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des älteren Tarquinius. Weder an der Ehe der beiden Serviustöchter mit den beiden Tarquiniern Lucius und Aruns, ihren Söhnen, noch an irgend einer That ihres grossen Schützlings ist sie betheiligt, und eben so wenig erfahren wir über die späteren Schicksale und den Tod des berühmten Weibes.

Mit der Livianischen Darstellung stimmt die des Dionysius von Halicarnass III, 46. 47 in allen wesentlichen Stücken überein. Die Verbindung der Etruscerin mit den beiden aufeinander folgenden Königen ist dieselbe. In der Geschichte des Tarquinius Priscus wird zwar der Antheil des Weibes an dem Entschluss zur Auswanderung nicht so hervorgehoben wie bei Livius, aber das Adleraugurium und die Verheissung der Königsherrschaft wiederholt sich in ganz gleicher Auffassung. Alsdann verschwindet Tanaquil aus der Geschichte ihres Gemals, um, wie bei Livius, die Erhebung seines Nachfolgers zu fördern. Ihre Weissagung aus der Feuererscheinung des jugendlichen Hauptes, ihre Thätigkeit bei der Erhebung des Eidams auf den römischen Thron wird mit demselben Nachdruck erzählt und auch die Anrede an das stürmisch bewegte Volk aus dem Fenster der Königsburg nicht übergangen (IV, 1-3). Zuletzt wieder dasselbe plötzliche Verschwinden der früher so bedeutsam in die Geschicke des Königs eingreifenden Frau, dasselbe Stillschweigen über ihre ferneren Schicksale und ihren Tod. Eine Abweichung von Livius macht sich nur in zwei Punkten geltend. Während nämlich Livius mit Fabius Pictor und der Mehrzahl der römischen Annalisten Tanaquil als Mutter der beiden Tarquinier, des Aruns und des späteren römischen Königs Tarquinius Superbus kennt, folgt Dionysius IV, 6. 7 der Angabe des Lucius Piso Frugi, der die Verwandtschaft um einen Grad hinausrückt und die genannten Männer aus Tanaquil's Söhnen zu ihren Enkeln macht. In einem zweiten Punkte ist Dionysius vollständiger als Livius. Er berichtet nämlich nach dem Vorgang einer grossen Zahl für uns verlorener Geschichtschreiber die Sage von der wunderbaren Erzeugung des Servius durch das in der Heerdasche geoffenbarte Zeugungsglied und von Tanaquil's Stellung zu diesem Ereigniss, während Livius es vorzieht, darüber gänzlich zu schweigen. Von diesen beiden Abweichungen wird die erstere im Laufe der vorliegenden ersten

Abtheilung ihre Erledigung finden, das Heerdwunder aber in der zweiten in Verbindung mit den Geburtssagen des Servius näher erörtert werden.

Ausser von Livius und Dionysius wird die Geschichte der Tanaquil von keinem Alten in derselben Vollständigkeit erzählt. Cicero de republica II, c. 19-21 scheint das Weib nirgends erwähnt zu haben. Eben so wenig gedenkt seiner die Rede des Kaisers Claudius über das gallische Bürgerrecht, obwohl diese auf die Herkunft und die Erhebung der beiden Fürsten, des Tarquinius Priscus und Servius Tullius, näher eingeht. Plutarch dagegen wird an vier verschiedenen Stellen auf Tanaquil geführt. In den römischen Fragen c. 36 nennt er sie Gemalin des Tarquinius Priscus, in c. 30 als Gaia Caecilia Frau eines der Tarquiniussöhne, in der Einleitung zu der Schrift über die Trefflichkeit der Frauen eine besonders listige Matrone. In der Abhandlung über Fortuna Romanorum c. 10 endlich wird der Verbindung Tanaquil's mit Servius gedacht und der sonst nicht erwähnte, aber einer Livianischen Bemerkung ') entsprechende Umstand hervorgehoben, sie habe kurz vor ihrem Tode ihrem Günstling den Eid abgenommen, dass er die königliche Herrschaft nicht niederlegen und die alte Verfassung Roms nicht ändern wolle. In den Annalen des Zonaras VII, 8 wird Tanaquil's Auftreten bei dem Adleraugurium nicht erwähnt, dagegen ihre Thätigkeit bei der Erhebung des Königs Servius betont. Das letztere wiederholt sich bei Valerius Maximus de viris illustr. I, 6, 1. Festus p. 95 Müller, kennt die Ehe mit dem älteren Tarquinius, Claudian, Laus Serenae reginae v. 16 die Weissagungsgabe, und nach Dionysius' Mittheilung Fabius Pictor die Thätigkeit Tanaquil's bei der Beerdigung ihres Sohnes Aruns. Zu diesen schriftlichen Zeugnissen, theilweise sehr später Zeit, tritt die graphische Darstellung des von Herrn Noël des Vergers entdeckten vulcentischen Hypogeums hinzu. 2) Der Hauptwerth dieses Grabbildes liegt in der

