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schen, der von der Ehre und von der Leidenschaft gleich stark getrieben wird, hat ganz und gar keine Aehnlichkeit mit den Stellungen unfrer neuer Originale. Terenz findet unter der Hand bewegliche Stellungen, dergleichen die Liebe beständig hervorbringt; und er drückt sie auch mit demjenigen Feuer und mit derjenigen ungekünftelten Einfalt aus, welche die Natur so wohl treffen, und auf einen gewissen Punkt fest stellen. Ist aber dieses der Geschmack der neuen Schauspielschreiber? Sie wählen, mit allem Bedacht, eine traurige Handlung, und durch eine natürliche Folge sind sie hernach verbunden, ihren vornehmsten Personen einen klagenden Ton zu geben, und das Komische für die Nebenrollen aufzubehalten. Die Zwischenfålle entstehen bloß um neue Thrånen vergiessen zu lassen, und man geht endlich aus dem komis schen Schauspiele mit einem von Schmerz eben so beklemmten Herze, als ob man die Medea oder den Thyest hätte aufführen sehen.

Bey den Alten also können die Urheber der neuen Gattung ihre klägliche Weise nicht gelernt haben; und ihr Sieg würde nicht lange ungewiß bleiben, wenn er von ihren Beyspielen abhinge, oder auch nur von den Beyspielen der französischen Dichter, welche bis zu Anfange dieses Jahrhunderts auf unserm Theater geglänzt haben. Der Zusammenfluß so vieler wichtigen Erempel könnte ohne Zweifel eine sie

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gende Ueberzeugung verursachen; gleichwohl aber will ich diesem Vortheile auf einen Augenblick entsagen, und untersuchen, ob diese neue mit komischen und kläglichen Zügen vermischten Ac cente genau aus der Natur hergehohlet sind. Ich räume es ein, daß der widrige Gebrauch, dem man zwanzig Jahrhunderte hindurch gefolgt ist, die Vernunft nicht aus ihrem Rechte verdringen kann, und daß ein von ihm geheilige ter Irrthum, deswegen nicht aufhöre ein Jrr thum zu seyn. Ich gebe meinen Gegnern folglich alle mögliche Bequemlichkeit, und sie können, ohne ungerecht zu seyn, mehr Höflichkeit und Uneigennüßigkeit von mir nicht fordern.

Nach den verschiednen Rührungen des Here zens entweder lachen oder weinen, sind, ohne Zweifel, natürliche Empfindungen: allein in eben demselben Augenblicke lachen und weinen, und jenes in der einen Scene fortseßen, wenn man in der andern dieses thun soll, das ist ganz und gar nicht nach der Natur. Dieser schleinige Uebergang von der Freude zur Betrübniß, und von der Betrübniß zur Freude, sehet die Seele in Zwang und verursacht ihr unangenehme und ges waltsame Bewegungen.

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Damit

* Es ist nicht der Körper welcher in dem Schauspie le lacht oder weinet; es ist die Seele, die von den Eindrücken, die man auf sie macht, gerühret wird. Wann sie durch das Pathetische bewegt, und durch das Komische erfreut wird, so ist sie zu gleic

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Damit man diese Wahrheit in aller seiner Stärke empfinde, so wird man mir erlauben, ein verhaßtes Erempel anzuführen: denn wenn man nicht überreden kann, so muß man zu überzeugen suchen. In dem ungeheuren Lustspiele Samfon, reißt dieser von einem muthigen Eifer erfüllte Held, nachdem er das höchste Wesen angerufen, die Thore des Gefängnisses ein, und trågt fie auf seinen Schultern fort. Den Augenblick. darauf erscheint Harlequin und bringt einen Kalekutschhahn, und schüttet sich in komischen Posfen aus, die eben so kriechend sind, als die Em-. pfindungen des Helden edel und großmüthig zu seyn geschienen hatten. Ich bitte, was fann man wohl zu einer Abstechung fagen, die. auf einmal zwey so widrige Stellungen zeiget, und zwey so widersprechende Bewegungen verursachet? Kann man noch zweifeln, daß Vernunft und Anständigkeit ihr gleich sehr zuwider find? Kann man verhindern, daß nicht eine Art von Verdruß gegen den Zusammenlauf nichtswürdiger Zuschauer, welche solche wider wärtige Ungereimtheiten bewundern können, in uns entstehen sollte?

