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Es verlohnt sich kaum der mühe, anderen quellen des verfertigers unseres stuhles, der aufser der bibel, dem Freidank und Cato, dessen Disticha von den um 1400 sich über Niederdeutschland ausbreitenden brüderschaften des gemeinsamen lebens beim unterricht gebraucht wurden, 1 wahrscheinlich noch das eine oder das andere sentenzenbüchlein benutzt hat, weiter nachzuspüren; deshalb lassen wir auch die sprüche nr 13. 16. 24. 25. 27 b. 28 a. 29. 30 a. 31. 33 a. 35 unerörtert, um einige allgemeinere bemerkungen über die litterarische und künstlerische richtung, die sich in unserem ratsstuhl verkörpert, zu machen.

Wie sich die kenntnis der römischen und patristischen litteratur bei Niederdeutschlands geschichtschreibern und dichtern ausbreitete, das ist von mir aao. und von HASchumacher Über die älteste geschichte des domkapitels (Brem. jahrb. 1, 87 ff. 129 ff) bereits besprochen worden. schon Columban hatte die lecture der alten poeten, wie die der ersten kirchenväter empfohlen und sich auf die autorität Juvenals zur stütze evangelischer maximen berufen (Scherer Deutsche litteraturgesch. s. 37). Freidank hat aufser der bibel und den kirchenvätern Catos Disticha und lateinische autoren benutzt, wenn er sie auch nicht nennt, vgl. Bezzenbergers ausgabe s. 37 ff, ebenso seine zeitgenossen Thomasin von Zirklære und Wernher von Elmendorf der v. 21 sich noch entschuldigen zu müssen glaubt dass er sich auf die heiden bezieht. auch der Renner befolgt dieselbe weise. die aus dem 15 jh. stammende spruchsammlung Germ. 2, 140 ff, das aus brabantischer quelle um 1400 geflossene niedersächsische Laiendoctrinal (hg. von Scheller), eine niederdeutsche überarbeitung der Catonischen Distichen (Zarncke s. 154 ff), die niederdeutsche spruchsammlung in einem Oldenburger gebetbuch (Lübben Mittheilungen aus niederdeutschen handschriften s. 1) 2 beziehen sich

1 Seelmann Gerhard von Minden s. XLVII.

2 in dieser auch wol

der wende des 14 jhs. zum 15 angehörigen schrift tut SThomas den ausspruch: wy zint hyr vromde geste,

unde tymmeren grote veste,

my heft wunder, dat wi nicht muren,

dar wi ewich moten duren.

diesen spruch kennt auch Philander von Sittewald Gesichte, Strafsburg 1665, 2, 158. als hausspruch ist er durch ganz Deutschland und, wie es scheint, schon seit alters beliebt. in Celle kommt er als solcher schon 1675 vor (Zs. des histor. vereins für Niedersachsen 1859 s. 89) und

auf fast dieselben reihen antiker und patristischer gewährsmänner, wie unser ratsstuhl, die erste und die zuletzt genannte beuten auch gleich ihm besonders stark Freidank aus. des gleichzeitigen Johannes Rothe, stadtschreibers von Eisenach, autorenkreis, den er in seinen rechtsbüchern, seinem Ritterspiegel und seiner Ratszucht vorführt, ist noch umfassender, wie denn bei ihm Chrysostomus, Origines, Beda, Cassiodorus, Anshelmus, Hugo von SVictor, Albertus magnus, Alfocius, Avicenna und andere seltener erwähnte schriftsteller paradieren. auch unser ratsstuhl führt einige weniger bekannte personen an, wie Alanus, Vulcanus, der doch wol in den auch von Catos Distichen und Wernher von Elmendorf empfohlenen Lucanus zu ändern ist, und andere, über die im Brem. jahrb. 1, 86ff von mir das nötige angegeben ist. auffälliger ist Primas, der, von JGrimm bekanntlich im anhang der Colmarer annalen (MG SS 17, 233) nachgewiesen und im Primasso des Decamerone (1, 17) wider erkannt, uns seitdem durch die mitteilungen des Anzeigers für kunde d. d. vorzeit 1871 s. 305. 343. 373 und 1872 s. 285 und des Jahrbuchs f. roman. und engl. litteratur 6, 223 weiter aufgeklärt ist.

