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eigne Vortreflichkeit, wenn wir gute Gemüths. arten betrachten, welches bey den heroischen Tugenden, die in der Tragödie vorkommen, sich feltner zu ereignen pflegt, weil sie von unsern gewöhnlichen Umständen allzuentfernt sind. Ich kann mir leicht einbilden, was man hierwieder fagen wird. Man wird nehmlich einwerfen, weil die Erdichtung alltäglicher Dinge weder Verlangen, noch Bewunderung erwecken könne, so müßte nothwendig die Tugend auf der Bühne grösser und glänzender vorgestellet werden, als fie im gemeinen Leben vorkomme; hieraus aber scheine zu folgen, daß dergleichen Sittenschilderungen, weil sie übertrieben worden, nicht sattsam gefallen könnten. Dieses nun wåre freylich zu befürchten, wenn nicht die Kunst dazu kåme, welche das, was in einem Charakter Maaß und Ziel zu überschreiten scheinet, so geschickt einrichtet, daß das ungewöhnliche wenigstens wahrscheinlich scheinet. Ein Schauspiel, welches einem Mågdchen von geringem Stande, Zierlichkeit, Wiß und Lebensart geben wollte, würde den Beyfall der Zuschauer wohl nicht er langen. Denn

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Si dicentis erunt fortunis absona di&ta,
Romani tollent equites peditesque cachin

num.

Allein wenn man vorausseßt, dieses Mägdchen fey, von ihren ersten Jahren an, in ein vornehmes

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Haus

Haus gekommen, wo sie Gelegenheit gefunden habe, ihre Sitten und ihren Geist zu bessern: so wird alsdann die zuerst unwahrscheinliche Person wahrscheinlich. Weit weniger aber kön nen uns auserlesene Sitten und edle Empfindungen bey denjenigen anstößig seyn, von welchen wir wissen, daß sie aus einer ansehnlichen Familie entsprungen sind, und eine sorgfältige Erziehung genossen haben. Die Wahrscheinlichkeit aber ist hier, nicht so wohl nach der Wahrheit der Sache, als vielmehr nach der gemeinen Meinung zu beurtheilen; so daß es gar nicht darauf ankömmt, ob es wirklich solche rühmliche Leute, und wie viele es derselben giebt, sondern daß es genug ist, wenn viele, so etwas zu seyn scheinen. Dieses findet auch bey den tadelhaften Charakteren Statt, die deswe gen nicht zu gefallen aufhören, ob sie schon die Beyspiele des gemeinen Lebens überschreiten *. So wird der Geitige in dem Lustspiele, ob er gleich weit geißiger ist, als alle die Geißigen, die man alltäglich sieht, doch nicht mißfallen. Der Thrafo bey dem Terenz ist so närrisch, daß er den Gnatho und seine übrigen Knechte, als ob es Soldaten wären, ins Gewehr ruft, daß

Hiervon haben die Verfasser der Beyträge zur Historie und Aufnahme des Theaters, S. 266. und fol. sehr geschickt gehandelt.

Die Abhandlung, welche der Herr Professor hier mit seinem Beyfalle beehrt, ist vort dem seel. Hrn. Mylius.

daß er sich zu ihrem Heerführer macht, und ei nem jeden seine Stelle und seine Pflicht anweiset: ob nun aber gleich vielleicht niemals ein Soldate so großfprechrisch gewesen ist, so ist dennoch die Person des Thrafo, weil sie sonst alles mit den Großsprechern gemein hat, der Wahrheit nicht zuwider. Eben dieses geschieht auch auf der andern Seite, wenn nehmlich die Vortref lichkeit einer Person auf gewisse Art gemäßiget, und ihr, durch die genaue Beobachtung der Wahrscheinlichkeit in den andern Stücken, nachgeholfen wird. Es finden sich übrigens in uns verschiedne Empfindungen, welche dergleichen Charaktere glaubwürdig machen, und das übertriebne in denselben zu bemerken verhindern. Wir wünschen heimlich, daß die rechtschafnen Leute so häufig als möglich seyn möchten, gesezt auch, daß uns nicht so wohl der Reiß der Tugend, als die Betrachtung der Nüßlichkeit, die fen Wunsch abzwinget; und alles was der menschlichen Natur in einem solchen Bilde rühmliches bengeleget wird, das glauben wir, werde uns selbst bengelegt, Daher kömmt es, daß die guten Charaktere, ob sie gleich noch so vollkom men sind, und alle Beyspiele übertreffen, in der Meinung die wir von unfrer eignen Vortreflich keit, und von der Nüglichkeit der Tugend ha ben, ihre Vertheidigung finden. Wenn nun also diese Charaktere schon des Vergnügens wegen, welches sie verursachen, billig in dem Lust

