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„Liebste Eltern! ich habe der Zeit so reif, als ,,möglich nachgedacht, und so gut ich konnte, andächtig zu Gott im heiligsten Namen Jesu um Ers leuchtung geflehet, und immer mehr Trieb, und ,,Neigung zum Studieren empfunden. Ich bitte als so abermals um gütigste Gewährung meines Wuns ,,sches, studieren zu dürfen." Mann! hub nun die Mutter an, weißt du was, geh du mit ihm zu unserm lieben Herrn Pfarrer, und frage ihn um Rath! der weiß auf Alles den rechten Bescheid zu geben. Gesagt, gethan! Vater und Sohn giengen zum Herrn Pfarrer und trugen ihm Alles vor, mit der Bitte um weisen Rath.

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4. Der Pfarrer, deffen Lieblings-Gedanke schon lange war, dieser talentvolle, fleißige Knabe möchte ein musterhafter Student werden, sagte dem Vater: Wenn euer Sohn eine so große Lust und Neigung zum Studieren hat, so gebet euch darein und laffet ihn in Gottes Namen studieren; denn er hat Laz lente dazu. Den Sohn aber redete er also an Hast du es wohl und lang überlegt? Hast du Gott inbrünstig um Erleuchtung dazu angerufen? und ist es dein ernstlicher, fest entschlossener Wille? Ja, rief dieser freudig auf, und bat den Herrn Pfarrer, die Hand küßend, ihn gütigst in Unterricht anzunehmen. Das will ich thun, mein Lieber! sprach der Pfarza rer, du kannst zuerst einige Jahre bei mir studieren, und dich unterdessen stets reifer besinnen, ehe du weiter kömmst, und anfångst, deinen Eltern besons dere Kosten zu machen.

Der Vater ward darüber einverstanden; die Mutter wurde es auch, und wer war froher, als der Sohn? Dankend zuerst Gott von ganzem Herzen, dann auch seinen Eltern, daß ihm sein innig?

ster Wunsch gewähret worden, fieng er schon am andern Tage an, eifrig zu studieren.

5. Da er in der deutschen Schule so gut gelers net, und so schöne Vorkenntnisse, mitunter auch in der deutschen Sprachlehre sich gesammelt hatte, jo gieng das Studieren unter der trefflichen Anleitung des pådagogischen, eifrigen Pfarrers, gleich vom Ans fange leicht, und ganz nach Wunsch. Er liebte seis nen Herrn Pfarrer, wie seinen Vater, und blieb den ganzen Tag, die Effenszeit ausgenommen, im Pfarrhause. Nach wenigen Monaten waren die ersten Elemente der lateinischen Sprache erlernet und praktisch eingeübet; dann abermals nach wenis gen Monaten war dies auch der Fall mit den Ans fangsgründen der griechischen Sprache; denn der Unterricht und die Erlernung. beider, gleich nothwendis ger und nüßlicher Sprachen sollte mit einander, nach dem weisen Plane des Pfarrers, verbunden und die deutsche Sprache dabei nicht vernachläßiget_werden. Nun gieng es mit allem Ernste an's Expliciren, Uebersehen und Komponiren, mit beständigem Rückblicke auf die Regeln der Grammatik und Syns tax und mit genauer Anwendung derselben, und das sowohl mündlich, als schriftlich. Täglich mußte der Zögling einige ausgesuchte, seinen jedesmaligen Vorkenntnissen angemessene Aufgaben aus dem Deuts schen, Lateinischen und Griechischen übersehen. Diese Art der Uebung gewährt am besten nach und nach richtige Kenntniß der Sprachen, Mannigfaltigkeit der Worte, Eigenthümlichkeit der Figuren, und Kraft des Ausdruckes. Zu dem, wenn man anges leitet wird, die besten klaffischen Schriftstellen zu überseßen und nachzuahmen, verschaffet man sich eine gewiffe Leichtigkeit, etwas Aehnliches zu erfinden, und seinen Stil immer mehr auszubilden. Endlich

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was dem Blicke des Lesers entgehet, kann dem Augê des Uebersekers nicht leicht entwischen.

6. Der würdige Pfarrer, gewohnt in Allem feine reif überdachten Grundsäke zu verfolgen, wand sie auch glücklich auf das Instruiren an: Cui Bono? Non multa, sed multum et optimum! — Usus est magister egregius. Nulla dies sine linea! Recht gethau ist viel gethan; also auch: Recht gelernt ist viel gelernt. Nach diesen Grunds fäßen durchgieng er die ganze Grammatik und Syns tax, las und erklärte seinem Zöglinge die besten deutschen, lateinischen und griechischen Auktoren, und machte ihn auf alle Schönheiten der Diktion, auf alle Lehren und Wahrheiten des Inhalts gleich aufs merksam. So lernte dieser beides Sprach und Ins halt immer mit einander beachten, und sich aneig nen, als

a) proprietatem, brevitatem, gravitatem at-
que elegantiam verborum ac figurarum;
b) copiam, usum ac nexum gravissimarum
rerum et veritatum.