Der eben erwähnte Johannes Rothe muss noch aus einem anderen grunde hier herangezogen werden. der frühere eingang der oberen rathaushalle zu Bremen nämlich war mit einer steintafel v. j. 1491 (Denkmale 1 tafel m) geschmückt, auf der zwölf regierungsregeln in lateinischen leoninischen hexametern standen, beginnend:

Urbis si fueris rector, duodena notabis:

Unum fac populum, communem respice fructum usw. sie sind übersetzt aus den Weisen regeln für stadtobrigkeiten v. j. 1456, die sich in einem alten stadtbuch der meklenburgischen stadt Ribnitz finden und folgender mafsen anfangen:

Bistu Stad Reghementesmann,
Twelf Artikel see merklik an:
Eyndracht mak den Borgern dyn,

Meyne best schalt erste syn usw.

2

diese regeln scheinen in einem noch nicht näher erkennbaren zusammenhang mit dem mittleren teil der Rotheschen Ratszucht

ich habe ihn auch an einem älteren hause des salzburgischen ortes Lofer gesehen. 1 Ritterspiegel hg. von Bartsch einl. s. 35. 36. Bech Germania 6, 68 ff. 73. 280. 2 Brem. jahrb. 1, 72. 73.

zu stehen, der denselben zweck hat, den ratmannen weise lehren zu geben und sonderbarer weise in deutschen leoninischen hexametern abgefasst ist, beginnend mit:

Rátisman bis stête, tû gerne des frumin bete. 1

Die kosten all der scheingelehrsamkeit hat, wie ersichtlich, aufser der bibel, dem Cato und dem volkssprichwort, vor allen Freidank zu bestreiten, dem dafür gleichsam zum lohne andrerseits wider allerhand aussprüche zugewiesen werden, die er nie getan hat. der jüngere Spervogel beginnt bereits Freidanks plünderung 2 und WGrimm hat in seiner zweiten ausgabe s. xiff und 115 ff eine reihe von späteren benutzern angegeben. hierzu muss man nun auch noch den Bremer ratsstuhl und das Oldenburger gebetbuch stellen, welche beide Freidanksche sprüche beliebigen anderen personen zuerteilen. auch Gerhard von Minden hat von ihm profitiert, 3 und übersehen scheint bisher dass auch des Tanhausers Hofzucht, die v. 201 nur einen Freidankschen ausdruck citiert, gleich darauf ihre verse 213-216 der stelle der Bescheidenh. 15, 15-18 mit leiser änderung entnommen hat. dass Freidank gerade auch als prediger der gerechtigkeit jahrhunderte hindurch angesehen und angerufen wurde, davon legt noch sehr spät ein vorkommnis des jahres 1523 zeugnis ab. acht gefangene des erzherzogs Ferdinand von Österreich liefsen acht sprüche Freidanks über fürstliche weisheit, gerechtigkeit und dankbarkeit in ihrem kerker ankleben. 4 endlich muss ich widerholen dass die von WGrimm in der 2 ausgabe als D bezeichnete papierhandschrift der Bescheidenheit sich nicht, wie auch noch nach Grimm wider Bezzenberger s. 49 behauptet, in Minden, sondern jedesfalls seit etwa einem halben jahrhundert auf der stadtbibliothek zu Bremen befindet.

Der Bremer ratstuhl bietet der betrachtung aber noch eine andere seite dar. so dürftig seine ausstattung vom litterarischen standpunct aus erscheint, so bedeutsam ist sein künstlerischer plan, der uns daran erinnert dass um diese zeit auch die rathäuser, wie die christlichen gotteshäuser schon seit einem jahrtausend, nach sinnvoller anlage und bildnerischem schmuck streben. dabei musten diese nun das weltliche element stärker zur geltung 2 Paul - Braune Beiträge 2, 428 ff. WSeelmann s. XXIX. 4 Anzeiger für

