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wird bei den administrativen, legislativen und constituirenden Einrichtungen, welche die Tradition den Königen zuschreibt, der Einholung eines Volksbeschlusses nicht gedacht 1). Als dritte Befugniß der Volksversammlung nennt Dionysius die Entscheidung über anzukündigenden Krieg. Allein auch hiefür fehlt es an einem historischen Beleg; denn die fetialischen Formeln, in welchen bei der Kriegsankündigung allerdings des Volksbeschlusses ausdrücklich gedacht wird 2), sind unzweifelhaft jüngern Ursprungs 3). Nun wird man freilich annehmen müssen, daß die Könige, um sich der bereitwilligen Mitwirkung des Volks zu einem Kriege, der Anstrengungen, vielleicht Opfer forderte, zu versichern, um dem Volke durch Abnahme seines förmlichen Jaworts eine bindendere Verpflichtung aufzuerlegen, es in der Regel nicht werden unterlassen haben, zu einem Angriffskriege die Genehmigung desselben einzuholen. Allein wie weit diese Einholung ein staatsrechtliches Erforderniß, wie weit sie eine dem Ermessen des Königs überlassene Maasregel praktischer Zweckmäßigkeit war, läßt sich bei dem völligen Mangel zuverlässiger Nachrichten nicht entscheiden. Unrichtig aber ist es in jedem Falle, wenn Dionysius an andern Stellen nicht blos die Kriegsankündigungen, sondern auch die Friedensschlüsse von der Einwilligung der Volksversammlung abhängig macht 4). Zu Friedensschlüssen, Staatsverträgen und Bünduissen war noch in den ersten Jahrhunderten der Republik

Hoftilius eingebrachte Ler de insignibus regiis, Cic. Rep. II, 17, 31. vgl. Dionys. III, 62. p. 196, 17.

1) Freilich kann, wie oben in Beziehung auf den Senat bemerkt worden ist, diese Nichterwähnung auch Kürze des Ausdrucks sein. Da die Geschichtschreiber über das Detail und die bestimmte Form des Hergangs nichts überliefert fanden, so sagen sie einfach: Numa instituit, Tullus constituit u. s. w. Daß sie dabei nichts von einer Mitwirkung des Volks erwähnen, beweist nicht, daß eine solche nicht dennoch stattgefunden haben kann. So wird die Ertheilung des Bürgerrechts und die Aufnahme ins Patriciat gewöhnlich den Königen selbst zugeschrieben (Liv. I, 28. 30. IV, 4. Dionys. III, 41. p. 181, 31. c. 48. p. 185, 40. c. 67. p. 199, 43. Suet. Oct. 2. Dio Cass. fr. 9, 1 = Zonar. VII, 8. p. 325, b. Zonar. VII, 9. p. 327, b): dennoch findet sich eine Stelle, wo dabei eines Volksbeschlusses gedacht wird, Dionys. IV, 3. p. 208, 31. Vgl. Merdlin, die Cooptation der Römer 1848. S. 11 ff.

2) Liv. I, 32.

3) S. o. S. 662. Anm. 3.

4) Dionys. IV, 20. p. 224, 11. VI, 66. p. 392, 9. In Beziehung auf Liv. I, 49 f. Rubino Unters. I, 259. Anm.

eine Mitwirkung des Volks nicht erforderlich 1). Was endlich das vierte Recht der Volksversammlung betrifft, das Recht, in Capitalprozessen, wofern Provocation eingelegt wurde, zu richten, so gibt es dafür nur ein einziges Beispiel, die Provocation des Horatiers; und auch diejenigen Schriftsteller, welche ganz allgemein behaupten, es habe zur Königszeit Provocation stattgefunden ), hatten bei dieser Behauptung schwerlich andere Thatsachen im Auge, als eben jenen Prozeßfall. Allein der Prozeß des Horatiers steht so individuell und vereinzelt da, wird überdieß so abweichend erzählt, daß sich keine allgemeine Regel daraus abziehen, und namentlich nicht sicher entscheiden läßt, wie weit das Provocationsrecht beschränkt, und ob es, wenigstens in Kapitalsachen, ein förmliches Recht des Angeklagten war, oder ob die Zulassung der Provocation vom guten Willen des Königs abhieng 3). Doch spricht die größere Wahrscheinlichkeit für das Lettere. Man hat sich hiernach, wofern man bei den Aussagen der Ueberlieferung stehen bleibt, die Befugnisse der Volksversammlung und ihren Antheil an der Staatsregierung als ziemlich beschränkt zu denken. Hiezu kommt, daß die Bürgerschaft nicht berechtigt war, solche Versammlungen eigenmächtig, ohne vom König (oder Interrer) berufen zu sein, zu veranstalten; daß ihr ebensowenig die Befugniß zustand, selbstständige Anträge oder auch nur Verbesserungsanträge zu stellen: kurz, daß sie aller Initiative entbehrte. Der Populus, vom König zur Versammlung berufen, hatte einzig die Anfragen. (Rogationen), die Jener ihm vorlegte, mit Ja oder Nein zu beant

worten.

