Immagini della pagina
PDF
ePub

Klarheit entgegen. Zugleich aber sehen wir die Todfeinde durch Tanaquil geeint, ja unter sich in ein so bestimmtes Verwandtschaftsverhältniss gebracht, dass die Feindschaft in ihr Gegentheil umzuschlagen scheint.

§. 3.

Entsprechende weibliche Erscheinungen in den asiatischen Königsmythen.

A. Lydische Sagen. Die Königsfrauen der Herakliden- und Mermnaden-Dynastie. Tydo. Damonno. Die Hetäre des Gyges. Omphale.

Die Bäckerin des Crösus.

-

So fremdartig der mitgetheilte Grundgedanke der Tanaquilsage den römischen Grundsätzen gegenübersteht, so enge schliesst er andererseits den Auffassungen des asiatischen Alterthums sich an. Die Ergebnisse, welche dieser Mythenparallelismus für das Verständniss der Tanaquilerscheinung und den Culturzusammenhang Italiens mit dem Orient liefert, sind von so hervorragender Wichtigkeit, dass wir für die Reihe neuer Untersuchungen, welche sich jetzt vor uns eröffnet, die grösste Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen dürfen. Der Gang der Forschung wird uns von den Königssagen Lydiens zu jenen Assyriens und aller von assyrischer Cultur abhängigen vorderasiatischen Reiche fortführen und dadurch in den Stand setzen, mit Hilfe der gewonnenen Kenntnisse, die Tanaquilsage bis in ihre unscheinbarsten Einzelheiten aufzuklären.

Nach Herodot's Darstellung (I, 7) folgten sich in Lydien zwei Königshäuser, das der Herakliden, die nach den Atyaden mit Agron den Thron bestiegen, und das der Mermnaden, das mit Gyges beginnt und mit Crösus seinen Untergang fand. So begreift die lydische Geschichte zwei Dynastieenwechsel in sich, und beide verbinden sich mit mythischen Traditionen, in welchen der Grundgedanke der Tanaquilsage sich wiederholt. Wir beginnen mit den Erzählungen, welche die Erhebung des ersten Mermnaden zu ihrem Gegenstande haben. Die hierauf bezüglichen Sagen liegen uns in dreifacher Gestalt vor. Nicolaus von Damascus, der Zeitgenosse des Kaisers Augustus, erzählt den Fall der Herakliden; höchst wahrscheinlich nach dem Vorgang des

[ocr errors]

einheimischen Geschichtschreibers Xanthus

im sechsten Buche folgendermassen: Sadyattes, der

seiner allgemeinen Historie 1) letzte König des alten Heraklidenstammes, entsendet den Anführer seiner Leibgarde, Gyges, des Dascylus Sohn, nach Mysien, um die Tochter des dortigen Königs Arnossus, die schöne Tydo,1a) als Braut ihm zuzuführen. Da wird dem Mädchen am Tage der Abreise des königlichen Boten eine wunderbare Erscheinung zu Theil. Ein Adlerpaar lässt sich auf dem Dache seines Schlafgemachs nieder. Die Zeichendeuter weissagen, gleich in der ersten Nacht werde das Mädchen zweier Könige Gemalin sein.2) Bald erhält die Verkündung ungeahnte Erfüllung. Gyges, von Liebe zu der Königsbraut getrieben, trachtet nach ihrer Umarmung. Aber Verrath nöthigt ihn, der Rache des Erzürnten durch eigene entschlossene That zuvorzukommen. Er erschlägt den Herakliden in der Brautnacht, nimmt Tydo zum Weibe und gewinnt schnell ihre sowie des lydischen Volkes Gunst. Das Adleraugurium ist erfüllt, das Mädchen in derselben Nacht zweier Könige Gemalin. Entfernen wir aus dieser Darstellung alle jene schmückenden Zugaben, welche das Streben nach Historisirung eines Religionsmythus zu erzeugen pflegt, so bleibt als massgebender Grundgedanke die Verknüpfung des Königthums mit eines Weibes Hand zurück. Wo ihr Besitz, da ist die Krone. Tydo tritt Tanaquil, die lydische Auffassung der römischen an die Seite. Trotz aller Abweichung in der äusseren Gestalt beider Mythen herrscht in den wesentlichen Zügen volle Uebereinstimmung. Wie zu Rom in dem Uebergang der Herrschaft von dem älteren Tarquin auf Mastarna der Sturz eines Geschlechts durch ein anderes nicht zu verkennen ist, so haben wir in der Geschichte Lydiens gleiche Feindschaft zwischen dem Hause der Herakliden und dem der Mermnaden, und hier wie dort knüpft der Uebergang der Königsgewalt an den Uebergang eines Weibes und den

1) Müller's Fragmenta historicorum graecorum 3, p. 384 f.

