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§ 18.

laubte ihm, in die Hauptstadt zurückzukehren. Die Ehre des Triumphes war freilich dahin und die Liktoren mit den Fasces wurden entlassen; dafür ward ihm aber die langentbehrte Freude zu teil, wieder in seinem Rom und bei seinem Atticus zu sein. Hier in Rom war jedoch mittlerweile alles ganz anders geworden: Caesar war faktisch Alleinherr, politischen Einfluss hatten nur die Caesarianer; es war offenbar, dafs die Republik ihrem völligen Ende entgegenging. Die öffentliche Rede war seit dem Ausbruch des Bürgerkriegs verstummt 102) Hortensius war noch zur rechten Zeit gestorben 103); viele ausgezeichnete Redner waren in den blutigen Kämpfen gefallen 104); das Wort gab nicht mehr den Ausschlag, sondern das Schwert. Da flüchtete sich Cicero, wie in einer ähnlichen Situation 10 Jahre zuvor, wiewohl schweren Herzens, in das vom Geräusch der Waffen unberührte Gebiet der Wissenschaften und begann nach langer Zwischenzeit 105) wieder sich der schriftstellerischen Thätigkeit zu widmen 106). Der Acker, der lange brach gelegen, trug reichliche Früchte, es gehörte dies J. 46 wie das folgende J. 45 in litterarischer Beziehung zu den fruchtbarsten in Ciceros Leben 107). Eine Hoffnung blieb zwar der Senatspartei noch übrig: Caesar hatte noch einen schweren Kampf in Afrika zu bestehen, wohin er am Ende des Jahres 47 übersetzte. Dort hatten sich die Reste der Pompejaner oder vielmehr der entschiedensten Republikaner zu einem letzten Verzweiflungskampfe vereinigt. Wie? wenn Caesar hier doch noch am Ende besiegt und durch seinen Untergang die dunklen Schatten, die sich jetzt über alles lagerten, glücklich wieder verscheucht würden 108)?

Unter dem Eindruck eines solchen wenn auch noch so schwachen Hoffnungsschimmers ist Ciceros Brutus geschrieben.

102) Brut. 6, 22 subito in civitate
cum alia ceciderunt, tum etiam
ea ipsa, de qua disputare ordimur,
eloquentia obmutuit. 6, 330 ff.
103) Brut. 5 ff.

104) Brut. 266.

105) Brut. 16. Seit den Büchern de republica hatte Cicero nichts ediert (Brut. 19).

106) ad Fam. IX 1, 2 scito enim me, posteaquam in urbem venerim, redisse cum veteribus amicis id est cum libris nostris in gratiam; 2, 5 modo nobis stet illud, una vivere in studiis nostris, a quibus antea delectationem modo petebamus, nunc vero etiam salutem; 18, 1 ego sublatis iudiciis, amisso regno forensi ludum quasi habere coeperim; 20, 3 litteris me involvo, aut scribo

aut lego; 26, 3 cotidie aliquid legitur aut scribitur; VII 28, 2 abdo me in bibliothecam; 33, 2. V 21, 1 hoc vero tempore, cum alii interierint, alii absint, alii mutati voluntate sint utor eodem perfugio, quo tibi utendum censeo, litterulis nostris.

107) In das J. 46 fallen aufser anderen litterarischen Arbeiten: Laus Catonis, Brutus, (Oratio pro Marcello, Oratio pro Ligario) und Orator; in das J. 45 die consolatio, Hortensius, Academica, de finibus und die laudatio Porciae.

108) ad Fam. V 21, 3 Neque me tamen ulla res alia Romae tenet, nisi exspectatio rerum Africanarum; videtur enim mihi res in propinquum adducta discrimen.