Die Abstimmung erfolgte nach Curien *); innerhalb der Curien soll nach Köpfen (viritim) gestimmt worden sein 5). Die Versamm

1) Den erschöpfenden Nachweis s. bei Rubino a. a. D. S. 258—–289. 2) S. v. S. 596. Anm. 3.

3) Mehr s. o. S. 596.

4) Dionys. II, 14. p. 87, 30. c. 60. p. 121, 48. IV, 12. p. 218. 23. c. 20. p. 224, 13. c. 84. p. 275, 48. V, 6. p. 281, 16 und sonst.

5) Liv. I, 43. Dionys. IV, 20. p. 224, 14. Wenn Niebuhr R.G. I, 350 behauptet, es seien innerhalb der Curien nicht die Stimmen der Einzelnen, sondern diejenigen der Gentes gezählt worden, und sich dafür auf die Definition des Lälius Felir ap. Gell. XV, 27, 4: cum ex generibus hominum suffragium feratur, curiata comitia esse beruft, so folgt dieß wenigstens aus der angeführ: ten Stelle nicht, s. Huschke Serv. Tull. S. 29. Anm. 8. Becker Hdb. II, 1, 373. Anm. 727. Es fragt sich überhaupt, ob genus hier, wie gewöhnlich

lungsort der Curiatcomitien war in der Regel das Comitium 1), der obere Theil des Forums.

18. Die römische Grundverfassung ist im Vorstehenden dargestellt. Eine wichtige Seite derselben, ihr Zusammenhang mit den Auspicien, ist zum Schluß noch zur Sprache zu bringen.

Kein Volk des classischen Alterthums hat sein Dasein, seine Staatsordnung, sein ganzes Staatsleben in so enge und ununterbrochene Beziehung zu den Göttern geseht, als die Römer. Das vermittelnde Organ dieser Verbindung waren die Auspicien. Nach Befragung der Götter im Vogelflug hat Romulus die ewige Stadt gegründet 2); auf derselben Götterbotschaft ruht sein Königthum 3); auspicato hat er die Grundeinrichtungen des Staats getroffen *), die Rittercenturien gestiftet 5), den Senat eingesetzt 6): kurz die ganze Grundverfassung Noms beruht auf göttlicher Sanction und Auctorität 7). Auch später ist keine politische Einrichtung getroffen worden ohne Einholung der göttlichen Genehmigung 8). Vermöge dieses Glaubens galt dem Römer die Verfassung seines Staats, weil auf göttlicher Auctorität beruhend, weil mit der Weihe göttlicher Genehmigung umgeben, als heilig und unantastbar. Denn, was die Götter gebilligt haben, unterliegt nicht menschlicher Kritik“ 9). Aus dieser religiösen Anschauung der Römer floß auch ihre conser

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geschieht, im Sinne von gens zu fassen ist: wahrscheinlicher ist, daß es sich in der angeführten Stelle auf das Herkommen bezieht, und „Stand“ bedeutet: vgl. die von Marquardt Hdb. II, 3, 46. Anm. 141 und S. 48. Anm. 148 für diese Bedeutung des Worts aufgeführten Stellen, besonders Liv. XL, 51 wo gleichfalls die Eintheilung ex generibus hominum oder nach Ständen der Eintheilung nach Census und Alter entgegengesezt wird.

1) Varr. L.L. V, 155.

2) S. v. S. 440. Anm. 2.

3) Ennius bei Cic. de Div. I, 48, 108 (= Annal. I, 113). Liv. I, 18: Romulus augurato urbe condenda regnum adeptus est.

4) Cic. Rep. II, 9, 16. Mehr f. o. S. 517.

5) Liv. I, 36. 43.

6) Tac. Hist. I, 84.

7) Sie ist divinitus constituta, Cic. Tusc. IV, 1, 1.

8) Cic. de Div. I, 2, 3. 40, 89. Liv. VI, 41: auspiciis bello ac pace, domi militiaeque omnia geri, quis est qui ignoret?

9) Sed ego in ea civitate (ago), quae ideo omnibus rebus incipiendis gerendisque deos adhibet, quia nullius calumniae subjicit ea, quae dii comprobaverunt sagt der Proconsul En. Manlius bei Liv. XXXVIII, 48. Schwegler, Röm. Gesch. I. 2. 2. Aufl.

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vative Gesinnung, ihre Scheu, an der hergebrachten Verfassung zu ändern, bestehende Einrichtungen förmlich abzuschaffen. Meist ließen sie dem Scheine nach bestehen, was sie dem Wesen nach abschafften 1), oder was im Laufe der Zeit seine Bedeutung verloren hatte. So gewann die römische Verfassungsentwicklung jene Stetigkeit und Continuität, die den ältern Cato zu dem Ausspruch berechtigte, die Verfassung Roms sei nicht das Werk Eines Menschen und Eines Menschenalters, sondern der gesammten Nation und der Jahrhunderte 2).

Fünfzehntes Buch.

Tarquinius Priscus.
A. Die Sage.

