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Philosophisch-philologische Classe.

Nachtrag zur Sitzung vom 7. Mai 1892.

Vortrag des Herrn Krumbacher:

Studien zu den Legenden des hl. Theodosios."

I.

Die Ueberlieferung.

Das Leben des hl. Theodosios aus Mogarissos in Kappadokien, des Begründers eines der berühmtesten Palästinaklöster († 11. Januar 529), ist von zwei jüngeren Zeitgenossen beschrieben worden, von dem rhetorisch gebildeten Bischof von Petrae, Theodoros, und von dem biederen, schlichten Kyrillos aus Skythopolis in Galiläa, von dem wir auch andere Heiligenleben besitzen. Diese beiden Lebensbeschreibungen bezw. die erste derselben haben uns folgende sieben Handschriften aufbewahrt:

1. Der Codex Parisinus Graecus 513, ein aus 334 Pergamentblättern bestehender Band in gross Quart, der nach H. Omonts und meiner Schätzung im Anfang oder in der Mitte des 10. Jahrhunderts geschrieben ist. Er enthält fol. 170-211r das Leben des hl. Theodosios von Theodoros; das Werkchen des Kyrillos fehlt.

2. Der Codex Parisinus Graecus 1449, ein aus 292 Pergamentblättern bestehender Band in gross Quart, der

nach H. Omonts, L. Cohns und meiner Schätzung im 10. Jahrhundert geschrieben ist. Er enthält fol. 172 - 210r das Leben des hl. Theodosios von Theodoros; doch sind zwischen fol. 172 und 173 vier Blätter ausgefallen; fol. 172 schliesst mit is owingías ed. Usener 3, 13 und fol. 173r τῆς σωτηρίας beginnt mit σθητήρια ed. Usener 13, 15. Das Werkchen des Kyrillos fehlt auch hier.

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3. Der Codex Vaticanus Graecus 1589, ein aus 304 Pergamentblättern bestehender Band in klein Quart, der wahrscheinlich im 10. Jahrhundert geschrieben ist. Er enthält fol. 70-93r die Schrift des Theodoros und fol. 93r bis 95 die des Kyrillos. In paläographischer Hinsicht bietet der Codex viel Merkwürdiges. In Schrift und Format von den Parisern und der Florentiner Handschrift ganz abweichend, gehört er offenbar einer eigenen kalligraphischen Schule an. Er ist von drei Kopisten geschrieben. Der erste, von welchem der weitaus grösste Teil des Codex stammt, hat sich abwechselnd in einer sehr flüssigen Majuskel und in einer eckigen von rechts nach links geneigten Minuskel versucht; die erstere Schrift verwandte er für den Index und die darauf folgenden Stücke fol. 1-16 (Excerpt aus Dionysios Areopag., aus Gregor. v. Nazianz, Leben des hl. Baripsabas, Leben des hl. Arsenios), für die Ueberschriften und für die Texte von fol. 210-215. Der zweite Kopist, der mit dem ersten öfter abwechselt und z. B. fol. 70 ff. erscheint, schreibt die gewöhnliche rundliche Minuskel des 10.-11. Jahrhunderts. Der dritte, dessen Thätigkeit von fol. 216 bis zum Schluss reicht, schreibt eine gewöhnliche, aber ziemlich ungeübte und rohe Minuskel.

4. Der Codex Laurentianus (in Florenz) Pluteus XI 9, ein aus 312 Pergamentblättern bestehender Band in gross Quart, wohl im Anfang des 11. Jahrhunderts geschrieben. Er enthält fol. 147-162 die Schrift des Theodoros, fol. 162-163 die des Kyrillos.

5. Der Codex Patmiacus 273, ein aus 207 Pergamentblättern bestehender Band, im 11. Jahrhundert geschrieben. Er enthält nur die Schrift des Theodoros. S.

Πατμιακή βιβλιοθήκη etc. ὑπὸ Ἰω. Σακκελίωνος, Αθήνησιν

1890 S. 141.

6. Der Codex Barberinus Graecus (in Rom) IV 74, eine aus 241 Blättern bestehende Papierhandschrift, wohl aus dem Anfang des 17. Jahrhunderts. Sie enthält fol. 1г bis 57 die Schrift des Theodoros, fol. 57-62r die des Kyrillos.

7. Der Codex Taurinensis Graecus 116. c. V. 7. nach der Zählung des Katalogs von Pasini (S. 218), jetzt mit B. III. 31 bezeichnet, eine aus 442 Blättern bestehende Papierhandschrift des 16. Jahrhunderts. Sie enthält fol. 155 bis 180 eine Biographie des hl. Theodosios, die, wie man aus dem gedruckten Kataloge ersehen kann, mit den Worten "Hdiotov μèv ag beginnt, also weder mit Theodoros, noch mit Kyrillos, sondern mit der massenhaft überlieferten Redaktion des Symeon Metaphrastes übereinstimmt. Eine genauere Untersuchung ergab aber die merkwürdige Thatsache, dass hier nach dem Schlusse der Redaktion des Symeon fol. 179-179" noch die Schlusspartie aus der Schrift des Theodoros von den Worten an Δότε μοι τὸν νοῦν (S. 96, 17 ed. Usener) angefügt ist.

