thatsache, dafs die spanische Armee sich durch ihren Führer zu einem derartigen Unternehmen hinreifsen liefs, wollte auch den nachlebenden Römern nicht in den Kopf. Man suchte und fand natürlich für die unbegreifliche und unbequeme einfache Wahrheit einen Ersatz, der, obwohl künstlich genug, doch Beifall fand. In Ennius' Annalen mag die römische Version, dafs die Einwilligung der spanischen Armee erschlichen gewesen sei, zuerst vorgetragen gewesen sein. Jedenfalls finden wir sie hier bei Livius mit aller Konsequenz durchgeführt. Die offene Erklärung Hannibals vor dem Aufbruch an seine Truppen ist gestrichen. Noch in den Pyrenäen ist diesen nichts Weiteres in Aussicht gestellt als im vorigen Herbst, ein bellum ingentis praedae gloriaeque. Nicht nur Hannibals Plan, in Italien, nicht in Spanien den. Feldzug zu eröffnen, sondern überhaupt der Krieg mit Rom ist ihnen nach Livius' Worten unbekannt geblieben. Ich bemerke, dafs auch Appian. Iber. 13 Hannibal, nachdem er von der Kriegserklärung benachrichtigt und zum Beginn der Feindseligkeiten ermächtigt ist, sich rüstet tηv μèv χρείαν οὐχ ὑποδεικνὺς ἐς δὲ τὴν Ἰταλίαν ἐπινοῶν ἐμβαλεῖν. Können wir sagen, welches jene Urquelle, welches die unmittelbare römische Quelle des Livius ist?

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