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auf Verstand und Talent Anspruch machen, dürfte es wagen, ihnen Gehör zu schenken oder gar ein entscheidendes Gewicht beizulegen. Was man verlangt, ist der Beweis des Beweises, und für diesen nothwendiger Weise ein erhöhter Grad der Zuverlässigkeit. Da nun auf solchem Wege nicht weiter zu kommen ist, so sieht sich die Forschung auf die Denkmäler als einziges Mittel der Aufklärung verwiesen. Wer wollte auch läugnen, dass Schrift, Sprache, Bauwerke und die mannigfaltigen Schöpfungen der Kunst über Art und Herkunft eines Volkes manchen Aufschluss zu geben vermögen? Gehört doch das Verfahren durch Vergleichung auf allen Gebieten der Wissenschaft zu den erfolgreichsten Werkzeugen des menschlichen Geistes. Aber hier erheben sich neue Schwierigkeiten, theils solche, die aus dem erhaltenen Material, theils andere, die aus den Forderungen des Zeitgeistes entspringen. Was kann die Sprachvergleichung helfen, wo es an hinreichenden Monumenten fehlt? Was Etrurien uns bieten, so lange dessen wenig zahlreiche linguistische Reste dunkler sind als die des Euphrat- und Tigrislandes? Zwar stehen die Baudenkmäler und die übrigen Nachlassstücke, durch welche untergegangene Völker zu den späteren Zeiten reden, in weit grösserer Fülle unserer Prüfung zu Gebot, und bei ihnen giebt es weder eine Schwierigkeit der Entzifferung noch erhebliche Bedenken der Fälschung: aber den Anforderungen des Zeitgeistes genügen auch sie nicht. Weder der Nachweis eines unbestreitbar orientalischen Einflusses in der Wahl mancher mythischen Darstellungen, in zahlreichen Kunstformen, in Auffassung und Darstellung göttlicher Wesen, in den Massund Gewichtssystemen, noch die Autorität der geprüftesten, ausdauerndsten und unabhängigsten Beobachter der Originalwerke eines G. Conestabile, Noël des Vergers, J. de Witte, Micali in seiner späteren Zeit 1) hat bis heute dem Orientalismus Etruriens

1) Ich begnüge mich, J. de Witte's Worte hier mitzutheilen: Etudes sur les vases peints. Paris 1865, p. 51: L'origine lydienne des Etrusques est un fait admis par les archéologues les plus éminents, et qui semble aujourd'hui à l'abri de toute contestation sérieuse; les monuments sont d'accord avec les témoignages écrits et pour tout homme, qui a étudié ces questions, qui a l'habitude des ouvrages d'art anciens, il est évident que les monuments appartenant aux âges reculés, qui ont été découverts en Toscane ont été exécutés sous une influence directement asiatique

irgend einen Sieg über entgegengesetzte Geschichtssysteme oder erheblichen Einfluss auf unsere Studien zu erringen vermocht. Fehlt es den Verfechtern des Hellenismus an anderen Einwendungen, so gilt ihnen die gewöhnliche Beschränkung der akademischen Studien auf das Griechische als hinreichender Grund gegen die Statthaftigkeit ferner liegender Parallelen. 1a)

So sehen wir uns um diejenigen Prüfungsmittel betrogen, auf welche die weitestgehenden Hoffnungen sich bauen liessen. Mit dem Beweise einer orientalischen, vorgriechischen Culturperiode Italiens dürfte es daher nach der Meinung der Meisten recht schlecht bestellt sein. Denn wenn die directen Zeugnisse des Alterthums zu Gunsten ihrer Annahme von vornherein nicht geltend gemacht werden dürfen, die Sprachvergleichung kein Material zu ihren Experimenten besitzt und den Denkmälern keine überzeugende Beweiskraft zugestanden wird, so scheint jedes Mittel der Aufklärung erschöpft und die Wissenschaft verurtheilt, über den Cardinalpunkt der italischen Geschichte ewig in Ungewissheit zu bleiben.