Wahrscheinlich kommt zu diesen 7 Handschriften noch als 8. Der Codex Patmiacus 245, ein aus 216 Pergamentblättern bestehender Band, im Jahre 1057 geschrieben. Denn aus der Notiz von Sakkelion in dem oben angeführten Katalog S. 123 ist zu vermuten, dass dieser Codex eine ähnliche Sammlung enthalte wie die 2 Pariser Hss. Genauere Aufschlüsse über diese Hs und eine Kollation des Codex Patmiacus 273 hoffe ich demnächst aus Patmos zu erhalten.

Vor zwei Jahren hat H. Usener die zwei Lebensbeschreibungen des hl. Theodosios aus dem Codex Laurentianus XI 9 hervorgezogen und zuerst in zwei Universitätsschriften 1), dann nach einer erneuten genauen Kollation, durch welche jeder noch übrige Zweifel über die Lesung der übrigens sehr deutlich geschriebenen und aussergewöhnlich gut erhaltenen Handschrift gehoben wurde, mit einer litterarhistorischen Einleitung und erklärenden Anmerkungen in einem hübschen Büchlein veröffentlicht, das er dem Gymnasium zu Weilburg zur Feier seines dreihundertjährigen Bestehens widmete.") Der Text der beiden Biographien ist durch wiederholte Vergleichung der Abschrift und der Druckbogen mit dem Codex und durch die sorgfältigste Kritik bis zu einem Grade von Sauberkeit gebracht, der meines Wissens bis jetzt bei keinem zweiten Werke derselben Litteraturgattung erreicht worden ist. Ein anderer Vorzug der Ausgabe ist es, dass durch eine orientierende Einleitung und einen reichlichen Kommentar das Verständnis der Erzählung, die sowohl sprachlich als inhaltlich grosse Schwierigkeiten bietet, erschlossen wird.

Es war mir eine Freude, an der Hand dieser Ausgabe mich in die noch wenig bekannte Welt der Palästinaklöster zurückzuversetzen. Was das Studium gelehrter Abhandlungen über Kirchengeschichte und Dogmenstreitigkeiten nicht zu geben vermag, wird dem Leser dieser ehrwürdigen Klosterbücher reichlich zu teil. Er wird allmählig vertraut mit den frommen und charakterfesten Weltüberwindern jener merkwürdigen Jahrhunderte, die vom heidnischen Altertum zum christlichen Mittelalter hinüberleiten; er fühlt sich an ein Gebiet gefesselt, das den Philologen gemeinhin als wüstes

1) Einladung zur Geburtstagsfeier des Königs 1890 und Index lectionum für das Sommersemester 1890, Bonn 1890.

2) Der heilige Theodosios. Schriften des Theodoros und Kyrillos, herausgeg. von Hermann Usener, Leipzig, Teubner 1890.

Steppenland galt und selbst bei den Theologen nicht beliebt war. Auch die sprachliche Form dieser Texte gibt zu mannigfachen Beobachtungen Anlass, die für die philologische Methodik und für die griechische Sprachgeschichte von Wichtigkeit sind.

Nachdem so meine Teilnahme an den Texten einmal wachgerufen war, versäumte ich keine Gelegenheit, in den Bibliotheken, welche ich auf einer im vergangenen Jahre ausgeführten Studienreise besuchte, stets auch auf das Leben des hl. Theodosios zu achten. Meine Bemühungen wurden reichlich belohnt. Ich fand vier neue Handschriften, die H. Usener entgangen waren; der Freundlichkeit des Herrn P. J. van den Gheyn S. I. in Brüssel hatte ich den Hinweis auf eine fünfte unbekannt gebliebene Handschrift, den Codex Vaticanus 1589, zu danken. Endlich fand ich in dem Kataloge, durch welchen der treffliche Sakkelion die Schätze der uralten Klosterbücherei von Patmos uns bekannt gemacht hat, eine Notiz über eine sechste Handschrift. Das peinliche Gefühl, das einem gewissenhaften Herausgeber die unvermutete Entdeckung neuer Handschriften bereitet, wird in unserem Falle reichlich aufgewogen durch die überraschende Bestätigung, welche die angewandte textkritische Methode durch den Zuwachs an neuen Documenten erhält: Eine Anzahl von Useners Emendationen wird durch die neuen Handschriften bekräftigt; Lücken, die er im cod. Laurentianus richtig erkannt hatte, sind in den neuen Handschriften thatsächlich ausgefüllt; öfter wird wenigstens die Beobachtung einer Korruptel, wenn auch nicht die Weise ihrer Heilung, durch die neuen Zeugnisse bestätigt; zuweilen werden auch Korrekturen und Vermutungen als unzutreffend erwiesen. So kann an der angewandten Methode gleichsam die Probe gemacht werden, eine Genugthuung, die einem Herausgeber heutigen Tages nur mehr selten zu teil wird. In diesem Sinne hat die Entdeckung der neuen Handschriften nicht

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