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auch die charakteristischen Merkmale der asiatischen Königsfrau in Tanaquil sich wiederholen. Drei solcher Eigenschaften treten überall in den Vordergrund. Die Königsfrau der asiatischen Dynastieen wird ausnahmslos als Hetäre gedacht, ausnahmslos mit Herakles verbunden und endlich in ihrer buhlerischen Natur stets als Gebieterin des männlichen Genossen aufgefasst. Diese unter sich enge verbundenen Auszeichnungen leihen den Königsmythen ihr eigentliches unterscheidendes Gepräge und erstrecken ihren massgebenden Einfluss bis auf die Einzelheiten der Erzählung. Gehört nun Tanaquil in die Reihe der asiatischen Königsfrauen, so müssen dieselben Anschauungen in ihrer Sage sich wiederholen. Nur unter dieser Voraussetzung ist die Parallele eine vollkommene und der Beweis, dem sie dienen soll, gegen Einwürfe gesichert. Hier stösst unsere Untersuchung auf eine Schwierigkeit, gegen welche sie in dem ersten Theile nicht zu kämpfen hatte. Die römische Tradition hat nämlich die Idee des weiblichen Ursprungs der höchsten Gewalt unverändert aufgenommen, dagegen die Erscheinung Tanaquil's aller jener Züge entkleidet, mit welchen die orientalische Welt ihre thronverleihenden Frauen ausstattet. Ja das Ansehen, welches die hohe Gestalt der Königsgeschichte noch in der spätesten Zeit geniesst, ruht vorzugsweise auf dem Ruhme solcher Eigenschaften, welche der niedrig sinnlichen Auffassung des Orients verneinend und feindlich entgegentreten. Ist nun diese letzte Sagengestalt auch die erste und Tanaquil nie etwas Anderes gewesen, als was das entwickelte Römerthum in ihr erblickt, so fällt die Parallele, trotz aller Uebereinstimmung der grossen Umrisse, dahin und um unsern Beweis ist es geschehen. Man sieht also, dass die Arbeit des Forschers hier in eine neue Richtung gedrängt wird. Er ist genöthigt, das seiner Betrachtung unterworfene Denkmal von allen Zuthaten, mit welchen es die Jahrhunderte belasteten, zu befreien und das, was an ihm ursprünglich ist, von den später beliebten Aenderungen zu sondern. Bedenkt man nun, mit welcher Energie Rom alles seiner Sinnesart Entgegengesetzte verfolgt, mit wie viel Consequenz es auch das Fremdartigste sich assimilirt und allem von aussen Empfangenen das unauslöschliche Gepräge seiner Eigenart aufzudrticken weiss, so scheint jene Nachgrabung nach der Urform kaum einen Erfolg

zu versprechen. Dennoch fehlt es ihr weder an festen Ausgangspunkten noch an einem sichern Ergebnisse. So vollständig auch immer die Umgestaltung eines alten Monumentes nach neueren Ideen sein mag: niemals gelingt es, den Grundplan ganz unkenntlich zu machen und alle Ritzen und Lücken so auszufüllen, dass ein Einblick in die erste Anlage zur Unmöglichkeit wird. In einzelnen Theilen der Tanaquilsage geben sich die hetärischen Ideen und Gebräuche des Morgenlandes unzweideutig zu erkennen. Sie werden von dem Römerthum so viel wie immer möglich verdeckt, und im Sinn und Geschmack seiner eigenen entgegengesetzten Anschauung umgedeutet. Aber die Erklärungsversuche reichen nirgends aus und zeigen durch ihre Unzulänglichkeit, dass man aus einem neueren Standpunkte zu erläutern versuchte, was aus einem älteren, ganz verschiedenen Bildungsgesetze hervorgegangen war. Auf diesem Wege gelangen wir von der jüngsten Ideenreihe zu der älteren, von der national-römischen Tanaquil zu der ursprünglichen Gestalt des asiatischen Königsweibes, von dem Gegensatze zu der Uebereinstimmung zwischen Ost und West. Dieselbe Frau, die der späteren Zeit als Inbegriff aller matronalen Tugenden erscheint, ist von Hause aus eine Gefährtin der buhlerischen Königsweiber Asiens. Mit nicht geringerer Sicherheit ergiebt sich die Conjunction Tanaquil's mit Herakles. In der historischen Sage hat sie zwar keinen Ausdruck gefunden, wir müssten denn das Heraklidenthum des Demaratusgeschlechts mit in Anschlag bringen. Aber die Wahl des Heraklestempels auf dem Quirinal zur Aufstellung des wunderkräftigen Tanaquilbildes und zur Bewahrung seines weiblichen Geräthes erklärt sich aus dem Systeme der assyrischen Religion, welche die Trägerinnen und Verleiherinnen der Königsmacht überall als Heraklesgeliebte darstellt. Als das spätere Rom der ältesten orientalischen Gedankenwelt mehr und mehr sich entfremdete, ging ihm der Schlüssel für die Rechtfertigung dieser Zusammenstellung verloren. Aber auch unverstanden blieb die sacrale Tradition in Kraft, und an Nothbehelfen für ihre Erklärung mag es, trotzdem dass uns keiner derselben erhalten ist, hier so wenig gefehlt haben, als bei anderen Consequenzen der unklar gewordenen asiatischen Grundidee. Wenn an letzter Stelle die gynäkokratische Erhebung

