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kam, wie das der Fall des Camillus zeigt1). Daß eine nochmalige Ladung ergehen konnte, will ich nicht in Abrede stellen, aber das bestreite ich, daß der Fall des Postumius die nochmalige Ladung zum vierten Termin beweis't; denn nicht am vierten, sondern am ersten Termin war Postumius ausgeblieben, und auf dieses Ausbleiben hin erging der schon einmal besprochene Volksbeschluß 2). Noch viel weniger kann ich in dem Bollsschluß eine bedingte Verurtheilung sehen. Laboulaye, der dieses behauptet 3), möge bedenken, daß er diese Behauptung nur aufrecht erhalten kann, wenn er von den Anklägern annimmt, sie hätten über eine Capitalsache in Tributcomitien abstimmen laffen und hätten ein Privilegium rogirt, da sie ihren Antrag ohne Beobachtung des vorgeschriebenen Verfahrens einbrachten; also einen doppelten Verstoß von dieser Seite annimmt, obwohl nicht einer vorliegt. Die definitive Entscheidung konnte ferner aufgehalten werden durch Intercession der Tribunen d. h. dadurch, daß ein Tribun diem eximebat1); ja schon durch bloßzes Androhen des Einschreitens »). Die Intercession wirkte jedoch nicht länger als das Amtsjahr dauerte, hatte mithin auch keineswegs Vernichtung des Verfahrens zur Folge). Wenn dies mit der Intercession zu erreichen gewesen wäre, würden die Tribunen, welche sich des Volscius annahmen, mit ihrem Widerstand gegen die Abhaltung der Comitien gewiß gewartet haben, bis fie förmlich intercediren konnten, also bis zur Berufung der Comitien, da sie so den Prozeß von ihm abwenden konnten "). Es ist noch zu erwähnen, daß in einem der uns über

1) Liv. V. 32. Plutarch Cam. 13.

2) Liv. XXV. 4. - Anderer Meinung Geib a. a. D. S. 131. · 3) Laboulaye Essai p. 148.

4) Liv. XXV. 3. perorata causa, spes una videbatur, si C. Servilius Casca tribunus plebis . . priusquam ad suffragium tribus vocarentur, intercessisset. Publicani Cascae instare ut concilio diem eximeret. S. auch Schol. Bob. I. c.

5) Liv. III. 24, 25, 29.

....

6) Anderer Meinung ist Geib röm. Cr.-Pr. S. 122.
7) S. die vorlegte Note.

lieferten Fälle die Abstimmung durch Verweigerung der Abstimmung von Seiten des Volkes verzögert wurde1); in zwei anderen durch einen Gewaltstreich, indem nämlich die Comitien gesprengt wurden '); in einem vierten durch freiwilligen Aufschub a).

Das begonnene und fast vollendete Strafverfahren hörte ganz auf, wenn der Magistrat zurücktrat 4). Aber auch, wenn der Reus in's Exil gegangen war, oder während der Abstimmung noch von dem Rechte in's Exil zu gehen. Gebrauch machte"). Dies galt übrigens mit einer Einschränkung, die man übersehen hat. Nicht jeder Reus konnte der ihm drohenden Strafe durch freiwilliges Exil ausweichen, nicht jedes Strafverfahren hörte auf, quum (reus) excusaretur, solum vertisse exilii causa: sondern nur der capitis Angeklagte entzog sich durch das Exil jeder weiteren Strafe; nur bei Capitalprozessen galf das Exil als Entschuldigung; nur in Capitalsachen wurde ein anhängiger Prozeß abgebrochen und nicht wieder angeknüpft, wenn der Schuldige in's Exil ging. Der Grundsatz ist mit dieser Einschränkung bei Polybius ausgesprochen. In Capitalsachen, sagt er, entscheide das Volk, auch über höhere Geldbußen; es bestehe aber, fährt er fort, die erwähnenswerthe Sitte, τοῖς θανάτου κρινομένοις ut geftatten, nod währenb bes Su dicium in's Exil zu gehen 6). Nur von den Savátov xptva

1) Liv. XXXVII. 58.

