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schreitende Wechselwirkung beider Zweige der philosophischen Theologie vorausgesetzt wird. Die Polemik seht die Begriffe und Säße der Apologetik voraus; aber die Apologetik kann nicht vollkommen werden, wenn sie nicht durch die Polemik sich über die Natur und den Umfang des kirchlichen Irrthums, zu ihrer eigenen Selbstreinigung, hat belehren lassen. Denn alle Theologie, also auch die Apologetik, ist in der Kirche. Das Streben der Kirche, sich vom Irrthum wissenschaftlich frei zu machen und frei zu erhalten, wendet sich also zunächst auf die Apologetik zurück, sodann aber vorwärts auf das ganze Gebiet der theologischen Diszipli nen, deren Bearbeitung auch eine kirchliche Thätigkeit im weiteren Sinne des Wortes ist.

Ist nun hierdurch der Unterschied der Polemik von der Apologetik wohl hinreichend klar gemacht: so möchte sich doch ein Einwurf gegen die Bestimmung der Polemik, eine eigne Disziplin zu sein, von daher erheben, daß man die systematische Theologie, namentlich die Dogmatik, ansåhe als diejenige theologische Disziplin, in welcher beide, Apologetik und Polemik, schon nothwendig mit enthalten seien. Dieser Gedanke, welcher von der neueren spekulativen Schule in dem Maaße für richtig gehalten wird, daß auch alle abgesonderte Behandlung der Apologetik für unnüt erklärt wird, muß widerlegt werden, wenn nicht die ganze Bearbeitung der Polemik als unnüt erscheinen soll. Die Art, wie er sich zu rechtfertigen sucht, ist diese. Die Wahrheit des Christenthums entfaltet sich vollständig und allein in der Darstellung seines Begriffs. Der Begriff derselben ist allein erst seine Wahrheit, welche in der Geschichte nur vorläufig, unentwickelt und abstrakt existirt, und erst in der spekulativen Theologie (und alle Dogmatik soll dies sein) zum vollen geistigen Leben kommt. Daher kann weder die Wahrheit des Christenthums in einer vorzugsweise die historischen Entstehungsformen und die Machterweisungen desselben darstellenden Apologetik besonders entwickelt werden, noch bedarf

es einer besonderen Aufweisung des Irrthums, da der Irrthum als ein durch die volle Entwickelung des dogmatischspekulativen Begriffs stufenweise überwundenes Moment hier schon auf seine Weise vorkommt, aber auch vollständig überwunden wird.

Wenn in dieser Ansicht blos behauptet würde, daß die vollständigste Erkenntniß des kirchlichen Irrthums in seiner dogmatischen Scheinform erst auf dem Boden der Dogmatik selbst gewonnen werde: so wåre dagegen nichts einzuwenden, es wäre dies aber auch nichts anderes als die in der gesammten Theologie anzuerkennende Wechselwirkung der Disziplinen, vermöge deren die Dogmatik auf die polemische Erkenntniß zurückwirkt, und natürlich um so bedeutsamer zurückwirkt, als die Dogmatik in innigster Zusammenfassung des religiösen und des spekulativen Elements den Mittelpunkt der gesammten Theologie bildet. Da aber die Behauptung die ist, daß die Wahrheit des Glaubens nur in der Idee sei, welche durch irgend ein Historisches zeitlichvergånglich repråsentirt und symbolisirt wird: so wird verkannt, daß der christliche Glaube wesentlich auf ein Objekt geht, das nicht blos Idee ist, sondern historisch konkretes, göttlich-rea les Leben, und welches eben deshalb niemals auch nicht in der vollkommensten Entwickelung des Begriffs aufgeht, wie dies allerdings von der Idee behauptet werden muß. Desz halb kann der Irrthum, welcher der kirchlichen Auffassung dieses Objekts anhaftet, auch nicht allein durch die Entwikkelung des aus dem Idealen des Objekts sich entfaltenden Begriffs erkannt werden, sondern nur zugleich durch die nicht schlechthin begriffliche, sondern zugleich das Lebendige des Objekts unmittelbar anerkennende, historisch anschauende und beurtheilende Thätigkeit des Geistes, und gerade diese ist es, welche, mit Zurückbeziehung auf die Prinzipien der Apologetit, die christliche Polemik hervorruft. So lange also das jenige Apologetische, welches einen schlechthin göttlichen Mittelpunkt der Weltgeschichte im Christenthum, als welcher

nicht gleichartig ist mit der übrigen weltgeschichtlichen Entwickelung, annimmt, nicht vollständig fiegreich umgestoßen ist: so lange wird die Pråtension der Dogmatik, eigentlich allein Theologie, also auch Apologetik und Polemik, zu sein, nichts als eine Pråtension bleiben *); oder mit anderen Worten: so lange nicht erwiesen ist, daß der historische Kern des Christenthums bloße vergångliche Form desselben ist: solange wird die absolute Auflösung der Theologie in Philosophie ein Unrecht und ein Fehler bleiben.

