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der gegründeste Vorwurf noch nicht, den man der neuen Art von Komödien machen kann: ihr vornehmster Fehler ist dieser, daß sie die Grenzen gar aufhebt, welche von je her das Tragische von dem Komischen getrennt haben, und uns jene ungeheure Gattung des Tragikomischen zuruck bringet, welche man mit so vielem Grunde, nach verschiednen Jahren eines betrieglichen Triumphs, verworffen hat. Ich weis wohl, die neue Art hat bey weitem nicht so viele und grosse Ungereimtheiten; die Verschiedenheit ihrer Perfonen ist nicht so anstößig, und die Bedienten dürfen darinne nicht mit Prinzen zusammen spielen: allein im Grunde ist sie doch eben so fehlerhaft, ob schon auf eine veschiedne Weise. Denn wie die erstre Art die heroischen Personen erniedrigte, indem sie ihnen bloß gemeine Leidenschaften gab, und nur die gewöhnlichen Tugen den aufführte, die zu dem heldenmäßigen der Tragödie lange nicht erhaben genug sind; eben so erhöhnt die andre die gemeinen Personen zu Gesinnungen, welche Bewunderung erwecken, und mahlt sie mit Zügen jenes reißenden Mitleids, welches das unterscheidende Eigenthum des Trauerspiels ausmachet. Beyde sind also dem Wesen, welches man dem komischen Gedichte zugestanden hat, gleich sehr zuwider; beyde verdienen also einen gleichen Tadel, und vielleicht auch eine gleiche Verbannung.

Als das Tragikomische zuerst aufkam, glaub te man, ohne Zweifel, das Gebiethe der komischen Muse erweitert zu haben, und billigte also anfangs diese kühne Erfindung. Mit eben diefer Einbildung geschmeichelt, triumphiren auch jeho die Anhänger der neuen Gattung; sie su chen sich zu überreden, der Weg der Empfindung sen gleichfalls eine von den glücklichen Entde ckungen, welche der französischen Scene den höchsten Grad der Ausschmückung gegeben has be; sie wollen durchaus nicht einsehen, daß die Empfindung, welche gewissen Gedichten, zum Erempel der Elegie und dem Hirtengedichte, so wesentlich ist, sich ganz und gar nicht mit der komischen Grundlage verbinden lasse, welche das Theater nothwendig braucht, wenn sie ihren Originalen denjenigen Ton geben will, der im Ergohen bessert. Man betriege sich hier nur nicht: wir haben zwey sehr unterschiedne Gattungen; die eine ist die nüßliche, und die andre · die angenehme: weit gefehlt also, daß das weinerlich Komische eine dritte ausmache; sie schmelzt vielmehr beyde Gattungen in eine einzige, und machet uns årmer, indem sie uns reicher zu machen scheinet.

Wann die wirklich komischen Fabeln gänzlich erschöpft wåren, so könnte man die Erfindung der weinerlichen Charaktere noch eher vergeben, weil sie wenigstens, als eine Vermischung des Wahren und Falschen, das Verdienst haC € 4

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ben,

ben, uns auf einen Augenblick zu rühren, wenn fie uns auch schon durch die Ueberlegung verbrüßlich werden: allein es ist derselben noch eine sehr große Menge übrig, welche alle neu find, und die man, schon seit langer Zeit, auf der Büh-. ne geschildert zu sehen gewünscht hat. Wir ha ben vielleicht nicht ein einziges getreues Gemähl= de von verschiednen Sitten und lächerlichkeiten unfrer Zeit; zum Erempel, von der gebiethrischen Leutseligkeit unsrer Hofleute, und von ihrem unersättlichen Durste nach Vergnügen und Gunst; von der unbesonnenen Eitelkeit und wichtigen Aufgeblasenheit unserer jungen Magistratsperfonen; von dem wirtlichen Geiße und der hochmüthigen Verschwendung unsrer großen Rents meister; von jener feinen und manchmal ausgelaßenen Eifersucht, welche unter den Hofdamen, wegen der Vorzüge des Ranges, und noch mehr wegen der Vorzüge der Schönheit, herrschet; von jenen reichen Bürgerinnen, welche das Glück trunken macht, und die durch ihre unvers schämte Pracht den Gesetzen, dem Wohlstande und der Vernunft Hohn sprechen.