Die Abfassungszeit der Schrift fällt nämlich in die ersten Monate des J. 46, nach Caesars Abzug nach Afrika, ehe noch die Schlacht bei Thapsus geschlagen oder wenigstens ehe noch die Nachricht von Caesars Sieg wie von Catos und Q. Caecilius Metellus Pius' Tod 109) nach Rom gekommen war. Auf die bevorstehenden Ereignisse in Afrika waren alle aufs äusserste gespannt in der richtigen Erkenntnis, dafs es sich hier um die letzte Entscheidung handele. Und wenn auch Cicero hin und wieder gestehen mufs, dafs am Ende kein grofser Unterschied sei, wer Sieger bleibe 110), ja dafs man unter Umständen von dem Sieg der Pompejaner noch mehr zu fürchten habe 111) als von Caesars Sieg: so lag doch seiner ganzen politischen Stellung und bisherigen Richtung nach unzweifelhaft der Wunsch in seiner Seele, dafs die Würfel zu gunsten der Republik fallen möchten. Wie gern schenkte er doch noch nach der Schlacht bei Thapsus, Anfang April 46, den Gerüchten Glauben, die über die Unfälle der Caesarianer zur See in Rom verbreitet wurden 112), und wie mochte er im geheimen deren Bestätigung wünschen. Noch war nicht alles verloren, es konnte mit einemmal anders werden. So konnte es denn Cicero im Brutus wagen, über die unglückliche Lage des Staates in wiederholte Klagen auszubrechen 113), und sich nicht nur Anspielungen erlauben 114), die übersehen zu haben dem siegreichen Caesar zur Ehre gereicht, sondern auch an der Spitze der römischen Redner,,den Befreier von der Tyrannis des

109) Beider wird im Brutus noch als Lebender gedacht, des Cato 118 und des Metellus 212. Brutus

war noch nicht in seine Provinz Gallien abgereist (Brut. 171), _und im Orator, der noch in das J. 46 fällt, wird der Brutus als bereits ediert erwähnt (Or. 23).

110) ad Fam. V 21, 3 est enim res iam in eum locum adducta, ut quamquam multum intersit inter eorum causas, qui dimicant, tamen inter victorias non multum interfuturum putem. Trotzdem sagt er kurz zuvor: puto autem mea non nihil interesse, wenn er anderseits auch einsieht, dafs der Krieg derart sei, cuius exitus ex altera parte caedem ostentat, ex altera servitutem ad Fam. IV 14, 1.

111) ad Fam. IV 14, 2 si ei vicissent, ad quos ego pacis spe non belli cupiditate adductus accesseram, tamen intellegebam et iratorum hominum et cupidorum et insolentium quam crudelis esset

futura victoria; sin autem victi essent (setzt er jedoch hinzu) quantus interitus esset futurus civium partim amplissimorum, partim etiam optimorum. Doppelsinnig ist die hierher gehörige Aufserung Brut. 266 sileamus, inquam, Brute, de istis, ne augeamus dolorem; nam et praeteritorum recordatio est acerba et acerbior exspectatio reliquorum.

112) ad Att. XII 2, 1.

113) Brut. 4 (Hortensius) tum occidit, cum lugere facilius rempublicam posset, si viveret, quam iuvare; 7, 157, 251 incurro in memoriam communium miseriarum; 266, 330 doleo, me in hanc reipub

licae noctem incidisse.

114) Vgl. aufser den eben angeführten Stellen 24 eloquentem neminem video factum esse victoria; 281 qui autem occasione aliqua etiam invitis suis civibus nactus est imperium hunc nomen honoris adeptum, non honorem puto, 331 f.

Tarquinius Superbus", L. Iunius Brutus, in einer Weise rühmen, die für den, der zwischen den Zeilen zu lesen vermochte, sehr bedeutungsvolle Winke enthielt 115).

Diese Zeit der Abfassung ist denn auch zugleich die Zeit § 19. des Gesprächs selbst, die hier nicht, wie in den Büchern de oratore, von jener verschieden ist, sondern mit ihr zusammenfällt. Zu Anfang des J. 46 also, kurz zuvor, ehe Brutus nach seiner Statthalterschaft ins cisalpinische Gallien abreiste, machen die beiden untereinander eng verbundenen Männer, M. Iunius Brutus und T. Pomponius Atticus, eines Tages ihrem beiderseitigen Freunde Cicero einen Besuch 116). Atticus hatte dem Brutus erzählt, wie er unlängst von ihrem Freunde Cicero auf dessen Tusculanum den Anfang einer lehrreichen Erörterung über die Geschichte der römischen Beredsamkeit und deren Träger vernommen habe. Dies erregt Brutus' Interesse um so mehr, als er von Atticus gehört hat, dafs seine eigene Rede für Dejotarus 117) die Veranlassung zu jener Unterhaltung gegeben habe. Beide Freunde verabreden sich daher, nächster Tage zusammen bei Cicero vorzusprechen und ihn um weitere Behandlung des erwähnten Themas zu bitten. Diese Verabredung führen sie nun an einem günstigen Tage aus. Nach gegenseitiger Begrüfsung setzen sie sich, da Cicero bereit ist, ihren Wünschen zu willfahren, zu dem Ende neben der Statue Platos, des Hauptes der akademischen Schule und des göttlichen Redners, im Freien nieder, wo dann Cicero seine Schilderung beginnt.