Aus der Bestimmung des Gegenstandes der Polemik als des kirchlichen Irrthums geht auch hervor, daß die åltere Auffassung des Begriffs der Polemik, nach welcher sie die Wissenschaft der theologischen Kontroversien ist, zu enge war **). Denn der Begriff der theologischen Kontroversien bezieht sich auf theologische Verhandlung dogmatischer Punkte, und daher rührt auch die enge Anschließung der älteren wissenschaftlichen Polemik an die Dogmatik, als wäre sie nur ein Anhang von dieser. Aber der theologische Irrthum hat seinen tieferen Grund in dem kirchlichen, und nur, wenn dieser erkannt ist, ist jener erst methodisch entwurzelt. Es

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*) und so erscheint sie bei Rosenkranz in der Encyclopädie S. 365. Auch Tholuck, obwohl gar nicht auf gleichem Standpunkte mit jenem Verfasser, billigt, ohne, die Gründe zu erörtern, diese wissenschaftliche Aufgebung der Apologetik (Glaubwürdigkeit der evangelischen Geschichte S. VIII). **) Gruner institut, theol. pol. Proleg. §. 2. Hanc igitur scientiam, vel, si, mavis, disciplinam interpretamur, quae rationem controversiarum theologicarum, inter nominis christiani sectas maxime vigentium, declarat. Miller comp. theolog. polem. Proleg. S1. Polemica theologia definitur scientia controversiarum de rebus theologicis ita tractandarum, ut veritas defendatur, errores vero illi oppositi refutentur. Schubert institution. theol. polem. dissertat. prooemialis. Significamus hac voce scientiam, controversias fidei explicandi, errores theologicos refutandi, et de illorum pondere ac momento iudicandi.ANUS

kommt theologisch nicht blos darauf an, den Irrthum zu erkennen, wie er sich in Gestalt theologisch - dogmatischer Disputazionen zu halten sucht, sondern wie er im Gesammtleben der Kirche als solcher da ist und schadet. Das Theologische ist immer erst das Zweite, gewisse obere Regionen der Kirche Ergreifende. Schon ohne daß er theologisch wird und ehe er es wird, (und das Tiefste des Irrthums entzieht sich dem Theologischwerden) bedingt der Irrthum die unreinen Gestalten des gesammten kirchlichen Lebens, und gerade in diesen Quellpunkten seiner Wirkung muß er erkannt werden, wenn diese Erkenntniß ein organischer Theil der Theologie sein soll. Hieraus ergiebt sich, daß es nicht nur eine Einseitigkeit war, die moralischen Kontroversien nicht eben so, wie die dogmatischen, in die Polemik aufzunehmen, sondern daß der ganze systematisch theologische Gesichtspunkt der ålteren Polemik dieselbe theils so mit dialektischer Form ausstatten, theils so mit historischem Stoff überladen mußte, daß ihre Auflösung in Dogmatik und Dogmengeschichte unvermeidlich war. Alle Erneuerung der Polemik muß also damit anfangen, sie von der Dogmatik loszureißen, dieser Alles zu überlassen, was sich auf die Gestaltung einzelner loci bezieht, die der systematischen Theologie angehören, denn hier gilt der Grundsaß, daß nur diejenige Begründung eines Sahes eine tüchtige ist, die durch sich selbst die Versuche, den Sah zu leugnen, schlägt. Sich selbst aber muß die Polemik streng auf demjenigen ethisch-theologischen Gebiet halten, in welchem das allgemeine Sein der Menschheit und der Kirche in ihrer Wechselwirkung zur Anschauung kommt.

Jezt kann auch der Ungrund des Urtheils erkannt wer den, welches man in mehren neueren Schriften findet, daß die Begründung der Symbolik, wie sie vorzüglich durch Pland und Marheineke zu Stande gekommen, eine Erneuerung der Polemik sei*). Sie kann es nicht sein, da es in

*) Ståudlin, Geschichte der theolog. Wissensch. Th. 2. S. 512.

der Symbolik nicht auf Widerlegung des Irrthums als solchen, sondern auf Zusammenstellung der kirchlichen Lehrbegriffe ankommt. Nicht das Irrige des einen oder des anderen soll in der Symbolik dargestellt werden, sondern der Zusammenhang des Einzelnen mit dem Ganzen und das Verhältniß zum Ganzen der kirchlichen Lehrgestaltung. Wenn das Resultat dieser Zusammenstellung auch eine Erkenntniß der einem jeden der dargestellten Lehrbegriffe einwohnenden Mångel und Irrthümer darreicht: so ist dies eine Rückwirkung auf die Polemik, welche diese zu nußen hat, wodurch sie aber nicht ersetzt ist. Der Schein der Identität der Symbolik mit dem Wesen der alten Polemik beruht nur darauf, daß diese wirklich sehr vielen reinsymbolischen Stoff aufzu= nehmen pflegte, weil sie selbst noch nicht zur vollen Einsicht ihres Unterschiedes von der Symbolik gekommen war *). Immer aber wollte sie doch den Irrthum als solchen zum Gegenstande haben, eben deshalb kann sie nur erneuert wer den in einer Disziplin, welche dieses auch will.

§. 2.

Die Quellen der christlichen Polemik sind die kanonischen Schriften, die Religionsphilosophie und die Geschichte der christlichen Völker.

Daß die heilige Schrift als die Einheit der kanonischen Schriften des Alten und Neuen Testaments als erste Quelle der Polemik angegeben wird, wie es doch nicht auf dieselbige Weise bei der Apologetik geschehen darf, hat einen formalen und einen materialen Grund. Der formale liegt darin, daß die heilige Schrift erst am Schlusse der Apolo

*) Wie Buddeus z. B. eine symbolische Darstellung ausdrücklich als Aufgabe der Polemik stellt. Abhandl. von der rechten Art die polem. Gottesgel. vorzutragen §. 25.

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