2) Einmal richteten die Staatspächter Verwirrung an, um ihren Collegen Postumius zu retten (Liv. XXV. 3); das andere Mal ließ der Prätor Metellus Celer die Kriegsfahne, welche während der Centuriatcomitien auf der Burg aufgepflanzt war (Liv. XXXIX. 15), wegnehmen. Er löste dadurch die Versammlung auf und rettete den Nabirius (Dio Cass. XXXVII. 27, 28).

3) Liv. VI. 20. Aurel. Vict. de vir. ill. 24. Zon. VII. 24. Ich erinnere noch einmal daran, daß der Ausbruck für dieses Aufschieben auf einen anderen Termin producere heißt (S. o. S. 69).

4) Liv. XXXVII. 58. XLIII. 16.

5) S. c. S. 161.

6) Polyb. VI. 14.

uévors sagt er dies, nicht auch von den auf eine höhere Gelbe buße Belangten, und daß er ganz richtig unterscheidet, beweis't ver Fall des Camillus, der, obschon er in's Exil gegangen war, zu einer Geldbuße von 15,000 Aß verurtheilt wurde 1).

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Wenn es schon auffallend ist, den Verbrecher im Recht zu sehen, sich der verwirkten Strafe durch Selbstverbannung zu entziehen: so muß es noch mehr auffallen, nur den schwereren Verbrecher in diesem Recht zu sehen. Man darf sich aber nur eine richtige Vorstellung von dem Exil des Alterthums machen, und man weiß die Lösung des Räthsels. „Das Exil der heutigen Zeit ist nicht ein Schatten von dem des Alterthums, und besteht nur in einem Wechsel des Wohnorts, dem Verlust der Heimath. Eine solche Strafe raubt nicht das Glück selbst, sondern nur die locale Form, in der man es bisher genoß; überall findet der Verwiesene Anerkennung seiner Persönlichkeit und Schuß seines Rechts. Ganz anders die ursprüngliche Gestalt des Exils im Alterthum. Der Fremde ist rechtlos. Alles, was ihm theuer war, läßt der Verbannte daheim, seinen Heerd, seine Genoffen, den Frieden des Rechts und die gemeinsame Berehrung der Götter, und was er mit sich nimmt, ist das Gefühl des unfäglichen Elends, die Aussicht auf ein dem Zufall, der Verfolgung, Entbehrung u. f. w. Preis gegebenes Leben, auf Knechtschaft oder eine von der Willkür und Gnade seiner Schutzherrn abhängige und durch Demüthigung aller Art erkaufte Freiheit 2)“. Das war das Exil des Alterthums, diesen Zustand wählte, wer in's Exit ging, diesen Zustand, bittrer als der Tod, zu wählen, konnte man schon freigeben; es konnte aber auch denkbarer Weise von Niemand diese Wahl getroffen werden, als dem eine Capitalstrafe bevorstand. Wer wird um einer noch so hohen Geldbuße willen sein Vaterland aufgeben,

1) Liv. V. 32. in exilium abiit: precatus ab diis immortalibus, si innoxió sibi injuria fieret, primo quoque tempore desiderium sui civitati ingratae facerent. Absens quindecim millibus gravis aeris damnatur. Ebenso Plutarch Cam. 13.

2) Jhering Geist des röm. Rechts I. S. 221.

mit dem er Alles verliert, Familie, Vermögen, die Freiheit selbst? Im Staate wurzelte die ganze Kraft des Bürgers, sein Glück, seine Ehre; er ist ein Theil eines Ganzen, von dem er gehoben und getragen ist, ohne das er nicht leben kann. Der Staat hatte im Alterthum eine ganz andere Bedeutung für den Einzelnen als heutigen Tages: daraus muß man sich die Entwickelung des jus exulandi erklären, so wie die Beschränkung, mit der es sich entwickelt hat.