§ 20.

Hier finden wir also die drei Freunde zusammen, zwei ältere Cicero, damals gerade 60, Atticus 63 Jahre alt und einen jüngeren, Brutus, der jetzt in seinem 33. Lebensjahre stand.

M. Iunius Brutus, geboren im J. 78 118), stammte aus plebejischem Geschlecht und war der Sohn des M. Iunius Brutus († 77) und der Servilia, der Stiefschwester des Cato Uticensis 119). Sehr bald schlofs sich Brutus, dessen Erziehung

115) Brut. 53 Das konnte sich Brutus merken: quod certe effici non potuisset, nisi esset oratione persuasum.

116) nicht auf dem Tusculanum oder Cumanum, wo sich Cicero allerdings in dieser Zeit öfter aufhielt (ad Fam. IX 18, 1 cum essem otiosus in Tusculano; 23 heri veni in Cumanum), sondern in Rom; darauf weist nicht nur 1 cum essem otiosus domi (im Gegensatz zu der eben angeführten Stelle und also auch zu Brut. 20 quod mihi nuper in Tusculano incohavisti),

sondern auch 300 und 24 in pratulo, was wohl für die Wohnung in Rom, nicht aber für das Tusculanum oder Cumanum pafst: ein bescheidenes grünes Plätzchen, das gegen Atticus' Parkanlagen seinem Palast auf dem Quirinal gewaltig abstechen mochte (Corn. Nep. 13).

117) s. Anm. 127.
118) Brut. 324.

an

119) Die Mutter der Servilia war Livia, Tochter des M. Livius Drusus (Konsul 112) und Schwester des jüngeren M. Livius Drusus (Tribun

nach dem frühen Tode des Vaters seine Mutter Servilia leitete, seinem mütterlichen Oheim Cato an. Ihn begleitete er auch im J. 58, dem Verbannungsjahre Ciceros, nach Cypern, wohin die Triumvirn bekanntlich den strengen Republikaner, um ihn aus Rom zu entfernen, zur Ausführung eines Staatsauftrags abschickten. Überhaupt Brutus gehörte seiner politischen Stellung nach entschieden zur Optimatenpartei: er war in erster Ehe 120) mit der Tochter des Appius Claudius 121) vermählt, der bekanntlich auf seiten der Aristokratie stand, und mit Q. Caecilius Metellus Pius, dem Schwiegervater des Pompejus, im Kollegium der Pontifices 122). Als daher Appius Claudius nach seinem Konsulat die Provinz Cilicien erhielt, im J. 53, ging Brutus mit ihm und blieb während der ganzen Prokonsularverwaltung seines Schwiegervaters dort. Dies gab denn wohl die erste Veranlassung zu einem näheren Verhältnis mit Cicero. Zwar hatte Brutus schon früher einmal für Cicero Partei genommen, als er sich nach des berüchtigten Clodius Ermordung (in einer besonders zu dem Zweck entworfenen Übungsrede) gleichfalls entschieden zu gunsten Milos aussprach, der sich durch Clodius' Ermordung ein Verdienst um das Vaterland und gerechte Ansprüche auf belohnende Anerkennung erworben habe. Aber bisher standen sich die beiden Männer doch noch ziemlich fern. Als jedoch Cicero, als Appius Claudius' Nachfolger, im J. 51 die Provinz Cilicien erhielt, gab es mancherlei Berührungspunkte zwischen beiden, die zunächst freilich vorzugsweise nur finanzieller Art waren: Brutus hatte in Cilicien, wie früher auf Cyprus (das auch zu Ciceros Provinz gehörte) bedeutende Kapitalien ausstehen und bedurfte daher der vermittelnden Hilfe des Prokonsuls 123). In dem Jahre nach Ciceros Prokonsulat, im J. 50, trat dann Brutus zum erstenmale in einer wichtigeren Sache öffentlich auf. Sein Schwiegervater war durch Dolabella des Hochverrats und der Amtserschleichung angeklagt 124). Brutus übernahm mit Q. Hortensius die Verteidigung und beide führten sie so glücklich, dafs der Angeklagte freigesprochen wurde 125). Es war das letzte Mal, dafs Hortensius

i. J. 91). Livia war in erster Ehe mit M. Cato, in zweiter Ehe mit Q. Servilius Caepio vermählt; aus jener Ehe stammte Cato Uticensis, aus dieser Servilia.

