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fen Eigenschaften macht also nicht an und für sich felbst das Wesen der Komödie aus; die Wahl und die Mischung der Farben, die Stellung und der Ausdruck der Personen, diese sind es, die ihr vornehmlich Namen, Form und Wesen ertheilt haben.

Man muß daher den Gegenstand der Kunst und die Pflicht des Künstlers wohl unterschei den. Der erstre ist durch den Tadel des Lasters und durch die Anpreifung der Tugend genugsam erfüllet. Der andern aber ein Genüge zu thun, muß der Poet sich nothwendig solcher Farben bedienen, welche sowohl den allgemeinen Laftern, dergleichen die Leidenschaften sind, die ihren Ursprung aus dem Herzen haben, als den besondern Lächerlichkeiten, dergleichen die thorigten Moden sinb, die ihrer Quelle in tem Verstande haben, eigenthümlich zukommen. Ferner muß er dazu eine anständige Handlung erwählen; er muß sie so einzurichten wissen, daß sie die vortheilhaftesten Wirkungen hervorbringen kann; und muß überall Moral, vermittelst der spielenden Perfonen, mit einstreuen, welche Vernunft und Erfahrung zu dieser Absicht einmüthig bestimmt zu haben scheinen.

Nun ist es aber ganz und gar keine Frage, øb diese Moral aus dem Helden des Stücks Fliessen soll, oder ob sie vielmehr der Gegen= stand aller Zuge des Tadels und des Scherzes feyn soll. Die neue Gattung scheint die erstre

Methode

Methode angenommen zu haben: allein sowohl die Grundsäße als die Beyspiele sind gleich stark darwieder. Nach den Grundsäßen ist die Komödie bestimmt, uns mehr Laster und Ungereimtheiten, die wir vermeiden, als Tugenden, die wir nachahmen sollen, vorzustellen; und nach den Beyspielen, kömmt es den Nebenper sonen zu, die Marimen der Weisheit anzubrin gen. So hat Moliere dem Freunde des Mix santhropens, dem Schwager des Orgons, dem Bruder des Sganarelle c. die Sorge aufge= tragen, uns die Grundfäße der Tugenden vors zulegen, die er zu dem Gegenstande unsrer Nachahmung machen wollte; seine Originale aber hat er mit allen Zügen der Satyre, des Tadels und des lächerlichen überhäuft, von wel chen er glaubte, daß sie sowohl zu unserm Ergößen, als zu unserm Unterrichte dienen könnten.

Aus dem, was ich jezt gesagt, folgt unwi dersprechlich, daß das Original einer wahren Komödie keine gänzlich tugendhaftè Person seyn könne, wie es die Originale der neuen Gattung sind, und daß dieses ein eingewurzelter Uebelstand ist, vor dem uns alle Schönheiten der Ausführung niemals gänzlich die Augen verblenden können. Vergebens wirft man ein, daß die satyrischen Züge, womit man die Dri ginale überhäuft, nicht mehr zum Zwecke trèsfen; und daß sie unfre Eigenlibe auf andre uns

umge.

umgebende Gegenstände abzuwenden wisse. Umsonst wird man uns zu überreden suchen, daß die neuen komischen Dichter eben darum desto mehr Lob verdienten, weil sie anstatt der lasterhaften Charaktere lauter Personen, die voller Empfindungen der Ehre wåren, eingeführet håtten; daß wir tugendhaften Marimen unser Herz von selbst aufschlössen, und sie mit Vergnügen uns einflössen liessen, wenn man nur ein wenig uns auf der rechten Seite zu fassen wüßte. Alle diese Gründe sind verfänglicher als wahr; blendender als gründlich. Lasset sie uns einmal aus ihren Wirkungen beurtheilen, denn diese sind sichrer, als alle Vernünfteley.