Aber wie aus keiner unserer Geschichtsquellen trotz jahrhundertelanger Benutzung Alles gezogen worden ist, was sie enthält, so giebt es auch keine grundlegende Thatsache, deren Wahrheit oder Unwahrheit schon an allen uns zugänglichen Mitteln geprüft worden wäre. Ausser der Sprache und den Werken von Menschenhand bietet der vergleichenden Forschung noch eine dritte Klasse von Denkmälern, der Mythus, sich dar. Ja dieser ertheilt über die Frage des Culturzusammenhangs unter den einzelnen Völkern die reichsten und zugleich die zuverlässigsten Aufklärungen. Denn wenn auswandernde Stämme nicht selten mit der Heimath auch die Sprache wechseln oder in Folge schneller Racenmischung

1a) Das beste Beispiel für diese Hellenomanie liefert Brunn's Erläuterung eines zu Tarquinii gefundenen Reliefs, abgebildet in den Monumenti dell' Instituto 1860 tav. 46. Auf S. 481 heisst es: Invece d'andar a cercar delle analogie in regioni ben lontane ed in sistemi mitologici nemmen' essi troppo ben esplorati, faremo meglio attenendoci prima di tutto ai confronti di quell'arte, che coll' etrusca sin da remotissimi tempi ebbe una relazione non mai interotta, cioè la greca. Mit anderen Worten: geläufig ist uns nur das Griechische, und darum kann das ferne Asien keinen Einfluss auf Italien ausgeübt haben.

sie bis zur Unkenntlichkeit entstellen, wenn andererseits die Producte der Kunst und des Gewerbfleisses von den Einflüssen örtlicher und klimatischer Umstände in besonderem Grade abhängig sind, so ändert dagegen kein Volk mit den Sitzen auch seinen Gott, seine religiösen Grundanschauungen und seine überlieferten cultlichen Gebräuche. Der Mythus aber ist nichts Anderes, als die Darstellung der Volkserlebnisse im Lichte des religiösen Glaubens. Woraus der völlig sichere Schluss sich ergiebt, dass die Uebereinstimmung der Sagenidee und Sagenform für weitentlegene Länder einen Culturzusammenhang darthut, der seinerseits ohne eine Wanderung der Völker unerklärt bleiben würde.

Die unglaubliche Wuth, mit welcher Rom Etrurien vernichtet und alle Spuren seiner Gesittung vertilgt hat, ist nicht im Stande gewesen, uns jedes Denkmal solcher Art zu entziehen. Nach dem Untergange des Volkes, seiner gesammten Literatur, selbst seiner Sprache hat sich in der römischen Geschichte ein Stück der etruscischen erhalten. Während eines Jahrhunderts ist das später siegreiche Volk eine Dependenz des zuletzt besiegten. Drei gewaltige Fürsten etruscischer Abstammung schliessen die Reihe der römischen Könige. In ihrer Geschichte spiegelt sich das Bild des mächtigen Nachbarvolks, in ihren Mythen die ganze Gedankenwelt der Zeit.

Unter den Traditionen dieser Periode nimmt Tanaquil's Sagenkreis eine hervorragende Stelle ein. Er ist nicht nur mit der Geschichte des ersten Tarquinius, sondern inniger noch mit jener des Servius Tullius verwoben, bei der Erhebung des Superbus von neuem erwähnt und so über das ganze Jahrhundert der fremden Dynastie verbreitet. Nicht geringere Auszeichnung leiht ihm der Reichthum seiner inneren Entwickelung. Tanaquil's Bedeutung bleibt nicht auf die Thronbesteigung ihrer Schützlinge beschränkt, sie tritt auch in der Geburtssage des Königs Servius, also in einer ganz neuen Richtung hervor. Sie zeigt sich endlich in Grab- und Tempelbildern, in Attributen, Gebräuchen, religiösen und bürgerlichen Auszeichnungen, die das Verständniss ihres Ursprungs lange überdauern. Endlich bieten die Quellen der Analyse ein Material dar, wie es für die Ueberlieferungen der frühesten Zeit sonst kaum irgendwo zu Gebote steht.