des buhlerischen Weibes über den ihr beigeordneten Mann als sicheres Erkennungszeichen des orientalischen Gedankenkreises genannt worden ist, so fehlt dem ursprünglichen Tanaquilbilde auch in diesem Punkte das genaue Entsprechen nicht. Was in der späteren römischen Tradition von dem Gedanken weiblicher Macht und Selbstständigkeit noch übrig ist, erscheint nur als Rest älterer viel weitergehender gynäkokratischer Lebensformen. Tanaquil ist nicht nur innerhalb der Schranken des römischen Eherechts eine imperiosa coniux, wofür ihr Name bis in späteste Zeiten sprichwörtlich blieb; ihr ursprüngliches Verhältniss zu Herakles ist das der lydischen Omphale zu dem durch buhlerischen Sinnenreiz beherrschten und entwürdigten Mann. Dass das höhere Moralgefühl des Westlandes gegen keine Seite der orientalischen Weltund Lebensbetrachtung mit grösserem Ernst und mehrerer Entschiedenheit auftrat, dass ebenso der auf die Ausschliesslichkeit der väterlichen Gewalt gegründete Staatsgedanke Roms einer solchen Tanaquil keine Stelle unter den ehrwürdigen Erscheinungen der Vorzeit einräumen konnte, lässt sich aus der Sorgfalt erkennen, mit welcher alle auf die Omphaleidee gegründeten Züge des ursprünglichen Bildes übertüncht oder durch Erklärungen neueren Gepräges unkenntlich gemacht worden sind. Aber das durch die früheren Untersuchungen geübte Auge weiss auch hier die Grenzlinie zwischen dem Alten und Neuen leicht zu entdecken und jeder der beiden übereinander gelagerten Ideenschichten das zuzutheilen, was ihr gehört. Zum Leitfaden bei dieser Untersuchung haben wir nicht das Ansehen des Omphale-Herakles-Mythus in dem Heimathlande der Tanaquil gewählt, obwohl die Beliebtheit dieser Darstellung in Etrurien schon andere zu der lydischen Auswanderungssage zurückgeführt hat 1b); vielmehr knüpfen wir an die sabinische Zugehörigkeit des mit Tanaquil's Bild und Geräthe ausgestatteten Heraklestempels an, und suchen in den sabinischen Traditionen den Aufschluss über die älteste Bedeutung der Conjunction mit Herakles. Die Erwartung wird nicht getäuscht. Der ganze Kreis der orientalischen Ideen von einer machtverleihenden, hetärischen, den Mann zur Knechtschaft nöthigenden Königsfrau

Ib) Bulletino dell' Instituto di correspondenza archeologica 1844, p. 37. 41 ff. 141,

