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fältig gemacht werden, als sie es durch die Verschiedenheit der Geburth sind. Die ohne Unters laß wieder jung werdenden Schilderungen der Diafoiren haben vielleicht nicht wenig dazu beygetragen, daß die Aerzte ihren blinden Eigen finn für die alte Methode verlassen haben, ohne daß sie eben zu jenen kühnen Versuchen wären gereizt worden, von welchen man schalkhaft genug vorgiebt, daß wir dann und wann dersel ben Opfer seyn müßten. Und wem ist endlich unbekannt, daß die muntern und beissenden Zus ge der gelehrten Weiber und der kostbar Lächerlichen, auf das plößlichste das schöne Geschlecht von diesen zwey Unsinnigkeiten abgebracht haben?

Ich gebe zu, daß andre Charaktere, welche eben sowohl getroffen waren, keine so merkliche Wirkungen gehabt haben. Der einge bildete Rranke hat nicht alle Orgons von ihren Dünsten befreyet; es sind nicht alle Menschenfeinde gesellschaftlicher, noch alle Grafen von Tufiere bescheidner geworden. Allein was ist der Grund davon? Er ist dieser; weil die Fehler von dieser Art das rechtschafne Wesen nicht angreifen, und weil man so gar in der Welt Leute antrift, die sich eine Ehre daraus machen. Zärtliche Leibesbeschaffenheiten sehen gemeiniglich zärtliche Seelen, voraus. Eine strenge und unwillige Gemüthsart ist fast immer mit viel Rechtschaffenheit verbunden; der Her

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zog von Mantaufier hielt es nicht für seiner unwürdig, ein Menschenfeind zu seyn. Und ein gewisser Stolz endlich, entstehet nicht selten aus einer vernünftigen Empfindung seiner eignen übersehenden Größe. Das Vorurtheil ringet bey folchen Gelegenheiten glücklich mit den Spöttereyen des Tadels, da es Gegentheils gegen die komische Schilderung eines Lasters des Herzens, oder eine lächerlichkeit im gesellschaftlichen Leben, oder einer Ungereimtheit des Verstandes, gewiß nicht bestehen wird. Der Gegenstand der be schämenden Bemerckungen der Zuschauer, will man durchaus nicht seyn, es koste auch, was es wolle; und wenn man sich auch nicht wirklich bessert, so ist man doch gezwungen sich zu verstellen, damit man öffentlich weder für lächerlich noch für verächtlich gehalten werde.

Und so wären wir denn endlich auf die lezte Ausflucht gebracht, welche über alle Beyspiele und Gründe sieget. Diese neue komische Gats tung, sagt man, gefällt; * das ist genug, und die Regeln thun dabey nichts.

Man berufe sich nicht zur Bestätigung dieser zu allgemeinen und eben deswegen gefährlichen Marime auf den Einfall Sr. Hoheit des Prinzen über die regelmäßige aber verdrüßliche Tragödie des Abts von Aubignac. Die Anwendung der Regeln verursachte den Fall dieses Stücks gar nicht; sondern die schlechte Colorite seines Pin

. den Prolog des Lustspiels Liebe für Liebe.

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sels schlug es nieder. Doch weil ich mir vorge nommen habe meinen Gegnern nur solche Gründe entgegen zu sehen, von welchen ich selbst überzeugt bin, so will ich es ihnen vorläufig einraumen, daß das kläglich Komische große Bewegungen und oft angenehme Empfindungen verursache. Allein, wenn ich auf einen Aue genblick die ganze Frage dahinaus lauffen lasse, bey welcher Gattung das größere Vergnügen anzutreffen seyn, so behaupte ich, daß jene neuere uns kein so mannichfaltiges und natürliches Vergnügen verschaffen könne, als die Gattung welche in dem Jahrhunderte des Moliere herrschte.

Zuerst findet man in den weinerlichen Komö dien alle die rührungslosen leeren Pläße, die man bey Lesung eines Romans findet. Sie sind eben so wie diese mit erzwungnen Verwicklungen, mit aufferordentlichen Stellungen, mit übertriebenen Charakteren angefüllt, welche oft wahrer als wahrscheinlich sind; und wenn sie in unfrer Seele jene, nichts weniger als willkührliche, Bewegungen verursachen, die sie auf einige Augenblicke bezaubern, so kömmt es daher, weil wir bey dem Anblicke auch der erdichtesten Gegenstånde gerührt werden, wenn sie nur mit Kunst geschildert sind. Allein man merke wohl, daß die Rührungen weder so einnehmend sind, noch eben dieselbe Dauer und eben denselben Charak ter der Wahrheit haben, welchen die getreue € 2

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Nachahmung einer aus dem Innersten der Natur geschöpften Stellung hervorbringt.

In der That, wenn die dramatischen Erdichtungen uns um so viel lebhafter rühren, je nåher fie der Wirklichkeit kommen, so müssen die Erdichtungen der neuen Gattung so viel schwåchere Eindrücke machen, je entgegengesetter sie der Wahrscheinlichkeit sind. Es ist ein Wunderwerk der Kunst nöthig gewesen, um uns die Abentheuer einer Frau annehmlich zu machen, die nach siebzehn Jahren einer heimlichen Vermählung und eines eingebildeten Gefängnisses, auf einmal sich aus dem Schooße ihrer Provinz aufmacht, und nach Paris kommt, einen untreuen Mann aufzusuchen, der sie, ob er sie schon alle Tage zu sehen bekommen könnte, doch nicht eher, als bey der Entwicklung findet. So und nicht anders ist der romanenhafte Grund beschaffen, auf welchen das Gebäude des weinerlich Komischen gemeiniglich aufgeführt ist, oder vielmehr nothwendig aufgeführt seyn muß; und diesen muß sich der Zuschauer gefallen lafsen, wenn er anders Vergnügen daran finden will. Die Oper sezt ben weitem nicht so viel Triebfedern in Bewegung, um uns durch das Glänzende ihrer Auszierungen zu verblenden, als das kläglich Komische Täuschungen anwendet, um eine schmerzhaft angenehme Empfindung in uns zu erwecken.

Die Eindrücke des Vergnügens, welche das wahre Komische hervorbringt, sind von einer ganz andern Beschaffenheit. Es geschiehet allezeit mit einem stets neuen Vergnügen, so oft: wir jene von der Natur erkannte Schilderungen, dergleichen der Menschenfeind, der Geizige, der Stumme, der Spieler, der Mürrische, der Ruhmredige und andre find, wieder vorstellen sehen, oder sie aufs neue lesen. Oder, wenn wir uns in fleine Stücke einlassen wollen, wird man es wohl jemals fatt, die wahren komischen Auftritte zu sehen, zum Erempel die Auftritte des Horpagons mit der Euphrosine, des Valers mit dem Meister Jacob, des bürgerlichen Edelmanns mit seinem Mädchen und seinen verschiednen Lehrmeistern, die pedantische Zänckerey des Trissotins und des Vadius; oder auch in einer höhern Art, das feine und sinnreiche Gefpräch des Merkurs mit der Nacht, die verleumdrische Unterredung der Colimene mit dem Marquis und ihre finnreiche Art, der spröden Ursinoe ihre spigigen Anzüglichkeiten wieder zurück zu geben? Verursachen uns wohl die am meisten glänzenden Moralien, wann sie auch bis zum Thränen getrieben werden, jemals ein so lebhaftes, ein so wahres und ein so daurendes Ver-› gnügen?

Doch die Verringerung und Swachung unseres Vergnügens, oder die Unnüßlichkeit einer ernsthaften und traurig spruchreichen Moral, ist

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der.

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