120) Später im J. 45 vermählte er sich bekanntlich mit Porcia, der Tochter des Cato Uticensis. Beide Ehen blieben kinderlos.

121) Brut. 267 s. ind. 122) Brut. 212 s. ind.

123) Brutus war sehr vermögend, er besafs Villen bei Cumae, Tuscu

lum (Brut. 300), Antium und bei Lanuvium.

124) ad Fam. VIII 6, 1. III 11, 2. 125) Brut. 230, 324; ad Fam. III 11, 3. Schon damals sprach sich Cicero in dem Brief an Appius Claudius sehr anerkennend über Brut. aus: laetor virtute et officio cum tuorum necessariorum, meorum amicissimorum, tum alterius (sc. Pompeii) omnium seculorum et gentium principis, alterius (sc. Bruti) iampridem iuventutis, celeriter, ut

auftrat; er starb nicht lange darauf, zu einer Zeit, wo der Patrioten immer weniger wurden. Dann brach der Bürgerkrieg aus im Jahr 49. Brutus, obwohl ihn seine persönliche Neigung eher zu Caesar als zu Pompejus hinziehen mochte, mit dem er bisher jede Gemeinschaft gemieden hatte, glaubte doch seinen politischen Grundsätzen nicht untreu werden zu dürfen und folgte dem Pompejus ins Lager bei Dyrrhachium. In der Schlacht bei Pharsalus, im August 48, kämpfte er mit, aber Caesar hatte den Befehl gegeben, den Sohn der Servilia zu schonen. Nach der Schlacht entfloh er nach Larissa, schrieb dann an Caesar und wurde von ihm um der Mutter willen gnädig aufgenommen. Es wurde ihm gestattet, neutral zu bleiben, und infolgedessen lebte er entweder in Griechenland den Wissenschaften oder er ging nach Italien zurück. Indes kamen die Nachrichten von Caesars Glück und Brutus versäumte nicht, dem siegreichen Imperator nach Asien entgegenzureisen. Dieser Aufenthalt des Brutus in Asien ist für uns in doppelter Beziehung wichtig geworden: erstens nämlich ist in dieser Zeit von hier aus der Trostbrief geschrieben, der zum erstenmal wieder wie ein heller Lichtstrahl dem Freunde das Dunkel der Nacht erhellte, das den gebeugten Mann umgab 126); sodann aber fällt in diese Zeit auch Brutus' Rede für Dejotarus, die er im August 47 vor Caesar in Nicaea hielt 127). Dejotarus, der bekannte Tetrarch oder König von Galatien und Kleinarmenien, war zwar dafür, dafs er im Bürgerkrieg auf seiten des Pompejus gestanden, ihm Truppen zugeführt und bei Pharsalus mitgekämpft hatte, von Caesar begnadigt worden, aber er hatte infolge der Beschwerden der übrigen Tetrarchen über ihn und aus anderen Gründen das zu seinem Reich gehörige Gebiet der Trokmer und Kleinarmenien verloren. Da trat nun Brutus mit grofser Freimütigkeit für seinen Freund Dejotarus auf, um ihm diese Gebietsteile seiner vormaligen Herrschaft wieder zu verschaffen. Und obwohl Brutus die Bestimmung des Siegers nicht abzuändern vermochte, so fühlte sich doch Caesar bei dieser Gelegenheit zu der sehr charakteristischen Äufserung veranlafst: magni refert, hic quid velit, sed quidquid vult, valde vult 128). Übrigens zeigte sich Caesar sehr gnädig gegen Brutus und ernannte ihn, obwohl er noch nicht Prätor gewesen war, vor seiner Abreise nach Afrika zum Proprätor von Gallia cisalpina 129). Dennoch richtete Cicero sein Augenmerk vorzugsweise auf ihn, als auf den Mann, auf dem vor allen die Hoffnung

spero, civitatis. (So auch später nach Caesars Ermordung ad Att. XIV 20, 3 Quod errare me putas, qui rem publicam putem pendere e Bruto, sic se res habet: aut nulla erit, aut ab isto istisve servabitur.)

126) Brut. 12, 330.

127) Brut. 21. Tac. dial. de or. 21. 128) ad Att. XIV 1, 2 valde vehementer eum visum et libere dicere.

129) Brut. 171; ad Fam. VI 6, 10 Brutum Galliae praefecit.

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