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seine eigene künftige Pein im Fegfeuer durch einzelne åußerlich verrichtete Werke zu verkürzen, enthält eine solche Verwirrung und ein solches Verschwundensein des Vertrauens auf die heiligende Kraft der im Glauben ergriffenen Gnade Jesu Christi, daß man hierin den äußersten Punkt erkennen kann, bis zu welchem auch bessere Seelen durch die Irrthü mer des Hierarchismus verdunkelt werden können.

Zweites Kapitel.

Vom Eåsareopapismus.

§. 1.

Der Casareopapismus ist der Irrthum, nach wel= chem die obrigkeitliche Einheit des Staats auf eine die innere Lebendigkeit der christlichen Kirche beeinträchtigende Weise im Kirchenwesen geltend gemacht wird.

Der Casareopapismus ist die andere Form des Theokratismus, welche dem Hierarchismus gegenübersteht. In demselben Maaße als die Unchristlichkeit und Verderblichkeit des hierarchistischen Prinzips empfunden wird, ohne daß deshalb der theokratistische Trieb, vermittelst göttlichen Ansehns die Kirche überwiegend äußerlich zu regieren, aufgehoben ist, entwickelt sich die Neigung, die Kirche vermittelst des obrigkeitlichen Ansehns blos geseßlich zu leiten. Derselbe Geist der Herrschsucht, insofern er die hierarchistische Form hat aufgeben müssen, flüchtet sich in den Cåsareopapismus, und bildet, im unklaren Zusammenhange mit wahren Gedanken und geschichtlichen Verhältnissen, sich zu einem mehr oder minder auch theoretisch festgehaltenen Irrthum aus.

Nicht jede Vereinigung der Kirchenleitung mit der Staatsregierung ist Casareopapismus. Eine innige Befreundung der Kirche und des Staats, eine Zusammenwirkung und sittliche Durchbringung derselben zum Zwecke der christlichen Entwikkelung des Volks und der Menschheit liegt vielmehr in dem Wesen nicht nur des Protestantismus, sondern der christlichen Religion. Obwohl die Einheit der Kirche und des Staats niemals eine absolute sein kann, weil beide ursprünglich nicht aus derselben Idee entsprungen sind (die Kirche nåmlich gar nicht ursprünglich aus der Idee, sondern aus der Thatsache der Mittheilung des Geistes Christi an die durch das Wort Berufenen), und weil in dem Zeitpunkte der Vollendung und Verklärung die Kirche noch und ewig sein wird, als der absolut verklärte Leib Christi, der menschliche Staat aber gar nicht mehr sein wird: so ist sie doch eine wahre in der Liebe, von welcher auch die Idee des christlichen Staats nothwendig anerkannt und gepflegt wird, und vermöge deren beide zur Vollendung des menschlichen Lebens in verschiedenen Gebieten und auf verschiedene Weise hinstre ben. Deshalb ist eine absolute Selbstunterscheidung und Trennung der Kirche vom Staate, gesezt auch, es wäre möglich unter dieser Voraussetzung das Emporkommen des Hierarchismus zu vermeiden, weder christlich noch möglich, weil auf diese Weise die Kirche sich nicht nur die Mittel ihres Gedeihens entziehen würde, die die christliche Gesinnung des Staats ihr darreichen möchte, sondern auch ihre Aufgabe, den Organismus des Staats mit christlichen. Lebenskräften zu erfüllen, verkennen würde. Da die Kirche in ihrer lebendigen Bewegung nothwendig zugleich sich äußerlich darstellt, und alles gemeinsame Aeußerliche in irgend einem Maaße unter die ethische Idee des Rechts und also in das Gebiet des Staats fållt: so müssen, die Idee des christlichen Staats vorausgeseßt, die lehten Fåden, mit welchen die Eristenz der Kirche an das nazionale und empirische Dasein ihrer Glieder in einem bestimmten Volke geknüpft

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ist, nothwendiger Weise in der obrigkeitlichen Einheit des Staats, also in einem monarchischen Staate in dem Fürsten, zusammenlaufen. Der Fürst repråsentirt also nicht die Einheit der Kirche (wie der Papst nach dem Hierarchismus fie repräsentiren soll), sondern die Einheit des Staats und der Kirche, insofern es eine solche giebt. Und hieraus sieht man schon, in welchem allgemeinen, nicht eigentlich kirchlichen, jedoch darum nicht unwahren, Sinne der Fürst der oberste Bischof der Kirche seines Landes genannt werden könne, nåmlich eben nur der Kirche, insofern sie eine in's Aeußerlichrechtlich fallende Existenz in seinem Lande hat, und oberfter Bischof eben und durchaus nicht anders als insofern hiedurch ein oberster Aufseher über dieses Wechselverhältniß bezeichnet wird *). Vermittelst dieser Beziehungen der Kirche zum Staate giebt es auch ein Kirchenrecht, welches gerade das Erscheinungsgebiet der Kirche in der auße ren rechtlichen Ordnung der Dinge umfaßt, während es bei der freilich blos gedachten, aber nie wirklichen absoluten Trennung der Kirche vom Staate (wenn jene nicht selbst wieder Staat, Kirchenstaat sein will, wie nach dem Hierarchis mus) eben so wenig, als für irgend eine Sekte, ein Kirchenrecht geben kann, sondern nur eine Gemeinordnung.

