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welcher Verachtung die Geschichte über alle auf Reichthum, Kunst und Verfeinerung der Genüsse stolze Gemeinwesen hinwegschreitet, in einem Jahre die aphroditische Korinth, zweier Welten Vermittlerin, und die phönizische Carthago: sie alle zum Heil der Menschheit, deren Erhebung auf eine reinere Lebensstufe die schonungslose Vertilgung der älteren sensualistischen Civilisationen und aller ihrer commercieller und industrieller Hilfsquellen gebieterisch verlangt. Ihre verlassenen Stätten verkünden gleich den Ruinen des Euphrat- und Tigrislandes den Untergang eines verurtheilten Weltalters, manche von ihnen vor den Thoren Roms. Wir werden die Bedeutung der punischen Kriege nie vollständig würdigen, wenn wir sie nicht mit diesem grossen Geschichtsgange in Verbindung bringen. Im Westen sind Asiens letzte Kräfte zum Entscheidungskampfe angesammelt. Soll die europäische Menschheit dem orientalischen Lebensprincip von neuem und nun für immer verfallen? Das Hellenenthum, Asien benachbart, schneller und vollständiger von ihm losgerissen, aber in der einseitigen Verfolgung particulärer Interessen jedem grossen Nationalgedanken bald entfremdet,) mehr dem Glanze des Genius als der Grösse des Charakters huldigend, daher Alles auflösend, was es berührt, zuerst und am gründlichsten sich selbst: dieses Hellenenthum erscheint in seinen Heldenthaten und kühnen Unternehmungen gegen die Mächte des Orients wie jene Sieger der olympischen Spiele, die nach errungenem Jugendruhme schnell in Vergessenheit sinken. Seine Typen sind Achill, Alexander, Pyrrhus, welche gleich leuchtenden Meteoren an dem Horizonte der Weltgeschichte auf- und untertauchen. Griechenland beginnt das Werk, aber es zu vollenden fehlt ihm die Kraft, die sittliche, welche in der Geschichte Alles entscheidet. Makedoniens unverbrauchte Lebensfülle verwickelt in denselben Ruin die asiatische und die griechische Welt, bald auch sich selbst. Nicht Alexander, wie Lykophron, der Zeitgenosse des Pyrrhischen Krieges, glauben konnte (Kassandra 1439 ff.), sondern Rom hat den Jahrtausende alten Kampf, den Herodot als leitenden Gesichtspunkt seiner Geschichte zu Grunde legt, zum Abschluss gebracht, daher Rom, nicht

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Griechenland, die Uebertragung der Universalmonarchie von dem Osten auf den Westen, und damit die Geschichte der alten Welt vollendet. Was ist Marathon, was Salamis und Plataea gegen den Hannibalischen Krieg? Verschwindend klein gleich den kurzen Jahrzehnten der athenischen Macht neben römischer Ewigkeit. 10) Was bedeuten Agathokles' Kämpfe gegen Carthago in Vergleich mit den römischen? Dem Griechen schien die Unterjochung der phönizischen Stadt ein leichtes Unternehmen,11) und was hat er erreicht? Carthagos Vernichtung, dieser grösste Wendepunkt in den Geschicken der Menschheit, ist das Werk der unter Roms republikanischer Führung geeinten italischen Volkskraft und mehr als irgend eine andere That aus dem Innersten des abendländischen Geistes hervorgegangen. In dieser Zeit vollendet die Stadt recht eigentlich ihre geschichtliche Aufgabe. In dieser ist die Beerbung des Orients durch den Occident für immer entschieden.12) In derselben steht das siegreiche Geschlecht auf der Höhe seiner sittlichen Erscheinung. Ohne Bedauern sehen wir die Verluste an Kenntnissen und Erfahrungen jeder Art, welche die Welt durch den Untergang der Königin Afrikas erleidet; haben doch ihre den ganzen Erdtheil umspannenden Unternehmungen erst nach dem Ablauf von mehr denn anderthalbtausend Jahren eine späte

10) Appian. praef. 8-10.

11) Diodor. 20, 3. Bei dem Zuge der Athener gegen Syracus tritt das Verhalten der Griechen gegenüber Carthago in seiner ganzen Erbärmlichkeit hervor. Beide Theile bewerben sich in die Wette um die Gunst der Phönizier. Thukydides 6, 34. 88.