An den Klassikern, wiederholte ihm immer der Pfarrer, müsse man feinen Geschmack, seine Beurs theilungskraft, seine Denk und Schreibart bilden; die Klassiker müsse man sich in allem zu Mustern nehmen; und in jedem Fache besonders den Ersteit und Wichtigsten. Diesen müsse man vor anderu recht oft lesen, und ganz durch und durch studieren, i. e. in succum et sanquinem suum vertere. Unius Libelli Lectorem timeo.

7. Darnach führte der Pfarrer seinen eifrigen Zögling auch in die Prosodie, Poetik und Rhetorik ein, in die studia humaniora; er lehrte ihn deuts sche, lateinische, und griechische Verse, und eben so in allen drey Sprachen Amplifikationen, größere

und kleinere rednerische Auffäße machen.

Er las

mit ihm die besten Klassiker in allen drei Sprachen, Redner und Dichter, und machte ihn, wie auf den Inhalt, so auch auf die Stärke des Ausdrucks, auf den Wohlklang, und jede Schönheit und Eigenheit stets aufmerksam. So brachte er seinem Zöglinge die Poesie und Rhetorik gründlich und vollständig bei, mehr durch vorzügliche Beispiele, Muster und immerwährende Uebungen, als durch trockene Res geln. Er gab die Grundsäße mit aller Deutlichkeit und Prácision an, wies sie an den besten Mustern genau nach, und richtete alle Aufgaben so ein, daß sein 3dgling die vorzüglichsten Auktoren nachahmen konnte und mußte. Bei diesen Nachahmungen, und allen andern Kompositionen lehrte er ihn nicht Worte, Floskeln und Figuren haschen, sondern die rechte Sache mit Würde, mit kräftigem Nachdrucke, mit bündiger Kürze, und ächter Eleganz genau darstellen.

* Non verba, sed rem, utcunque rem, sprach der Mann, der selbst, der Biene gleich, aus jedem vorzüglichen Werke seiner ausgewählten Lektüre den kräftigsten Honig gefogen, und sehr viele Excerpta gemacht hat, und dem im Unterrichte Senekas weis ser Spruch die Richtschuur zog: Longum iter per praecepta, breve et efficax per exempla.

8. Der Zögling, mit besonderm acumine ingenii et judicii, wie nicht minder mit sehr lebhafter Phantasie und zarter Gemüthlichkeit von des gütigs ften Schöpfers Huld ausgestattet, empfand der Wonne süßeste, in den deutschen, lateinischen und gries chischen Klassikern Lust wandeln zu können; an ihnen schårfte er immer mehr und richtiger Sinn und Ges schmack für's Schöne und Erhabene und vorzüglich das judicium, und machte immer glücklichere eigene Versuche. Poeta nascitur, Orator fit.

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9. Bei dieser Methode ward Geschichte und Geos graphie, Mathes und Musik_nicht nur nicht vers nachläßiget, sondern mit gleichem Eifer betrieben. Und da der Unterricht dieses Zöglings in die Epos che fiel, in welcher der Zeitgeist der wahren, d. i. der geoffenbarten christlichen Religion, und namentlich dem, von Vielen nicht genug gekannten, katholischen Systeme gar nicht hold war, so richtete der würs dige Pfarrer seinen Unterricht so ein, daß er daz mit dem fürchterlichsten Gespenste des Zeitgeistes allen Eingang in das unverdorbene Gemüth seines talentvollen Zöglings für die Zukunft unmöglich machen, und dasselbe gegen alle Gefahren des dros henden Sittenverderbuisses unbesiegbar eindlen möchs te. Daher kam er, data quavis occasione, ex instituto, et quasi aliud agendo, immer auf die Nothwendigkeit, Wahrheit und Göttlichkeit, auf die erhabene Vortrefflichkeit, Reinheit und Seligkeit der christkatholischen Religion zurück, sprach von den heilbringenden Glaubens- und Sittenlehren derselben jedesmal mit ganz begeisternder, vom Herzen, und zu Herzen gehender Kraft, und was der Mund aussprach, das versiegelte treu sein eigenes Beispiel, und seinen Worten gaben feine Gesinnungen und Thaten den kräftigsten Vor- und Nachklang.

*Hi mihi doctores semper placuere, docenda

Qui faciunt, plusquam qui facienda docent, 10. Der Pfarrer, ein sehr praktischer Menschens kenner; als Kenner seiner Selbst, wußte er zu gut, daß man gemeiniglich zuerst die Uibungen der dus sern, und dann gar bald auch der innern Gottseligs keit ablege, und mit den Uebungen die Gottseligkeit selbst. Daher sah er, bei allem Dringen auf Ans bethung Gottes im Geiste und in der Wahrheit, mit unverrücktem Auge darauf, daß setu Zögling

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