1) Livius I, 60: duo consules ex commentariis Servii Tullii.

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2) Revue archéologique, 1863, Décembre. p. 457 ff. L'Etrurie et les Etrusques, Atlas des planches pl. XVII. Explication p. 25. T. II p. 46-52. Das Werk von R. Garrucci, Dichiarazione delle pitture Vulcenti, Roma 1864, steht mir nicht zu Gebot.

Uebereinstimmung desselben mit dem Berichte des Kaisers Claudius über Mastarna und dessen Waffenbrüderschaft mit Caeles Vibenna.4) Aber auch für die Tanaquilsage ist es von der grössten Bedeutung. Denn das dargestellte sieggekrönte Unternehmen, durch welches Mastarna seinen Verbündeten Vibenna den Händen der Feinde, insbesondere des Römers Tarquinius, entreisst, erscheint auch hier als die Gunst einer Tanaquil-vizηgógos, deren Gegenwart bei der blutigen Scene keine andere Auslegung zulässt, und überdiess wird die etruscische Zugehörigkeit wie für Servius so auch für Tanaquil über allen Zweifel erhoben. Das Grabmal, dem diese werthvolle Darstellung angehört, ist ein Werk etruscischer Kunst, etruscisch auch die Schrift, deren der Künstler zur Bezeichnung der einzelnen Figuren sich bedient. Nehmen wir hinzu, dass die Entstehungszeit in keinem Fall über das Jahr der Stadt 473 hinabgerückt werden kann,5) und dass die Verwendung eines geschichtlichen Stoffes als Grabdecoration neben Scenen der Ilias den Verlauf eines beträchtlichen Zeitraumes nothwendig voraussetzt, so gelangen wir für die erste Bildung der Tanaquilsage in eine Periode zurück, welche von der Servianischen Zeit nicht allzu entfernt sein kann. Einen grossen Verlust haben wir durch die Zerstörung des Tanaquilbildes selbst erlitten. Es fiel der Unvorsichtigkeit eines Arbeiters zum Opfer. Aber der beigeschriebene Name Tanaquil ) kann durch die Autorität des Entdeckers als gesichert gelten.

4) Nach Sueton im Claudius 42 schrieb dieser Kaiser zwanzig Bücher über Etrurien: ein Verdienst, das die zwanzig Städte durch ein gemeinsam zu Cäre errichtetes Denkmal anerkannten.

5) Denn in dieses Jahr fällt die Besiegung der Vulsinienser und Vulcenter durch Ti. Coruncanius, dessen Triumph ein Fragment der capitolinischen Triumphalfasten (C. J. Latin. I, p. 457) auf den ersten Februar 474 verlegt. Vergl. Noël des Vergers, L'Etrurie III, p. 47. Gerhard, Rapporto volcente, Note 956.

4) Tanchvil: Verati: Helcai: s. Noël des Vergers III, p. 25. Die beiden begleitenden Worte finden in dem vorhandenen Inschriftenschatze keine Anknüpfungspunkte.

§. 2.

Grundzug der Tanaquilerscheinung in der römischen
Tradition.