Die bisherige Forschung ist an dieser reich ausgestatteten und wohl bezeugten Ueberlieferung theilnahmlos vorübergegangen. Ausschliesslich auf die ewig hoffnungslose Ermittelung der geschichtlichen Wahrheit gerichtet, konnte sie einem Stoffe, der durch Wundergeschichten und Unmöglichkeiten aller Art von dem Gebiete historischer Ereignisse sich ausschliesst, kein Interesse abgewinnen. Sie begnügte sich mit der Negation oder mit Stillschweigen. Aber durch die Verneinung der Geschichtlichkeit wird der Sage nicht jede Bedeutung entzogen. Was nicht geschehen sein kann, ist jedenfalls gedacht worden. An die Stelle der äusseren Wahrheit tritt also die innere. Statt der Thatsächlichkeiten finden wir Thaten des Geistes. Verdrängt aus dem Reiche der Geschichte wird die Ueberlieferung von Tanaquil ein Denkmal der Gedankenwelt. Dieses ideelle Moment ist das einzige, dessen wir zu unserer Beweisführung bedürfen. Nicht das Historische, sondern der Ideenkreis der Tradition bildet das Object unserer vergleichenden Forschung. Wo dieselbe Gedankenwelt eine entsprechende Ausdrucksweise hervorgebracht hat, da ist die Annahme einer engen Culturverbindung gerechtfertigt. Lässt sich überdies feststellen, welcher der analogen Mythenkreise der leitenden Grundvorstellung getreuer sich anschliesst, welcher hinwider weiter von ihr sich entfernt, so ist auch die Frage, welches Volk von dem andern empfangen habe, mit beantwortet. Eine Zeit, die der vergleichenden Sprachforschung die Entscheidung über Verwandtschaft und Verschiedenheit der Menschengeschlechter anvertraut, kann der Ideen- und Mythenvergleichung unmöglich geringere Beweiskraft beilegen.

Wir beschränken unsere Forschung auf ein einziges Denkmal. Die Sicherheit der Demonstration soll nicht durch die Zahl der Parallelen, sondern durch die erschöpfende Behandlung einer besonders hervorragenden erreicht werden. So viele Specialuntersuchungen das Inhaltsverzeichniss unseres Buches nachweist der Gedankenkreis der Tanaquilsage wird nirgends überschritten. Wir geben dem Leser in der folgenden Uebersicht zugleich die Geschichte unserer allmäligen Ideenentwickelung und die Darlegung des inneren Zusammenhangs, der alle einzelnen Theile der Beweisführung unter sich verbindet.

Als Tanaquil's merkwürdige Erscheinung unsere Aufmerksamkeit auf sich zog, blieben wir zunächst bei dem Sagenzuge stehen, welcher auch in der geschichtlichen Erzählung die erste Stelle einnimmt. Der ältere Tarquin verdankt seine Erhebung auf den römischen Königsthron der Beihilfe einer Frau. Dieselbe Erscheinung wiederholt sich, wenn auch unter anderer Ausdrucksform, bei der Nachfolge des Servius Tullius. Beidemale ist die Krone des Weibes Gabe; beidemale das Glücksloos unerwartet. Superbus endlich wird im Anschluss an dieselbe Idee durch die verbrecherische Tullia in den Besitz der höchsten Macht gesetzt, Tullia ihrerseits als Nachahmerin Tanaquil's dargestellt. Hier liegt also eine Grundanschauung, der weibliche Ursprung der höchsten Staatsgewalt, uns vor. Ist dies ein römischer Gedanke? Niemand wird es behaupten. Vielmehr giebt sich ein solcher Gegensatz zu den staatlichen Principien Roms zu erkennen, dass erst in der späteren Kaiserzeit mit dem Eindringen orientalischer Vorstellungen einige Analogieen sich entdecken lassen. Auch die hellenische Welt bietet keinen Anknüpfungspunkt dar. Dagegen strömen in der asiatischen Mythengeschichte die Parallelen in solcher Anzahl uns zu, dass ein Zusammenhang der römischen und der orientalischen Anschauungen sogleich sich auferlegt. Die Königssagen der asiatischen Dynastieen zeigen mehr als eine Tanaquil. So weit der assyrische Culturkreis reicht, so weit wird die Ertheilung der Krone als die That eines Weibes aufgefasst. Die drei Völker, auf welche die Ueberlieferung den Zusammenhang Italiens mit dem Orient vorzugsweise zurückführt, geben zugleich die beachtenswerthesten Parallelen. Sie nehmen in unserer Untersuchung billig die erste Stelle ein. Darauf folgen die Traditionen der Karer und Myser, Aramäer und Phönizier, Perser und Assyrer. In den mythischen Formen herrscht grosser Wechsel, die Idee bleibt stets dieselbe. Diese Uebereinstimmung so vieler Völker beweist, dass die Annahme eines weiblichen Ursprungs der Königsmacht zu den unterscheidenden Kennzeichen einer grossen geschlossenen Culturperiode gehört.

Die Grundlage für eine genauere, die Einzelheiten verfolgende Entwickelung der Parallelen ist jetzt gegeben. Die Gleichheit der allgemeinen Umrisse genügt uns nicht. Wir zeigen weiter, dass

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