Was hat denn nun iene leichte und hochmüthige Auskrahmung schöner und großer Gefinnungen den Sitten genüßt? Was für Wirkungen hat denn jene glänzende Moral auf unfre Herzen und auf unsern Verstand gehabt? Eine unfruchtbare Bewunderung, eine Blendung auf wenige Augenblicke, eine überhingehende Bewegung, welche ganz unfähig ist, uns in uns selbst gehen zu lassen. So viele auf das allerfeinste vorbereitete Sittensprüche, so viel zierlich ausgekrahmte Vorschriften sind für die Zufchauer völlig in Wind gesagt. Man bewun dert Melaniden, und betauert sie: allein ihr unaufhörlich kläglicher Ton, und die Erzehlung ihrer romanhaften Zufälle, machen auf uns

Lettre fur Melanide.

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keinen nüßlichen Eindruck, weil sie mit der Stel lung, worinne wir uns befinden, ganz und gar keine Gemeinschaft haben. Das Schicksal der Aufseherin bewegt und rühret uns, allein ih re ganz besondern Umstände haben mit den unfrigen gar nichts gemein. (1) Wir treffen in uns selbst nichts an, was wir mit den Aben theuern in Vergleichung bringen können, die bloß unter die möglichen Dinge gehören, und also gar nicht für uns gemacht zu seyn scheinen. Man wird, wenn man es ja gestehen muß, bey dem Anblicke so sinnreicher Gemählde, ergriffen, durchdrungen, bewegt; allein man fühlet für uns selbst, in diesem Zusammenflusse von Bege benheiten, mit welchen der ordentliche Lauf menschlicher Dinge uns gewiß verschonen wird, weder Reue, noch Schahm, noch Furcht.

Ganz anders ist es mit den Schilderungen bewandt, welche der Dichter von den Lastern und von dem Lächerlichen macht; sie finden bey

uns

(1) Der Stof einer Komödie muß aus den gewöhn lichen Begebenheiten genommen seyn; und ihre Personen müssen, von allen Seiten, mit dem Vol fe, für das sie gemacht wird, eine Aehnlichkeit haben. Sie hat nicht nöthig, diese ihre Perso nen auf ein Füßgestelle zu erhöhen, weil ihr vors nehmster Entzweck eben nicht ist, Bewundrung für sie zu erwecken, damit man sie desto leichter beklagen könne; sie will aufs höchste, durch die vers drüßlichen Zufälle, die ihnen begegnen, uns für fie ein wenig unruhig machen. Dubos kritische Betrachtungen Th. II. S. 225.

uns allen Statt, und auch der vollkommenste Mensch trägt sowohl in seinem Verstande, als in seinem Herzen beständig denSaamen gewisser Ungereimtheiten und gewisser Fehler, welche sich bey Gelegenheit entwickeln. Wir finden uns also in dem Gemåhlde solcher mit der Menschheit verbundenen Schwachheiten getroffen, und sehen darinne was wir sind, oder wenigstens feyn können. Dieses Bild, welches zu dem unfrigen wird, ist eines von den einnehmendsten Gegenständen, und erleuchtet unsre Seelen mit gewissen Lichtstrahlen, die desto heilsamer find, je fähiger ihre Ursache, die Furcht vor der Schande und dem Lächerlichen, zu seyn pflegt, uns zu Heilsamen Entschlüssungen zu bewegen. So ward der stolze und unversöhnliche Hauffe der Heuchler durch das Gemählde von den Lastern des scheinheiligen Betriegers zu Boden geschlagen. Tausend Schuldige wurden in Harnisch gejagt, und beklagten sich mit so viel grösserer Bitterkeit, je empfindlicher sie waren getroffen worden. Bey den Vorstellungen des George Dandins lassen auch die verhärtesten Eheman ner auf ihren Gesichtern die Bewegung spüren, die sie alsdenn empfinden, wenn ihre Umstände mit den Umständen des Originals allzusehr übereinstimmen; diese Uebereinstimmungen sind nicht felten, ob sie schon durch den Mangel der Bildung oder des Genies, durch den Geschmack an Veränderungen und den Eigensinn, so viel fältig

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