Ein Blick auf die zusammengestellten Zeugnisse lässt als den bedeutsamsten Zug in dem Bilde der etruscischen Frau ihre Thätigkeit bei der Erhebung zweier Könige auf den römischen Thron erkennen. Mag die Ueberlieferung den Beistand in einzelne Acte zerlegen und die Gunsterweisung beidemale ganz verschieden gestalten: ein richtiges Urtheil wird hinter dieser Mannigfaltigkeit der äusseren Erscheinung die Einfachheit des Grundgedankens mit Leichtigkeit erkennen. Beide Kronen sind des Weibes Gabe. So werden sie in der That bei Livius genannt. Zuerst in der Schilderung der verbrecherischen Tullia I, 47, die ihrem Vorbilde Tanaquil es nachrühmt, sie habe, obgleich eine Fremde, dennoch nacheinander zwei Kronen verliehen, die eine dem Manne, dem Eidam die andere; die alsdann in Nacheiferung derselben Frau in die Zertrümmerung und Aufrichtung königlicher Throne mit gleich entscheidendem Gewichte einzugreifen den Entschluss fasst und nach Vollbringung ihrer That den letzten Tarquinius zuerst feierlich als König begrüsst. Das zweite Mal in der Rede des jüngeren Tarquinius, der seines gestürzten Vorgängers Krone als eines Weibes Gabe brandmarkt (I, 47). — In voller Bedeutung erscheint diese Macht Tanaquil's, wenn wir den niederen Stand der durch ihre Gunst erhobenen Männer nicht ausser Acht lassen. Tarquinius sowohl als sein Nachfolger Servius werden aus Privatmännern Könige. Eine Lebensstellung, die zu keinen höheren Hoffnungen berechtigt, vertauscht sich mit der höchsten Glücksstufe. Servius gilt als der Sohn einer dienenden Mutter, ist Sclave im Hause Tarquin's und als solcher wenig beachtet. Tarquinius seinerseits zieht als unbekannter Fremdling in Rom ein, um hier eine Stellung zu suchen, die seinem Hause weder Korinth noch Tarquinii gewähren will.) In beiden Fällen wech

1) Dass Strabo VIII, p. 378 dem Demarat die Herrschaft über Tarquinii zuschreibt, kommt für die Auffassung des Mythus nicht in Betracht. An der engen Verbindung Etruriens mit Korinth aber lässt sich nicht mehr zweifeln, seitdem die

selt die tiefste Erniederung mit der grössten Erhebung und beidemale ist der Umschwung des Schicksals Tanaquil's Werk. Neben Tarquin sowohl als neben Servius erscheint sie als die Gründerin neuer Dynastieen. Der Königsscepter entgleitet früher mächtigen Händen und geht durch des Weibes Vermittelung in neue über. Um noch tiefer in das Wesen dieser Erscheinung einzudringen, beachte man einen letzten Punkt. Tanaquil's Eingreifen in die Geschicke des römischen Königthums beschränkt sich auf einen einzigen Zeitpunkt. Wo immer wir sie genannt finden, ist ihre Thätigkeit auf die Begründung einer neuen Herrschaft gerichtet. In den Wendepunkten des Schicksals tritt sie auf, in dem entscheidenden Augenblick steht sie alleinhandelnd im Vordergrunde. Nach gesichertem Erfolg sinkt sie sofort in die Dunkelheit zurück. Aber in der Erhebung einer neuen Dynastie liegt zugleich der Sturz einer älteren. Tarquinius' Thronbesteigung ist die Verdrängung der Ancussöhne, die ihren Ansprüchen gegenüber den etruscischen Fürsten nie entsagen, Servius' Königserklärung der Fall des Hauses der Tarquinier, das der zweite des Stammes auf den Trümmern der Servianischen Macht glänzender wieder errichtet. An diesem Doppelgesicht einer und derselben Thatsache nimmt Tanaquil Theil. Als Erheberin des neuen Königs ist sie die Stürzerin des früheren, ihre Bedeutung dieselbe in dando adimendoque regno, wie Livius durch Tullia's Mund sich ausdrückt. So überträgt sie ihre Gunst von dem einst beschützten Haupte auf ein neues und verschwendet mitleidslos ihre Huld selbst an den Gegner des früher auserwählten Mannes. Die einzige Verbindung der beiden feindseligen Dynastieen liegt in ihr und ihrem successiven Verhältniss zu beiden Fürsten. So stehen die Tarquinier und Servius in der Geschichte da. Die ganz entgegengesetzte Tendenz ihrer Regierung, die durch das erwähnte Grabbild bestätigte Leidenschaft, mit der sie sich bekämpfen, der gewaltsame Umsturz, welcher den Uebergang der Macht von dem einen Hause auf das andere herbeiführt, tritt aus der Ueberlieferung mit voller

korinthische Schrift mit allen ihren Eigenthümlichkeiten auf den Grabvasen Etruriens so häufig zum Vorschein gekommen ist. De Witte, Etudes sur les vases peints p. 47.

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