1a) Tovda, das Ptolem. Hephaestio Nov. Hist. p. 29 ed. Roulez im Accusativ nach jonischer Weise Toudoun schreibt.

2) Der Adler ist nach assyrisch-persischer Symbolik die Schutzgottheit der Könige. Xenophon, Anabasis I, 10. Nisroch, den Sanherib als seinen Patron verehrte, wird als Adler erklärt. Jesaia 37, 38. 2. Könige 19, 37.

Wechsel ihrer Gunst sich an. Wie Tanaquil, so ist Tydo des gestürzten Monarchen Gattin und zwischen beiden Frauen nur die für die Idee ganz unerhebliche Verschiedenheit vorhanden, dass die Lydierin dem Emporkömmling als Gemalin, die Etruscerin als Schwiegermutter verbunden wird. Ferner begegnen wir hier wie dort derselben Erhebung aus einer untergeordneten Lebensstellung zu der höchsten menschlichen Macht, demselben unerwarteten Glück, ja einer ganz ähnlichen Voranzeige dieses Glücksloses.

Ausser Nicolaus erzählen auch Herodot und Plato von Gyges und seinem ausserordentlichen Glückswechsel, und es lässt sich nicht bestreiten, dass auch ihre Darstellungen aus einheimischen Quellen, vermuthlich aus localen Volkstraditionen, geschöpft sind. Je verschiedener nun die uns hier vorliegenden Sagen unter sich sind, und je mehr beide von der Darstellung des Nicolaus abweichen, um so bemerkenswerther ist die völlige Uebereinstimmung Aller in dem Grundgedanken. Wir werden später mit beiden Wendungen uns genauer zu beschäftigen haben und berühren hier nur den leitenden Grundsatz ihrer Auffassung. In der Herodot❜schen Darstellung (I, 8-14) wird der Dynastieenwechsel von neuem an den Uebergang eines Weibes angeknüpft, ja dieser Gedanke durch die von der Frau ausgehende Aufforderung an Gyges, die That gegen den letzten Herakliden der hier den Heraklesnamen Kandaules führt 3) sowie durch die entsprechende völlig passive Haltung des wider seinen Willen dem Weibe hingegebenen Mannes, endlich durch die entscheidende Anrede: Ἐμέ τε καὶ τὴν βασιληίην ἔχε τῶν Λυδῶν noch kräftiger betont und namentlich die untergeordnete Stellung der beiden königlichen Tanaquilgünstlinge in dem Verhältniss des Mermnaden zu dem lydischen Königsweibe wieder ausgeprägt. Nach der Platonischen Darstellung 4) endlich erliegt die Königsgemalin der Verführung, die Gyges, der Hirte, mit Hilfe des wunderbaren Ringes zu vollführen weiss. Von neuem also knüpft sich der Thronwechsel an

--

3) Hesychius Κανδαύλας· Ἑρμῆς ἢ Ἡρακλῆς. Lycophr. Cass. 937. Phönizier I, 477. Als Eigenname erscheint Kandaules auch in Karien. VII, 98.

4) De republica II, p. 359. Siehe unten §. 34, N. 82.

Movers,

Herodot,

den Uebergang einer Frau, und ebenso tritt die durch ihre Gunst bewirkte Erhebung aus dem niedersten Stande mit grosser Bestimmtheit hervor.

Wir kennen nun die auf den Thronwechsel der Herakliden und Mermnaden bezüglichen Mythen. Aber die Geschichte beider Dynastieen enthält noch andere Sagen, welche derselben Anschauung huldigen. Wir finden bei Nicolaus 5) die Geschichte der Prätendentschaft des Spermus und in dieser ein der Tydo des Gyges ganz entsprechendes Königsweib. Damonno verräth ihren Gemal, den Herakliden Kadys, und reicht dem unternehmenden Spermus ihre Hand. Sie wird also gleich Tydo zweier Könige Gemalin. Später erliegt Spermus der Rache des Ardys, der, ein Bruder des Kadys, den Thron von neuem den Herakliden gewinnt. Die Vergeltung erreicht nur den Usurpator. Damonno, die erst Alles geleitet hatte, wird nicht weiter erwähnt. Sie erscheint gleich Tydo und Tanaquil als die unverantwortliche Geberin der höchsten Macht, die freudig erhebt und theilnahmlos den früheren Günstling einem glücklichen Nebenbuhler aufopfert.