1 Germ. 6, 282. 7,359. 3 Gerhard von Minden hg. von kunde d. d. vorzeit 1876 s. 366.

bringen. allerdings hat auch die kirchliche kunst nie völlig irgend welcher antiker beimischung und beihilfe entraten können. in den ältesten katakomben erscheint bekanntlich Christus als Orpheus dargestellt, wie andrerseits kaiser Alexander Severus nach Ael. Lampridius Alexander Severus c. 28 in seinem lararium die durch weisheit und heiligkeit berühmten männer der verschiedenen völker und religionen neben einander aufgestellt hatte, Apollonius von Tyana, Christus, 1 Abraham, Orpheus und Alexander. an den kanzeln, chorstühlen und portalen der romanischen und gotischen kirchen werden tugenden und laster, wissenschaften und künste in allegorien antiken aussehens verkörpert. die tote allegorie führt merkwürdiger weise das drama wie die bildende kunst von den lebendigen heiligen figuren zu den lebendigen weltlichen figuren hinüber, wie die schmetterlingslarve zwischen zwei lebensformen vermittelt. das osterspiel vom antichrist aus dem 12 jh. bedient sich eines aus allegorien (Kirche, Synagoge, Heidentum) und weltlichen figuren zb. Kaiser gemischten personals; in dem jüngeren Scheirer rhythmus von der erlösung (Zs. 23, 176 ff) drängen sich um Christus philosophen des altertums, berühmte ketzer und personificierte tugenden. so finden wir in der bildenden kunst die gleichen vorgänge, wie zb. die darstellung der kirchlichen lehre in der spanischen kapelle der SMaria novella zu Florenz um 1350 bezeugt. auf der untern hälfte des bildes thronen auf prächtigen chorstühlen 14 weibliche allegorische gestalten, aber zu ihrem füfsen sitzen ebenso viele männliche, die geschichtlichen träger der in der allegorie vorgeführten tätigkeit, Donatus, Cicero, Aristoteles, Tubalkain, Ptolemäus, Euklid, Pythagoras, Augustinus, Hieronymus (?), Johannes Damascenus (?), ein par andere heilige, Clemens v und Justinian. auf dem oberen teil des bildes zu beiden seiten des hl. Thomas von Aquino einerseits Hiob, David, Paulus, Marcus, Johannes, andrerseits Matthäus, Lucas, Moses, Jesaias und Salomon. 2 ungefähr um dieselbe zeit hatte Ambrogio Lorenzetti, 'der erste, an den die aufgabe herangetreten war, wesentlich politische gedanken und begriffe in eine grofse cyklische composition zu fassen, den leitenden grundgedanken seiner berühmten darstellung des guten regiments im öffentlichen palast zu Siena (1337-1339) 1 WGrimm Die sage vom ursprung der Christusbilder (1843) s. 34. 2 Hettner Ital. studien s. 110 ff.

an die typische allegorie der christlichen tugenden geknüpft, der weltlichen und der geistlichen'. aber erst Taddeo Bartoli stellte in der vorhalle der von ihm gemalten kapelle desselben palastes (1414) unter die allegorischen gestalten der Magnanimitas und der Fortitudo personen der altrömischen geschichte. Filarete war bereits 'tactlos genug, an den erztüren der Peterskirche (1439 bis 1445) mitten unter die gestalten Christi und der madonna, Petri und Pauli.. Mars und Roma, Zeus und Ganymed, Leda und den schwan zu setzen.'1 diese mischung des christlichen und antiken, und die einführung profangeschichtlicher gröfsen hat die deutsche bildende kunst ebenfalls im 14 jh. und noch freier und umfassender und, wie es scheint, ip seinen rathäusern auch früher, vorgenommen, als die italienische. am schönen brunnen von Nürnberg, 1385-1396 von Heinrich dem Palier verfertigt, 2 stehen auf der untersten stufe die 7 kurfürsten und die 9 frommsten helden der christlichen, jüdischen und heidnischen zeit: Gottfried von Bouillon, Klodwig von Frankreich, Karl der grofse; Judas Makkabaeus, Josua, David; Caesar, Alexander, Hektor. 3 die zweite stufe ist von Moses und den 7 propheten besetzt. welcher art die von Freidankschen sprüchen umschriebenen bilder auf mehr als 30 scheiben des Erfurter rathauses gewesen sind, kann ich nicht entscheiden, da mir die beiden sie betreffenden von WGrimm Freidank2 s. x angegebenen abhandlungen nicht zur verfügung stehen. WGrimm spricht von blofsen brustbildern, während Preller Röm. myth. s. 251 ein edles frauenbild, eine art von Fides, darunter erwähnt, woraus man eher auf volle, aber blofs allegorische figuren schliefsen möchte. der Bremer ratsstuhl endlich ist uns vor allem auch durch seine künstlerische anordnung, durch die gruppenbildung bemerkenswert. allerdings ist die anordnung der aufsensitze weniger gut geraten. es treten uns hier zunächst 4 minder bedeutende männner, wie Vulcanus (Lucanus?), Macer, Macrobius, Secundus (vgl. Zs. 22, 399) entgegen, Fridank, Primas, Julius (doch wol Caesar) und Tobias geben diesem kreis den character einer sehr gemischten gesell

1 Hettner aao. s. 159 ff. 73.

2 Anzeiger für kunde d. d. vorzeit 1866 s. 181. 3 bei Liebrecht - Dunlop s. 476 wird auch diese neue tafelrunde der neuf preux auf bretonischen ursprung zurückgeführt. vgl. Ingolds Goldnes spiel hg. von ESchröder s. 30. Koppmann in der Zs. des Vereins für hamburg. gesch. 7, 47 ff.

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