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Ueber

cher Zeit ein Raub zweyer gegenseitigen Bewegun gen Wie erstaunlich ist es für den menschlis chen Geist, so schleinig und ohne Vorbereitung, von dein Tragischen auf das Komische über zu gehen, und von einer zärtlichen Erkennung, auf die Schäs cereyen eines Mädchens und eines Petitmatters. Principes, eben daselbst.

Ueber eine so närrische Vermischung läßt man ohne Zweifel die Verdammung ergehen: allein es giebt eine minder merkliche, welche eine edlere Wendung hat, und diese ist es, der man wohl will, und zu deren Vertheidigung man bis zu den ersten Grundsäßen zurück geht.

Derjenige, fagt man, der das Schauspiel einer Komödie zuerst aufführte, konnte nach keinem Muster arbeiten; er machte sich einen Plan nach seiner Einsicht, und das neue Werk bekam folglich seine Natur und seine Eigenschaften aus dem Innersten seiner Begriffe. Die, welche nachfolgten, glaubten eben so wohl ein Recht zum Erfinden zu haben; unter ihren Hånden bekam die Komödie eine neue Form, welche gleichfalls der Veränderung unterworfen war. Diese Veränderungen wurden nicht als Neue, rungen ausgeschrien; man hatte es sich noch nicht in Sinn kommen lassen, daß es nicht erlaubt fen, Aenderungen zu machen, und die Hirngeburth eines Verfassers anders zu bearbeiten, deren Natur ziemlich willkührlich seyn muß. Denn kurz, seht man hinzu, das Wesen der Komödie, es mag nun bestehen worinne es will, fann doch nimmermehr so unwandelbar festge= seht seyn, als es das Wesen der geometrischen Wahrheiten ist; und hieraus schließt man endlich, daß es unsern Neuern erlaubt seyn müsse, die alte Einrichtung des komischen Gedichts zu åndern. Das Beyspiel ihrer Vorgänger munB 3

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tert sie dazu auf, und die Natur der Sache erlaubt es.

So übertaubend als dieser Einwurf zu seyn fcheinet, so braucht es, ihn übern Haufen zu stossen, doch weiter nichts, als daß man die Grundsåge desselben zugiebt, und die daraus gemachte Folgerung leugnet. Es ist wahr, daß alle Geburthen des Genies, so zu reden, ihr Tappen haben, bis sie zu ihrer Vollkommenheit gelangt find; alleir, es ist auch eben so gewiß, daß verschiedne von denselben, sie schon erreicht haben, als das epische Gedichte, die Ode, die Beredsamkeit und die Historie. Homer, Pindarus, Demosthenes und Thucydides sind die Lehrmeis fter des Virgils, des Horaz, des Cicero und des Livius gewesen. Das vereinigte Ansehen dieser grossen Männer ist zum Gefeße geworden; und dieses Gefeß haben hernach alle Na tionen angenommen, und die Vollkommenheit einzig und allein an die genaue Nachahmung diefer alten Muster gebunden. Wenn es also nun wahr ist, daß das Wesen dieser verschiednen Werke so unveränderlich festgestellet ist, als es nur immer durch die aller verehrungswürdigsten Beyspiele festgestellet werden kann; aus was für einer besondern Ursache sollte es denn nur vergönnet seyn, das Wesen der Komödie zu åndern, welches durch die allgemeine Billigung nicht min= der geheiliget ist.

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Und

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