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Jene ist von den Franzosen und diese von den Engländern gemacht worden. Ich wollte fast sagen, daß sie beyde aus dem besondern Naturelle dieser Völker entsprungen zu seyn scheinen. Der Franzose ist ein Geschöpf, das immer grösser scheinen will, als es ist. Der Engländer ist ein anders, welches alles grosse zu sich hernieder ziehen will. Dem einen ward es verdrüßlich, sich immer auf der lächerlichen Seite vorgestellt zu sehen; ein heimlicher Ehr geiß trieb ihn, seines gleichen aus einem edeln Gesichtspunkte zu zeigen. Dem andern war es årgerlich, gekrönten Häuptern viel voraus zu las sen; er glaubte bey sich zu fühlen, daß gewaltfame Leidenschaften und erhabne Gedanken nicht mehr für sie, als für einen aus seinen Mitteln wåren.

Dieses ist vielleicht nur ein leerer Gedanke; aber genug, daß es doch wenigstens ein Gedanke ist. Ich will für diesesmal nur die er-. ste Veränderung zu dem Gegenstande meiner Betrachtungen machen, und die Beurtheilung der zweyten auf einen andern Ort sparen.

Ich habe schon gesagt, daß man ihr einen doppelten Namen beylegt, welchen ich auch so gar in der Ueberschrift gebraucht habe, um mich nicht durch die blosse Unwendung des einen, so schlecht weg gegen den Begrif des andern zu erklären. Das weinerliche Luftspiel ist die Benennung derjenigen, welche wider diese neue

Gattung eingenommen sind. Ich glaube, ob schon nicht hier, sondern anderwärts, das Wort weinerlich, um das Französische larmoyant auszudrücken, am ersten gebraucht zu haben. Und ich wüßte es noch jezt nicht besser zu übersehen, wenn anders der spöttische Nebenbegrif, den man damit hat verbinden wollen, nicht verlohren gehen sollte. Man sieht dieses an der zweyten Benennung, wo ihre Vertheidiger ihre Rechnung dabey gefunden haben, ihn gänzlich wegzulassen. Ein rührendes Luftspiel läßt uns an ein sehr schönes Werk denken, da ein weinerliches, ich weis nicht was für ein kleines Ungeheuer zu versprechen scheinet.

Aus diesen verschiedenen Benennungen ist genugsam, glaub ich, zu schliessen, daß die Sache selbst eine doppelte Seite haben müsse, wo man ihr bald zu viel, und bald zu wenig thun könne. Sie muß eine gute Seite haben, sonst würden sich nicht so viel schöne und scharffinnige Geister für sie erklåren: sie muß aber auch eine schlechte haben, sonst würden sich andre, die eben so schön und scharfsinnig sind, ihr nicht widersehen.

Wie kann man also wohl sichrer hierbey gehen, als daß man jeden von diesen Theilen hōret, um sich alsdann entweder auf den einen, oder auf den andern zu schlagen, oder auch, wenn man lieber will, einen Mittelweg zu wählen, auf welchem sie sich gewissermassen beyde ver

einigen

einigen lassen? Zum guten Glücke finde ich, so wohl hier als da, zwey Sprecher, an deren Geschicklichkeit es wahrhaftig nicht liegt, wenn sie nicht beyde Recht haben.

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Der eine ist ein Franzose und der andre ein Deutscher. Jener verdammt diese neue Gattung, und dieser vertheidiget sie; so wahr ist es, daß die wenigsten Erfindungen, an dem Orte, wo sie gemacht werden, den meiften Schuß und die meiste Unterstüßung finden.

Der Franzose ist ein Mitglied der Akademie von Rochelle, dessen Name sich mit den Buchstaben M. D. C. anfängt. Er hat Be trachtungen über das weinerlich Romische geschrieben, welche bereits im Jahr 1749. auf fünf Bogen in klein Octav herausgekommen find.

Hier ist der völlige Titel: Reflexions fur le Comique-larmoyant, par Mr. M.D. C. Tréforier de France & Confeiller au Prefidial, de l'Academie de la Rochelle; adreffées à M. M. Arcere & Thylorier de la même Academie.

Der Deutsche ist der Hr. Prof. Gellert, welcher im Jahr 1751. bey dem Antritte seiner Profeßur, durch eine lateinische Abhandlung pro Comœdia commovente, zu der feyerlichen Antrittsrede einlud. Sie ist in Quart, auf drey Bogen gedruckt.

Die Regel, daß man das, was bereits gethan ist, nicht noch einmal thun solle, wenn man 23

nicht

nicht gewiß wüßte, daß man es besser thun werde, scheint mir so billig, als bequem. Sie allein würde mich daher entschuldigen, daß ich jezt gleich beyde Auffäße meinem Leser überseht vorlegen will, wenn dieses Verfahren eine Entschuldigung brauchte.

Mit der Abhandlung des Franzosen, die man also zuerst lesen wird, bin ich ein wenig französisch verfahren, und beynahe wäre ich noch frans zöfifcher damit umgegangen. Sie ist, wie man gesehen hat, an zwey Nebenmitglieder der Akademie zu Rochelle gerichtet; und ich habe es für gut befunden, diese Anrede durchgängig zu verändern. Sie hat verschiedene Noten, die nicht viel sagen wollen; ich habe also die armseligsten weggelassen, und beynahe håtte sie dieses Schicksal alle gehabt. Sie hat ferner eine Einleitung von sechs Seiten, und auch diese habe ich nicht überseßt, weil ich glaube, daß sie zu vermissen ist. Beynahe hätte ich sogar den Anfang der Abhandlung selbst übergangen, wo uns mit wenigen die ganze Geschichte der Dramatischen Dichtkunst, nach dem Pater Brumoi, ers zehlt wird. Doch weil der Verfasser versi chert, daß er diese Schritte zurück nothwendig habe thun müssen, um desto sichrer und mit desto mehr Kräften auffeinen eigentlichen Gegenstand loßgehen zu können, so habe ich alles gelassen wie es ist. Seine Schreibart übrigens schmeckt ein wenig nach der kostbaren Art, die auch kei-*

*

ne

ne Kleinigkeit ohne Wendung sagen will. Ich habe sie größten Theils müssen beybehalten, und man wird mich entschuldigen.

Ohne weitre Vorrede endlich zur Ab. handlung selbst zu kommen; hier ist sie!

Betrachtungen

über das

weinerlich Komische,

aus dem Französischen des Herrn M. D. C.

ie Schaubühne der Griechen, das unsterbliche Werk des Pater Brumoi, lehret uns, daß die Komödie, nachdem fie ihre bretterne Gerüste verlassen, ihr Augenmerk auf den Unterricht der Bürger, in Ansehung der politischen Angelegenheiten der Regierung, gerichtet habe. In dem ersten Alter der Bühne grif man vielmehr die Personen, als die Laster an, und gebrauchte lieber die Waffen der Sathre, als die Züge des Lächerlichen. Damals waren der Weltweise, der Redner, die Obrigkeit, der Feldherr, die Götter selbst, den allerblutigsten Spöttereyen ausgefeßt; und alles, ohne Unterscheid, ward das Opfer einer Freyheit, die keine Grenzen kannte,

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