spiele können gebraucht werden, so hat man noch weit mehr Ursache, sie in Betrachtung ihrer Nüglichkeit anzuwenden. Die Abschilderungen tadelhafter Personen zeigen uns bloß das Ungereimte, das Verkehrte und Schändliche; die Abschilderungen guter Personen aber zeigen uns das Gerechte, das Schöne und Löbliche. Jene schrecken von den Laftern ab; diese feuern zu der Tugend an, und ermuntern die Zuschauer, ihr zu folgen. Und wie es nur etwas geringes ist, wenn man dasjenige, was übel anstehet, kennet, und sich vor demjenigen hüten lernet, was uns dem allgemeinen Tadel ausseßt; so ist es Gegentheils etwas sehr großes und ersprießliches, wenn man das wahre Schöne erkennt, und gleichsam in einem Bilde sieht, wie man selbst beschaffen seyn solle. Doch diese Kraft haben nicht allein die Reden, welche den guten Perfonen beygelegt werden; sondern auch dasjenige, was in dem Stücke löbliches von ihnen verrichtet und uns vor die Augen gestellet wird, giebt uns ein Beyspiel von dem, was in dem menschlichen Leben schön und rühmlich ist. Wenn also schon dergleichen Schauspiele, dem gewöhnlichen und angenommenen Gebrauche nach, sich mit Recht den Namen der Komödien nicht anmaaßen können; so verdienen sie doch wenigstens die Freyheiten und Vorzüge der Komödie zu genießen, weil sie nicht allein ergößen, sondern auch nüglich sind, und also denjenigen

Drama

Dramatischen Stücken beygezehlt werden können, welche Wehrenfels, am angeführten Orte, mit folgenden Worten verlangt.,,End, lich sollen unsre Komödien so beschaffen seyn, ,,daß sie Plato in seiner Republick dulden, Cato ,,mit Vergnügen anhören, Vestalinnen ohne „Verlegung ihrer Keuschheit sehen, und was das vornehmste ist, Christen aufführen und ,,besuchen können.,, Diejenigen wenigstens, welche Komödien schreiben wollen, werden nicht übel thun, wenn sie sich unter andern auch darauf befleißigen, daß ihre Stücke eine stärkere Em pfindung der Menschlichkeit erregen, welche so gar mit Thrånen, den Zeugen der Rührung, be gleitet wird. Denn wer wird nicht gerne manchmal auf eine solche Art in Bewegung ge feht werden wollen; wer wird nicht dann und wann diejenige Wollust, in welcher das ganze Gemüth gleichsam zerfließt, derjenigen vorziehen, welche nur, so zu reden, sich an den äußern Flächen der Seele aufhålt? Die Thränen, welche die Komödie auspresset, sind dem sanften Regen gleich, welcher die Saaten nicht allein erquickt, sondern auch fruchtbar macht. Dieses alles will ich nicht darum angeführt haben, als ob jene alte fröhliche Komödie aus ihrem rechtmäßigen Befihe zu vertreiben wåre; (sie bleibe vielmehr ewig bey ihrem Ansehen und ihrer Würde!) sondern bloß darum, daß man biese neue Gattung in ihre Gesellschaft aufneh

men

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