Auf diese Art würden sich tausend nüßliche und glänzende Neuigkeiten dem Pinsel unsrer Dichter darbiethen, wenn sie nicht von der Liebe zu dem Besondern verführt würden. Sollten fie wohl von der Schwierigkeit, solche feine Chas raktere zu schattiren, welche mir eine sehr leichte Auftragung der Farben erlauben, zurückgehal

ten

ten werden? Allein könnten sie nicht, nach dem Beyspiele des Moliere, an den Nebenrollen dasjenige einbringen, was ihnen an der Unterstüjung des Hauptcharakters abgehet? Und brauchen fie denn weniger Kunst darzu, wenn sie uns in Komödien eingekleidete Romane wollen bewun dern lassen, oder weniger Genie, um sich in dem engen Bezirke, in welchen sie sich einschlieffen, zu erhalten? Da sie nur auf eine einzige Empfindung, des Mitleidens nehmlich, eingeschränkt sind, so haben wir vielmehr zu fürchten, daß sie uns, durch die Einförmigkeit ihres Tones und ihrer Originale, Frost und Eckel ers wecken werden. Denn in der That, wie die Erkennungen beständig mit einerley Farben vorbereitet, herzugeführet, und aufgeschlossen werden, so ist auch nichts dem Gemåhlde einer Mutter, welche ihr und ihrer Tochter Unglück beklagt, ähnlicher, als das Bild einer Frau, welche über ihr und ihres Sohnes Unglück Thrå nen vergießt. Fliessen aber hieraus nicht nothwendig Wiederhohlungen, die nicht anders, als verdrüßlich seyn können?

Wie weit übertrift das wahre Komische eine so unfruchtbare Gattung! Nicht allein alle Charaktere und alle Stånde, nicht allein alle Laster und lächerlichkeiten sind seinen Pfeilen ausgesezt; sondern es hat auch noch die Freyheit die Farben zu verändern, womit eben dieselben Originale, und eben dieselben Ungereimtheiten

gemahlt werden können. Und auf diesem Wege findet man. nirgends Grenzen; denn obschon die Menschen zu allen Zeiten einerley Fehlern unterworfen sind, so zeigen sie dieselben doch nicht immer auf einerley Art. Die Alten, in diefer Absicht, sind den Neuern sehr ungleich; und wir selbst, die wir in den jeßigen Tagen le ben, haben mit unsern Våtern sehr wenig åhnliches.

Zu den Zeiten des Moliere und derCorneillen, besonders zu Anfange ihres Jahrhunderts, konnte man die gelehrten und wißigen Köpfe von Profeßion mit griechischen und lateinischenCitationen ausgespickt, über ihre barbarischen Schriftsteller verdüstert,in ihren Sitten grob und unbiegsam, und in ihrem Aeusserlichen nachläßig und schmuhig vorstellen. Diese Züze passen schon seit langer Zeit nicht mehr. Das pedantische Ansehen ist mit jener tiefen Gelehrsamkeit, die aus Lefung der Originale geschöpft war, verschwunden. Man begnügt sich, wenn ich so reden darf, mit dem blossen Vernis der Litteratur, und den meisten von unsern Neuern ist ein leichtes und sich ausnehmendes Mundwerk anstatt der gründlichen Wissenschaft, welche ihre Vorgänger besaffen. Ihre Erkenntniß, sagt man, ist mannigfaltiger, aber eben deswegen auch unvollkomm

ner.

Sie haben, wenn man will, mehr Wig; aber vielleicht desto weniger wahres Genie. Kurz die meisten von ihnen scheinen von den alten Ge

lehr

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