12) Praeterea intercessisse dixeram inter Babylonium regnum, quod ab Oriente fuerat, et Romanum, quod ab Occidente consurgens haereditati Orientis enutriebatur, Macedonicum Africanumque regnum, hoc est quasi a meridie ac septentrione brevibus vicibus partes tutoris curatorisque tenuisse. Orientis et Occidentis regnum Babylonium et Romanum iure vocitari, neminem umquam dubitasse scio. Macedonicum regnum sub septentrione esse cum ipsa coeli plaga, tum Alexandri magni arae positae usque ad nunc sub Riphaeis montibus docent. Carthaginem vero universae praecelluisse Africae, et non solum in Siciliam, Sardiniam ceterasque adjacentes insulas, sed etiam in Hispaniam regni terminos tetendisse, historiarum simul monumenta urbiumque declarant. Der weitere Gesichtskreis und die höhere Betrachtungsweise der Geschichte, zu welcher das Christenthum Männer wie Augustin erhob, offenbart sich in dieser Bemerkung seines Schülers Orosius. Wie die Erbeseinsetzung Roms durch asiatische Fürsten zu der Idee sich verhält, brauche ich nur anzudeuten.

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Wiederaufnahme gefunden: das Schauspiel des Triumphes, den das höhere Sittlichkeitsprincip der westeuropäischen Menschheit über Asiens niedrige Sinnlichkeit feiert, lässt alle jene Verarmungen vergessen. Inmitten des Entscheidungskampfes treten dem Volke seine asiatischen Ursprünge mit erneuter Lebendigkeit vor die Seele. Zur Rettung Italiens von dem Hannibalischen Geschwür wird der formlose Aërolith aus dem phrygischen Heimathlande berübergeholt. Rom, die Aphroditestadt, erschrickt ob der langen Vernachlässigung der Mutter und seiner ausschliesslichen Hingabe an das staatliche Princip des väterlichen Imperium. Virgil ist nicht der erste und nicht der einzige, der den punischen Krieg mit dem Aeneasmythus in die engste Verbindung bringt und das, was damals geschah, nur als Abschluss einer vor Jahrtausenden begonnenen Entwickelung darstellt. 13) So dachten schon die Zeitgenossen der Scipionen, 14) und wer heute richtig urtheilen will, muss gleich weite Zeiträume umspannen, weil der Gang der Geschichte stets auf grosse Fernen angelegt ist. Wir Menschen des neunzehnten Jahrhunderts, denen es meist genügt, wenn sie wissen, was sie essen und trinken, wie sich kleiden, wie sich vergnügen

13) Aeneis 10, 11-15; 4, 622 ff. Naevius bei Servius zu Aeneis 2, 797; 9, 715. Silius It. Punic. lib. 8.

14) Besonders beachtenswerth ist die gleichzeitige Kunstdarstellung einer Cista aus Praeneste, erläutert von Brunn in den Annali 1864, p. 356 ff. Sie bestätigt den genauen Anschluss Virgil's an die Volkstradition. Dasselbe beweist der zur Zeit der Schlacht von Cannae vorgebrachte Spruch der Marcier, Liv. 25, 12. Die erste politische Geltendmachung der Abkunft von Aeneas fällt in die Zeit des ersten punischen Krieges, als das Bündniss mit Segesta geschlossen wurde. Cicero in Verrem 4, 33, 72. Zonaras 8, 9. Besonders sprechend ist der Bericht des Servius zu Aen. 12, 841: constat bello punico secundo exoratam Junonem, tertio vero bello a Scipione etiam sacris quibasdam Romam esse translatam. 3, 438; 1, 284. Ovid F. 6, 141. Uebrigens darf nicht übersehen werden, dass das Weihgeschenk des Camillus, die goldene Schale, in dem Thesaurus der Massalioten zu Delphi niedergelegt wurde. Diodor 14, 93. Die gemeinsame Abstammung aus Kleinasien bestimmte die Wahl. In der Zeit des Krieges mit Pyrrhus behandelt Lykophron, der Zeitgenosse des Ptolemäus Philadelphus, des Aeneas Niederlassung in Italien. An eine spätere Einschiebung der Verse 1226-1281 kann keine vernünftige Kritik denken. Niebuhr, Historische Schriften I, 498 ff. Wenn Sulla, der Vertreter des alten patricischen Rom, das von Fimbria verwüstete Ilium sogleich wieder herstellt, so steht beider Männer Thun mit dem Glauben an Troias Bedeutung für Rom und dem politischen Gewicht, das man der Tradition beilegte, in Verbindung.