1. Unter der Regierung des Ancus Marcius war ein reicher Fremdling, Namens Lucumo, aus Tarquinii nach Rom eingewandert. Es war dieser Lucumo der Sohn des Damaratus, eines vornehmen Korinthiers aus dem Geschlechte der Bacchiaden, der sich, als der Zwingherr Kypselos die Bacchiaden aus Korinth vertrieb, nach Etrurien geflüchtet, in Tarquinii niedergelassen, und hier eine Etruskerin zum Weibe genommen hatte ). Aber als der Sohn eines Ausländers und Ausgewanderten konnte Lucumo, troß des Reichthums, den ihm sein Vater hinterlassen hatte, in Tarquinii nicht zu öffentlichen Ehren und Würden gelangen: eine Zurückschung, die seine Gemahlin Tanaquil, eine vornehme Etruskerin von hochstre

1) Z. B. das Bestätigungsrecht der Curien.
2) Cic. Rep. II, 1, 2. 21, 37.

3) Polyb. VI, 2, 10 (auch Suid. p. 545, 34. Tusc. V, 37, 109. Liv. I, 34. vgl. IV, 3. Strab. V, 2, 2. p. 219. VIII, 6, 20. p. 378. imp. in Tab. Lugd. I, 11 ff. p. 191 Haub.

10 Avios). Cic. Rep. II, 19,
Dionys. III, 46. p. 184, 14 ff.
Val. Max. III, 4, 2. Claud.
Plin. H. N. XXXIII, 4. §. 9.
III, 4, 8. p. 422.

XXXV, 5. §. 16. 43. §. 152. Macrob. I, 6, 8. p. 228.

Aur. Vict. de vir. ill. 6, 1. Zonar. VII, 8. p. 325, a. Schol. Bob. in Cic. pr. Sull. p. 363. Das Nähere über die Umwälzung des Kypselos und den Sturz der Bacchiaden bei Plaß, Tyrannis 1852. I, 150 ff.

bendem Geiste, so bitter empfand, daß sie ihrem Manue anlag, Tarquinii zu verlassen. Lucumo folgte ihrem Rathe, und sie zogen nach Rom. Nahe am Ziele, vor den Thoren der Stadt überraschte fie ein glückverkündendes Wahrzeichen. Als sie nämlich auf der Höhe des Janiculum angekommen waren, und Nom zu ihren Füßen liegen sahen, ließ sich plötzlich ein Adler aus den Lüften herab, nahm dem Lucumo den Hut vom Haupte, kreiste damit unter großem Geschrei über dem Wagen herum, und setzte ihm dann denselben wieder auf 1). Tanaquil, als Etruskerin der himmlischen Zeichen kundig, war hocherfreut, und hieß ihren Mann das Kühnste hoffen. In Rom gelangte Lucius Tarquinius so nannte man hier den Eingewanderten -bald zu Ansehen und Einfluß. Zuvorkommenheit und Freigebigkeit machten ihn dem Volke, Tapferkeit im Felde und Weisheit im Rath dem Könige werth 2). Sterbend bestellte ihn Ancus Marcius zum Vormund seiner noch unmündigen Söhne. Aber als Ancus Marcius gestorben war, trat Tarquinius selbst als Bewerber um die Königswürde auf, und sie ward ihm, als dem Würdigsten, vom Volke einstimmig übertragen.

2. Tarquinius war ein sehr thatkräftiger und unternehmender Fürst; aber es bedurfte auch eines solchen, um Rom gegen die Gefahren, die es rings bedrohten, aufrecht zu erhalten. Die Ersten, die sich wider ihn erhoben, waren die Latiner. Sie sahen den Vertrag, zu dem sie sich unter Ancus hatten bequemen müssen, mit dessen Tode für erloschen an, und fielen plündernd in die römische Markung ein. Tarquinius zog gegen sie zu Feld und nahm die reiche Stadt Apiolä im Sturm 3). Darauf trug er seine siegreichen Waffen in die Landschaft jenseits des Anio, und eroberte in einer Reihe von Feldzügen Corniculum, Alt-Ficulca, Cameria, Crustumerium, Ameriola, Medullia, Nomentum, Collatia 4) theils Städte

1) Liv. I, 34. Dionys. III, 47. p. 185, 13. Cic. de Leg. I, 1, 4. Sil. Ital. XIII, 818. Aur. Vict. de vir. ill. 6, 3. Zonar. VII, 8. p. 325, a. 2) Polyb. VI, 2, 10. Cic. Rep. II, 20, 35. Diod. Sic. in Exc. de virt. et vit. p. 551 (Diod. Opp. ed. Bip. Tom. IV. p. 38). Exc. p. 570).

3) Liv. I, 35. Plin. III, 9. §. 70. Altlat. Chorogr. S.

Dio Cass. fr. 9 (Vales.

Dionys. III, 49. p. 186, 20 ff. Die Lage von Apiolä ist gänzlich 30. 122.

Strab. V, 3, 4. p. 231.

ungewiß, s. Bormann

4) Liv. I, 38. Dionys. III, 49 f. p. 186, 43 ff. Die genannten Städte lagen alle (mit Ausnahme Collatias) in dem Dreieck zwischen Anio und Tiber. —

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