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Wir sind am Ziel. Seit die Macht des römischen Staates in einer Hand vereint war, hatte das Jus pomerii seine eigentliche Bedeutung verloren. Lange Jahrhunderte hindurch hatte man zuerst mit sakralen, dann mit rechtlichen Gründen Gesetz und Waffen getrennt, das Haupt des Staates vor physischer Gewalt geschützt, die Macht unter die Leitung der Weisheit gebeugt, ein achtunggebietendes Zeichen politischer Energie und sittlichen Ernstes. Jetzt lag der stolze Bau in Trümmern; wiederum wie zur alten Königszeit hing es von dem Erwägen eines Einzelnen ab, wieweit bürgerliche Freiheit bestehen sollte, nur war jetzt die sakrale Garantie aus der Welt verschwunden.

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Aber wie es nicht selten geschieht, dass beim Absterben die kleinen Aeusserlichkeiten deutlicher hervortreten und vom Machthaber das am meisten ausgezeichnet, was am wenigsten geachtet wird, so ist das auch hier der Fall gewesen seit das Jus pomerii seine praktische Bedeutung eingebüsst hatte, begannen die Kaiser mit Eifer das Pomerium selbst zu vergrössern, als ob die lokale Ausdehnung den Mangel an Gehalt ersetzen könne. In zahlreichen Fällen wird uns jetzt von einem proferre, promovere, augere, ampliare pomerium berichtet, als ob die Prinzipes es als eine ihrer ersten Aufgaben angesehen hätten, die Wehr des freien Bürgerthums zu stärken und den Unsterblichen durch Vergrösserung des Templum ehrenden Dank darzubringen. Aber die Schriftsteller befinden sich mit ihren Angaben häufig in so entschiedenem Widerspruch, dass es kaum möglich ist, sich über die einzelnen Fälle eine

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bestimmte Ansicht zu bilden. Wir wollen dieselben prüfen, um das Bild abzuschliessen.

Von Cäsar berichten Dio und Gellius, 2 dass er Sullas Beispiel folgend, das Pomerium vorgeschoben habe; Tacitus 3 dagegen erklärt, nur Sulla und Augustus hätten es gethan, und Seneca 4 stimmt damit insofern überein, als er Sulla als den letzten bezeichnet, der das Pomerium vorgeschoben habe. Man nimmt meistens an, dass die letztere Ansicht die richtige sei. 5 Cäsar trug sich bekanntlich mit dem Plan, das Marsfeld zu städtischen Bauplätzen zu verwenden und Jordan 6 meint, dies sei im Sinn spätrer Vorgänge als Erweiterung des Pomerium erklärt worden; das scheint mir nicht möglich, weil es einerseits an spätern Vorgängen in dieser Richtung gebricht und weil es andrerseits nach Cicero 8 nicht wohl zweifelhaft sein kann, dass Cäsar seine Pläne mittelst einer „lex" durchzuführen beabsichtigte, was mit dem jus proferendi pomerii sich nicht vereinigen liesse. Der Widerspruch der Schriftsteller lässt sich m. Er. nicht beseitigen.

Nicht günstiger ist das Ergebniss hinsichtlich der von Augustus angeblich vollzogenen Vorschiebung. Tacitus 1. c., Dio 55, 6 und Vopiscus, Aurelian 21 melden sie, aber da das Monumentum Ancyranum schweigt,

1 43, 50. 44, 49. πωμήριον ἐπὶ πλεῖον ἐπεξήγαγε.

2 13, 4, 4.

3 Annal. 12, 23.

4 de brevitate vitae. Dialog. 10, 13, 8.

5 Mommsen 2, 717, 1.

6 Topogr. 1, 299.

7321, 20 meint Jordan, man habe Cäsars Erweiterung nicht als rechtsgültig gelten lassen (?). Drumann 3, 645 spricht davon, dass Cäsar ermächtigt worden.

8 ad Att. 13, 33, 4.

so nimmt man h. z. T. an, dass jene Schriftsteller im Irrthum seien und vielleicht des Augustus RegionenEintheilung oder eine Termination des Pomerium 2 damit verwechselten.

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Vopiscus, Aurelian 21, nennt ohne weitere Unterstützung Nero und Trajan. Sichere Nachrichten haben wir dagegen über Claudius. 3 Gellius meldet, gestützt auf die Autorität des Grammatiker Elys, dass dieser Kaiser das Pomerium um den Aventin gelegt habe, und drei erhaltene Cippi sagen „Pomerium amplia.it termina ditque." 4 Vespasian erhielt in seiner lex de imperio daher die Clausel „utique ei fines Pomerii proferre promovere, cum ex republica censebit esse, liceat, ita uti licuit Ti. Claudio Caesari Aug. Germanico“, 5 dem Princeps legibus solutus wird die voraussetzungslose Vorschiebung des Pomerium noch ausdrücklich gestattet. Ein zwischen Monte Testaccio und Porta Paolo gefundener Cippus sagt, dass Vespasian und Titus „Pomerium ampliaverunt terminaveruntque“. Von Hadrian endlich wissen wir durch einen Stein, dass er ,,terminos pomerii restituendos curavit,"7 schob das Pomerium also nicht vor.