sollen, sind kaum im Stande die Gewalt zu ermessen, welche hohe Ziele einem ganzen Volke verleihen, noch weniger die Bedeutung zu würdigen, welche populäre Traditionen wie die Aeneassage für die Entwickelung der Volksgeschichte besitzen. Wir sehen in ihnen literarische Machwerke, betrachten sie als Gegenstände literarischer Streitfragen, halten sie für spät gedichtete Mährchen oder mythische Vorbildungen geschichtlicher Ereignisse: dem Alterthum sind sie Elemente der Kraft, und gleich unserer Tellsage auf die Gesinnung des Volkes und die Entwickelung seiner Geschichte von massgebendem Einfluss. Virgil's Gedicht ist dem Römer nur darum das beliebteste Volksbuch, weil er in ihm sich, seine Schicksale, seinen leitenden Volksgedanken wieder erkennt. Nach dem Kampfe mit Hannibal führt Rom nur noch auswärtige Kriege. Was Alexander's östliche, Carthago's westliche Eroberungen auf kurze Zeit gewissermassen mit Beschlag belegt hatten, wird dauernder Besitz der abendländischen Aeneaden. Der höhere Gedanke des Westens auferlegt sich überall kraft seiner inneren Macht, trotz der zunehmenden Corruption seines Trägers. Selbst in dem ungeheuern Waffengetümmel der bürgerlichen Kämpfe verbindet sich mit dem Parteizwecke stets die Weltfrage, ob Orient, ob Occident? Mit Pompeius, Brutus, Cassius, zumal mit Antonius erliegt dem Westen der Osten, mit ihrem Untergange vollendet sich Asiens Ruin. Nicht dem Buhlen der ägyptischen Cleopatra, so wenig als rüher Alexandern, dem die Sage eine ähnliche Begegnung mit der meroitischen Candace andichtet, sondern dem zweiten Besieger der orientalischen Königsfrau, dem neuen Orest,14a) der den Vatermord rächt, überliefert der Geschichtsgeist die Ordnung des Weltreichs, von dessen abendländischem Gedanken die heutige Bildung ihren Ausgang nimmt. Fremdartig und unverständlich stehen unserm Bewusstsein alle Kämpfer der orientalischen Welt entgegen. Wir fühlen die Kluft, welche Naturen wie Hannibal, Mithridat, Jugurtha von der unsern trennt. Aber in den Scipionen, Catonen, Juliern lebt europäischer Geist, den wir aufzu

14a) Nach Pausan. 2, 17, 3 stand vor dem Heratempel bei Mycen ein Bild des Orestes, dem man den Namen Augustus angeschrieben hatte. R. Rochette weiss den Grund nicht zu finden. Er ist klar. Sie rächen Beide des Vaters Mord.

nehmen vermögen, in ihren staatlichen und rechtlichen Schöpfungen ein Kern von Gedanken, dessen Aneignung uns noch heute möglich, meist Bedürfniss, nicht selten Trost ist. Rom hat etwas durchaus Neues in die Welt eingeführt. Mit Stolz durfte es auf die Ebene am Ida zurückblicken, denn in dem troischen Ursprung seiner ältesten Geschlechter lag kein Wahn. Aber nicht Troia, nicht das assyrische Heraklidenthum war am Tiberufer wieder erstanden, wie der Aeacide Pyrrhus sich zu überreden suchte,14b) vielmehr aus den Trümmern der Ostwelt der neue abendländische Staatsgedanke hervorgegangen. Verständnisslos urtheilten alle jene, welche dem grossen Julier die Absicht der Rückkehr nach dem Ausgangspunkte beilegten.14c) Wohl hatte die Wiege seines Geschlechts in Asien gestanden, aber aus dem Sohne der orientalischen Aphrodite war der Vollender und Herr des abendländischen Reiches geworden. Caesar ist vorzugsweise der occidentalische Held, 14") das von ihm gegründete kaiserliche Rom ganz auf das Abendland gebaut und daher durch zwei Jahrtausende mit ihm vereinigt geblieben. Nicht die abermalige Ueberlieferung der Menschheit an ein überwundenes Lebensprincip, sondern die Sicherstellung und Kräftigung des neuen gegen die mächtig vordringende, durch die Hellenisirung des Orients doppelt gefährliche Reaction der östlichen Gedankenwelt ist fortan die Aufgabe Roms. Durch seine Religionen sucht das Morgenland dem Abendland nochmals sein Joch aufzuerlegen. Welchen Siegeszug feiern nicht Asiens und Aegyptens Muttergottheiten.144) Bis in die entlegensten Theile der westlichen Reichshälfte wird der occidentalische Geist von diesem vorzugsweise weiblichen, vorzugsweise hetärischen Pantheon mit einer Macht ergriffen, welche die veräusserlichten Gestalten des griechischen Volkscultus nie auszuüben

14b) Pausan. 1, 12, 2 aus gleichzeitigen Schriftstellern.

14 c) Sueton. Caesar 79. Nicol. Damascen. Vita Caesaris in den Fr. h. gr. 3, p. 411.

14) Florus 1, 45: Asia Pompei manibus subacta reliqua, quae restabant in Europa, Fortuna in Caesarem transtulit.

14 d) Apuleii Met. 11 am Schluss. Cassius Dio 40, 47. Wie gerade der Isis- und Cybeledienst dem Christenthum am hartnäckigsten widerstand, ersehen wir aus dem neuentdeckten Spottgedicht auf Nicomachus Flavianus. Rossi, Bulletino di archeolegia Christiana, anno 6, p. 54.

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