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Mit einer solchen durch die Liebe gegebenen und auch äußerlich sich darstellenden Einheit der Kirche und des Staats begnügt sich aber der Cåsareopapismus nicht; oder vielmehr,

*) Vgl. über diesen Gegenstand die sehr anregende Abhandlung von Marheineke: Bauer Zeitschrift für spekulative Theologie. 1. B. 1. H. 1886 Ueber christliche Kirchenverfassung. Vermag ich zwar nicht nach allen Seiten hin dem Verfasser beizustimmen: so erscheint mir doch das gerade von seinem Standpunkte aus besonders wichtig und erfreulich, daß der Unterschied der Kirche vom Staate eben so klar als die Einheit hervorgehoben ist, und wohl eben deshalb von absoluter Einheit nicht mehr die Rede ist.

er erkennt sie so wenig, daß er auf das seiner Natur nach geistige und tiefe Verhältniß, dessen Behandlung eine lebendige, von heller Freude an dem Dasein und göttlichen Ursprunge der Kirche durchdrungene Hinrichtung des Blicks auf die Momente der hier Statt findenden Wechselwirkung - fordert, eine derbe polizeilich -juristische Hand legt, sich zu= trauend und anmaaßend, das Gesammtleben der Kirche im Wesentlichen so zu leiten, wie er jede andere Abtheilung des Staates leitet. Der Cåsareopapismus beruht auf dem Gedanken, daß das Eigenthümliche und Innere der Kirche zwar einer gewissen Achtung werth sei, aber so wenig Recht und Macht habe, äußerlich zu werden, sich einen sichtbaren Leib anzubilden, und denselben von diesem Inneren aus zu beseelen und zu regieren, daß vielmehr alles Aeußere, was die Kirche zu ihrer nun einmal nicht ganz geistigen Existenz nöthig habe, ein Zugeständniß des Staats sei, welches er vorzugsweise in der Voraussetzung mache, daß es ihm wieder nüglich sei, weswegen er sich denn auch die Leitung desselben ausschließlich vorbehalte. Insofern jenes Innere, was der Cåsareopapismus achten zu müssen glaubt, Recht habe, meint er, habe es keine Macht, es sei ein Geistiges, das gar nicht Leib werden könne. Insofern es Macht habe und Trieb, etwas zu sein und zu wirken in der Welt, habe es, so meint er, gar kein Recht, da gebe es für den Staat keine andere Marime, als zu hemmen, zu erschweren, zu begrgwohnen, und, soweit es doch nicht umgangen werden könne, es unter seine Verwaltung zu nehmen, damit auf diefem Wege diejenige Gleichförmigkeit des Kirchenwesens mit den übrigen Zweigen des Staatsorganismus erzielt werde, welche unter dem Namen der Kirche als eine Uebungsanstalt für die dem Staate dienenden moralischreligiösen Anlagen des Menschen angesehen werden müsse.

Das Unwahre und Unchristliche dieser Ansicht liegt in der Vorstellung, daß das Unsichtbare und Innere des christlichen Lebens weder Recht noch Macht habe, wirklich Kirche,

reale, auch sichtbare, Leibliches an sich nehmende Gemeinschaft der gläubigen Glieder Christi zu sein, daß dieses Innere sich schwächlich-geistig abfinden lasse mit Empfindungen und Gedanken, daß aber die Gläubigen und Bekenner Christi, sobald sie etwas Aeußerliches vollziehen wollen, sei es auch nur ihre sichtbare und leiblich vermittelte Aufeinanderwirkung, sogleich anzusehen seien als solche, die auf verbotenen Wegen gehen, oder die kindischträumend nicht recht wissen, was sie thun. Für die eigentlich innerlich belebten Menschen, meint der Cåsareopapismus, sei das Aeußere und Leibliche gar kein Bedürfniß, für die Anderen sei es zwar ein Be dürfniß, aber eines, was sie selbst sowenig verstehen, daß der Staat allein, nach seiner höheren Volkskenntniß, ihnen die Befriedigung desselben ertheilen und abmessen könne, so daß sie selbst gar nichts damit zu thun haben. Diese Vorstellung, hinter welcher sich nur schwankend und verschwim mend eine Achtung vor der christlichen Lehre erhalten kann, beruht auf dem Grundirrthume, daß das Leben der Kirche, als des lebendigen Leibes Christi, ein blos unsichtbares sei, daß zu diesem Leben nicht auch die lebendigen Personen und ihr vom Geiste Christi angeregter Trieb, ihre Gemeinschaft zu unterhalten und zu erweitern, sich einander zu erbauen. und zu fördern im christlichen Leben, gehören. Die Ansicht von der Unleiblichkeit der Kirche, der Unfähigkeit ihrer Glieder, ein geordnetes äußeres Zusammensein hervorzubringen, und die überspannte Vorstellung vom Staate, als müsse er alles Erscheinende innerhalb seines äußeren Gebiets sogleich durch gesetzliche Verwaltung von seinem Standpunkte mit sich affimiliren: das sind die Wurzeln des Cäsareopas pismus.

Aber die Kirche ist der Leib Christi, die Gemeinschaft der Gläubigen, welche ihrer Natur nach vom wirklichen äußeren Leben sich nicht absondert, sondern dasselbe von ihrem Prinzipe aus durchdringt, und es zu einem eigenthümlichen Organe ihrer Selbstentwickelung, ihrer Weiterbauung

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