Aus der Geschichte der Mermnaden heben wir folgende Erscheinungen hervor: Von Gyges, dem ersten derselben, erzählt Klearch im ersten Buche der Erotika bei Athenäus XIII, p. 573, der König habe eine Hetäre geliebt und zwar in solchem Grade, dass er ihr nicht nur zu Lebzeiten sich und sein Reich völlig übergab, sondern ihr auch, als sie starb, einen Grabhügel aufwerfen liess, so hoch, dass man ihn aus allen Theilen Lydiens innerhalb des Tmolus sehen konnte. Hieran schliesst sich die Erzählung Herodot's I, 93 von dem Grabmal des zweitletzten Mermnaden, des Crösusvaters Alyattes, an. Mit fünf phallusförmigen Säulen war es gekrönt, wie das am Wege von Albano noch erhaltene s. g. Grab des Aruns Tarquinius, und den grössten Theil der Arbeit hatten die lydischen Hetären verrichtet. Endlich wird von Crösus selbst berichtet, er habe das goldene Bild eines Weibes, drei Ellen hoch, nach Delphi gestiftet, zugleich damit das Halsband und den Gürtel seiner Gemahlin; die Delphier sagten, es

5) Fr. hist. gr. III, p. 380-382. Müller.

es sei das Bild seiner Bäckerin gewesen. So Herodot I, 57. Die Erzählung der Delphier giebt Plutarch, Cur Pythia c. 15, 16, genauer. Man erzähle nämlich die Sache so: Alyattes, Crösus' Vater, nahm eine zweite Gemalin und zeugte mit ihr noch einige Kinder. Die Stiefmutter stellte nun dem Crösus nach dem Leben, gab der Bäckerin Gift und befahl ihr, es unter das Brot zu mischen und dem Crösus davon vorzusetzen. Allein die Bäckerin entdeckte den Anschlag ihrem Herrn und gab das Gift nicht Crösus, sondern den Kindern der Stiefmutter. Dafür nun suchte der Gerettete, sobald er den Thron bestieg, sich jenem Weibe, gleichsam vor Apollo's Augen, dankbar zu erweisen, indem er ihr das genannte Bild errichten liess. - Eine vollständige Aufklärung werden diese Vorstellungen erst in dem weiteren Verlauf unserer Untersuchung finden. Hier genügt es, darauf aufmerksam zu machen, dass sie insgesammt auf der Annahme eines das Königthum verleihenden Weibes, mithin auf derselben Anschauung beruhen, welche den Mythen von der ersten Erhebung der Mermnaden zu Grunde liegt.

An letzter Stelle theilen wir den Mythus von der Begründung der Heraklidendynastie mit. Plutarch, Griechische Fragen c. 45, erzählt ihn also: „Warum trägt die Bildsäule des labrandäischen Zeus in Karien statt des Scepters oder Blitzes ein Beil in der Hand? Herakles hatte unter anderen Waffen der von ihm getödteten Hippolyte auch das Beil derselben erbeutet und es der Omphale als Geschenk überbracht. Die lydischen Könige, die auf die Omphale folgten, trugen dasselbe als ein besonders heiliges Zeichen, das immer vom Vater auf den Sohn forterbte, bis endlich Kandaules sich dessen schämte und das Beil einem seiner Freunde zu tragen gab. Als aber Gyges abgefallen war und mit ihm Krieg führte, kam Arselis von Mylasa mit einer Armee dem Gyges zu Hilfe, tödtete Kandaules und dessen Diener und brachte dann unter anderer Beute auch dieses Beil nach Karien. Darauf liess er eine Bildsäule des Zeus verfertigen, gab ihr das Beil in die Hand und nannte sie den labrandäischen Zeus, von Labrys, welches Wort bei den Lydiern ein Beil bedeutet."5a) Von den mannig

5a) Darauf geht der portus Herculis Labronis in Ligurien zurück.

« IndietroContinua »