findet sich in den sabinischen Mythen reiner erhalten, als in den Sagen der römisch umgebildeten Tanaquil. Sabinisch sind die Traditionen von der machtertheilenden Tarpeia, von Herakles' Buhlschaft mit Larentia, von Flora's ähnlichem Verhältniss zu Mars-Herakles und der ersten Gründung ihrer hetärischen Festfeiern, und mit diesen Resten der orientalischen Tradition treten alle jene noch wenig beachteten, stets missverstandenen Sagenzüge, welche ein zum Amazonenthum gesteigertes gynäkokratisches Princip für die sabinische Familie unwiderleglich darthun, in die engste Verbindung. Beachten wir nun die Thatsache, dass den frühen Culturstufen ein Zwiespalt zwischen den Sätzen des Glaubens und den Principien des civilen Lebens noch durchaus fremd ist, so ergiebt sich, dass das Verhältniss Tanaquil's zu dem sabinischen Herakles nur als Unterordnung des Mannes unter die Frau, mithin nach der Idee der lydischen Conjunction Omphale-Herakles gedacht worden sein kann: ein Resultat, das wir durch die Erläuterung der mit Tanaquil zugleich im Heraklestempel aufbewahrten, später völlig umgedeuteten weiblichen Geräthestücke zur vollen Gewissheit erheben. So gelangt die Untersuchung zu dem Punkte, wo wir sagen können: die orientalische Königsfrau ist in Tanaquil mit Sicherheit erkannt. Denn nicht nur finden wir in ihrem Mythus die Grundidee der asiatischen Königssagen, die weibliche Machtverleihung, wieder, sondern es sind auch alle charakteristischen Kennzeichen der orientalischen Königsfrau, wie sie in der lydischen Omphale am deutlichsten vorliegt, für die älteste Tanaquilerscheinung nachgewiesen.

Dennoch beruhigen wir uns mit diesem doppelten Nachweise nicht. Es ist ein dritter Punkt übrig, der der Erledigung harrt. Jener Herakles, mit welchem Tanaquil in Conjunction gesetzt wird, muss dem assyrischen Belus-Herakles ebenso entsprechen, wie Tanaquil der assyrisch-lydischen Buhlerin, soll die Parallele nach allen Seiten hin unanfechtbar dastehen. Nun heisst der sabinische Tanaquilgenosse mit einheimischem, dem Heiligthum auf dem Quirinal stets gebliebenen Namen Semo Sancus Dius Fidius, und so formulirt sich die zunächst zu erörternde Frage dahin: ist die Gottheitsidee, welche die Sabiner, nach ihnen die Römer, mit Semo Sancus verbinden, derjenigen des assyrischen

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Belus-Herakles an die Seite zu stellen oder von ihr verschieden? In dem ersteren Falle erhält nicht nur die Identität der römischen Conjunction Tanaquil - Herakles mit der lydisch - assyrischen Omphale-Herakles oder mit entsprechenden Verbindungen ihre Bestätigung, sondern wir erreichen überdies die Gewissheit, dass ausser dieser einzelnen asiatischen Tradition das Ganze des orientalischen Herakles - Systems auf Italien überging; im zweiten sehen wir unsere frühere Beweisführung durch den begründeten Einwand, sie ruhe blos auf einer äusseren Namensübereinstimmung, nicht auf der sachlichen Identität des sabinischen und lydischen Gottes, entkräftet. Die grosse Sorgfalt, welche wir in den letzten Paragraphen der ersten Abtheilung auf dieses Stück vergleichender Religionsforschung verwenden, ist also durchaus gerechtfertigt. Man wird finden, dass die gewöhnliche Behandlungsweise mythologischer Stoffe hier, als durchaus unzureichend, völlig aufgegeben ist. Wir haben es nicht nur mit den Sachen und der möglichst vollständigen Sammlung der darauf bezüglichen alten Zeugnisse, sondern überdies und ganz vorzugsweise mit den Ideen und der Ideenvergleichung zu thun. Es handelt sich darum, erst für den assyrischen Herakles die Stelle aufzufinden, welche er in dem Systeme der Belus-Religion einnimmt, und die verschiedenen Stufen, auf welchen die reinste Heraklesidee in immer fortschreitendem Abfall von der ersten Auffassung zu der Annahme eines dem Sinnenreiz des Tellurismus erliegenden, von der Buhlerin geknechteten Helden herabsinkt, anschaulich zu machen; dann aber den erkannten Gedankenkreis mit dem des sabinischen Semo Sancus Dius Fidius zu vergleichen und diese Parallele so durchzuführen, dass eine directe und unvermittelte Abhängigkeit des sabinisch-römischen von dem assyrisch-phönizischen Gotte zur Gewissheit wird. Nirgends sieht sich die Fähigkeit, in ganz ungewohnte Gedankenkreise einzudringen, auf eine schwerere Probe gestellt. Nirgends aber auch wird die Mühe des Suchens durch ein reicheres Finden belohnt. Die dunkelsten Theile der italischen Religion erhalten ein Licht, das aus dem Standpunkte der hellenischen, durchaus abgeleiteten und in allen Stücken verkümmerten Heraklesidee sich nicht gewinnen lässt und auch bis heute nicht gewonnen

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