Dreizehntes Capitel.

Schluß. Critik der Comitialgerichte. Das Strafrecht der Nömer zur Beit der Republik, dessen Mangelhaftigkeit erklärt aus der Mangelhaftigkeit des Strafverfahrens. Aufhebung der Volksgerichte und der provocatio ad populum.

Ich bin mit der Darstellung der provocatio ad populum zu Ende. Ich habe dieses Institut begriffen als ein Product der politischen und socialen Verhältnisse, unter denen es lebte und galt; ich habe nachgewiesen, welche Bedeutung ihm zukam, sowohl ursprünglich als später; habe gezeigt, wie es der Hebel der Volksgerichtsbarkeit war; habe endlich die Formen des Berfahrens beschrieben, bei dem es eine so wichtige Rolle spielte. The ich meinen Gegenstand verlasse, möchte ich noch einige Worte der Beurtheilung hinzufügen, wobei es sich zeigen dürfte, welchen Weg das römische Strafverfahren weiterhin genommen hat und wie das Strafrecht der Römer in der republikanischen Zeit beschaffen sein mußte.

Die provocatio ad populum sollte die Gerichtsbarkeit des Volkes vermitteln: das war ihr Beruf unter den Königen, so wie nach Einführung der Republik; nur, daß unter den Königen ber Fälle, in denen sie stattfand, wenige waren, während nach Einführung der Republik die provocatio ad populum in allen Dingen gegeben wurde. Das jetzt vollkommen souveräne Volk will die souveräne Funktion der Rechtsprechung auch selbst

üben, allgemein üben. Hingegen wurde die alte Form beibehalten, d. h. das Volk entschied nicht unmittelbar, sondern, wie bisher, in der Appellationsinstanz: so daß also, wenn in allen Dingen 1) Provokation gegeben war, jeder Criminalprozeß in der Appellationsinstanz entschieden wurde, oder doch, wenn der Berrechtfertigte darauf antrug, in der Appellationsinstanz entschieden werden konnte.

Entscheidet denn aber das Volk wirklich als Oberrichter, wenn es auf eingelegte Provokation hin entscheidet? Ist seine Freisprechung oder Verurtheilung ein wirkliches Urtheil? Wohl tritt eine neue Prüfung der Sache ein, sobald der vom Magistrat Verurtheilte provocirt; allein wenn der Magistrat, der Recht sprach, seinen Spruch vertheidigt, der Verurtheilte die Angemessenheit desselben bestritten hat, darf das Volk nur wählen zwischen Ja und Nein, zwischen Annahme "oder Verwerfung des Spruchs. Von einer richterlichen Prüfung kann hier demnach keine Rede sein.

Und das ganze Volk sollte urtheilen! Kann ein unbefangener und gerechter Richterspruch von der Masse ausgehen? Nur bei Wenigen ist die nöthige Einsicht, und bei großen Versammlungen herrscht nie die nöthige Ruhe, die zur rechtlichen Beurtheilung einer Sache nöthig ist. Weiter liegt in der Ungeschiedenheit der gesetzgebenden und richterlichen Behörden die Gefahr, daß auf den verschiedenen Charakter ihrer Funktionen nicht geachtet wird. Der Gesetzgeber ist frei von jeder Nücksicht auf einen besonderen Fall, der Richter hat es immer mit einem befonderen Fall zu thun; wenn aber Gesetzgeber und Nichter dieselben Personen sind, so ist leicht geschehen, daß sie es auch in demselben Acte sind; daß in demselben Acte eine allgemeine Norm aufgestellt und nach dieser Norm ein specieller Fall beurtheilt wird; daß mit einem Wort das Geseß eine ungerechte Rückwirkung erhält.

4) Cicero fagt: Tarquinino exacto

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provocationes omnium rerum (rep. I. 40); ich kann den Ausdruck adoptiren, da ich mich hinlänglich gegen Mißverständnisse gesichert habe.

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