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er

Unter diesen Massregeln hebt sich die des Kaisers

1 Jordan 1, 323. Henzen, Bulletino 1857 nimmt dagegen an, dass Augustus das Pomerium vorschob.

2 Mommsen, 2, 1024.

3 Tacitus, Ann. 12, 23. Gellius 13, 14, 7. Henzen, Bulletino 1857, S. 14 hält es freilich nicht für sichere Auskunft. 4 C. I. L. 6, 1, 1231. Jordan 1, 326

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5 Puchta, Instit. 1, 381 versteht dies von Augustus, Tiberius und Claudius. So auch Padelletti, röm. Rechtsgesch. (Holtzendorff). S. 209.

6 C. I. L. 6, 1, 1232. Jordan 1, 325.

7 C. I. L. 6, 1, 1233.

Claudius durch bestimmt erkennbaren Inhalt heraus: er legte das Pomerium um den Aventin. Jordan 1 meint, dass die Figur dieses neuen, von der Mauer losgerissenen Pomerium sich auffallend der quadratischen Form nähere und es daher einleuchte, dass der Kaiser das Stadttemplum habe wieder herstellen wollen und dazu durch den auguralen Satz von der Untrennbarkeit der Mauer und des Pomerium bewogen sei. Für diese Sätze, die unter sich im Widerspruch stehen, finde ich keinen Anhalt. Ich glaube der Kaiser fand das weltliche, militärische Pomerium rings um Roms Mauern, also auch um den Aventin herum, vor (wenn anders wir Livius und Varro folgen wollen), und seiner pedantischen Grübelei war es peinlich, das alte sakrale Pomerium den Aventin ausschliessen zu sehen, daher legte er das sakrale Pomerium zu dem weltlichen. Die Inschrift der Steine aber deutet an, dass er dabei zugleich über die Grenze des weltlichen Pomerium um Etwas hinausging, da er sonst für seine Massregel kaum den Ausdruck „ampliare" gebraucht haben würde.

Alle übrigen Vorschiebungen werden mit denselben oder ähnlichen Ausdrücken bezeichnet, welche Ausdrücke aber durch die lex imperii Vespasiani dem „proferre promovere" augenscheinlich gleichgestellt werden. Die einzelnen Prinzipes schaffen nicht neue Pomerien, sondern sie vergrössern um mehr oder minder grosse Stücke das bisherige Pomerium. Das ist nicht ohne Wichtigkeit, denn daraus könnte es sich erklären, dass uns wohl überliefert ist, dass Jeder das Recht habe, das Pomerium vorzuschieben, der dem römischen Staat

1 Topographie 1, 285. 333. 324,

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„ager Italicus" hinzugefügt habe, und dass es doch an Nachrichten aus früherer Zeit über solches „proferre“ völlig gebricht und wir nur von Servius und Sulla hören, deren Massregeln sich durch Ausdehnung auszeichneten. Es könnte durch die Zeiten der Republik hindurch ein im Einzelnen unbedeutendes „ampliare pomerium" erfolgt sein, welches erklären würde, dass wir die Ländereien am Capitolin schliesslich ganz in den Händen der Priesterschaft finden. Und so könnte auch für die Zeiten des Prinzipats verständlich werden, dass man dieses „ampliare" gelegentlich für so wenig wichtig hielt, dass man selbst es nicht der Mühe werth fand, dessen ausdrücklich zu gedenken. 2

Auf jeden Fall beschränkten sich die Vergrösserungen der Prinzipes darauf, dem Pomerium der servianischen Mauer etwas hinzuzufügen. Da schon zu Livius Zeit von innen die Häuser an die Mauer stiessen, wir ausserdem früher sahen, dass an der innern Seite des Pomerium sich eine Vorschiebung nicht bewerkstelligen liess, so kann nicht wohl ein Zweifel sein, dass diese Vergrösserungen sich an die äussere Seite ansetzten, was ja auch die Fundorte der erhaltenen Steine bestätigen. Für die Binnentheoretiker, die das Zeugniss des Livius ihrer Theorie zu Liebe verwerfen, bietet dieser Stand der Dinge ein nur gewaltsam zu lösendes Problem. Jordan 3 nimmt an, Claudius habe das bis dahin hinter der Mauer befindliche Pomerium auf die

1 Cicero, de rep. 2. 15. Gellius 13, 14, Seneca, de brev. vitae 13, 8.

2 Das Schweigen des Monumentum Ancyranum liesse sich so erklären.

3 Topographie 1, 323.

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