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6. Buches: quae ab condita urbe .. Romani.. gessere, der Anfang der Präfatio und 31, 1, 4 für jene Überschrift zu sprechen scheint, so ist wohl nicht zu bezweifeln, dafs Livius selbst für sein Geschichtswerk den in den Handschriften erhaltenen Titel. gewählt hat, wie die gleiche Bezeichnung vielleicht schon vor 9 ihm Sisenna 1, eine ähnliche später der ältere Plinius (a fine Aufidii Bassi) und Tacitus (ab excessu divi Augusti) anwandte 2. Einzelne Teile der livianischen Geschichte hatten wohl besondere Titel; wenigstens steht es durch mehrere Zeugnisse fest, dafs die Bücher 109-116 civilis belli libri octo genannt wurden, und in gleicher Weise mögen andere Abschnitte bezeichnet worden sein, wie man aus 10, 31, 10: supersunt etiam nunc Samnitium bella, quae continua per quartum iam volumen .. agimus 3, vielleicht auch aus dem Titel des Werkes von Florus Epitomae de Tito Livio bellorum omnium annorum DCC libri II schliefsen kann, während Unterschriften in jüngeren Handschriften dafür schwerlich einen sicheren Beweis geben können und aus dem Zeugnisse des Johannes Sarisberiensis 4, welcher den Livius scriptorem belli Punici nennt, nichts weiter folgt, als dafs er gerade die diesen Krieg enthaltenden Bücher benutzt habe.

Der Umfang des Werkes läfst vermuten, dafs Livius einen grofsen Teil seiner Lebenszeit demselben gewidmet hat. Schon deshalb ist es nicht wahrscheinlich, dafs, wie Niebuhr Vortr. über röm. Gesch. I 45 annimmt, die erste Dekade nicht vor 745/9 herausgegeben worden sei. Er bezieht nämlich die Worte 9, 36, 1: silva erat Ciminia magis tum invia atque horrenda, quam nuper fuere Germanici saltus auf die Feldzüge des Drusus (742/12 bis 745/9), durch welche die germanischen Gebirge zugänglich gemacht wurden. Allein schon der Zusatz a. a. O.: nulli ad eam diem ne mercatorum quidem adita deutet auf eine nur allgemeine Kenntnis der Wälder Germaniens hin, wie sie bereits durch die Nachrichten Cäsars 5 gegeben und wahrscheinlich durch Agrippa, der 716/38 über den Rhein ging, durch C. Carinas 6 und durch die Kriege mit den Germanien benachbarten Völkern in Pannonien und auf den Alpen vielfach erweitert war. Dionysios von Halikarnassos, welcher 747/7 seine Geschichte herausgab, scheint

1 Non. p. 127 iuxtim. • Vgl. Herodian τῆς μετὰ Μάρκον βασιλείας ἱστορία, Quint. Smyrn. τὰ μεθ ̓ Ὅμηρον. 3 Vgl. 31, 1, 1. 5 BG. 6, 24f.; vgl. Flor. 1, 44, p. 72, 12 0. J.

Polycraticus III 10.
Dio Cass. 51, 21.

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die des Livius nicht gekannt zu haben; wenigstens erwähnt er dieselbe nicht. Die Andeutungen aber, dafs Livius im 8.-10. Buche Dionysios benutzt habe, sind so wenig sicher, dafs sie bestimmtere Angaben nicht zweifelhaft machen können. Es heifst nämlich bei Livius 1, 19, 3: bis deinde post Numae regnum (Ianus) clausus fuit, semel.. post Punicum primum perfectum bellum, iterum, quod nostrae aetati dii dederunt ut videremus, post bellum Actiacum ab imperatore Caesare Augusto pace terra 10 marique parta, wie Livius, weil er hier blofs die erste durch Octavianus im J. 725/29 erfolgte Schliefsung des Ianus berührt, nur vor 729/25 schreiben konnte, da in diesem Jahre der Ianus zum vierten Male, von Augustus zum zweiten Male geschlossen wurde, was er, wenn es schon eingetreten gewesen wäre, nicht hätte übergehen können. Dagegen weist der Titel Augustus, der hier und an anderen Stellen dem Octavianus beigelegt wird, darauf hin, dafs Livius erst nach 727/27, wo jener Augustus cognominatus est 1, also in seinem 33. oder 34. Jahre das Werk begonnen hat, wenn man nicht etwa annehmen will, dafs diese Bezeichnung erst nachträglich eingefügt sei. Aber auf dieselbe Zeit führt 4, 20, 7, wo Augustus als Hersteller des Tempels des Iuppiter Feretrius, welchen er wahrscheinlich 723/31 neu gebaut hat, und als templorum omnium conditor ac restitutor gepriesen wird, ein Verdienst, das sich Augustus schon 726/28 erwarb 2. Damit stimmt ferner überein, dafs Livius, als er diesen Teil bearbeitete, die Bürgerkriege in frischem Andenken hatte 3 und deren Folgen noch keineswegs verwischt waren, Das neunte Buch mufs vor 734/20 geschrieben sein, weil Livius sonst 9, 18, 9 nicht verfehlt haben würde, den Gegnern der Römer die Auslieferung der römischen Fahnen durch die Parther, welche in dem genannten Jahre erfolgte, entgegenzuhalten. An der dritten Dekade mag er im vierten Jahrzehnt des 8. Jahrhunderts gearbeitet haben; wenigstens scheint 28, 12, 12: (Hispania) prima Romanis inita provinciarum, quae quidem continentis sint, postrema omnium nostra demum aetate ductu auspicioque Augusti Caesaris perdomita est nicht allein auf den Krieg des Augustus 727/27-729/25, sondern auch auf den Sieg des Agrippa über die Cantabrer im Jahre 735/19 bezogen werden zu müssen, dessen Bedeutung man so hoch anschlug, dafs Agrippa der Triumph zuerkannt werden sollte 6. Das 59. Buch ist nach

1 Periocha 134. 7, 40, 2; 9, 19, 15. riocha 141. Dio

2 Mon. Ancyr. IV 17; Dio Cass. 53, 2. 3 Pr. 4; 42, 44, 7; 3, 66, 1 f.; 6, 12, 5; 7, 25, 9. 5 PeCass. 54, 11; vgl. 53, 25; Tac. Ann. 4, 5.

736/18 geschrieben, da in demselben das von Augustus in jenem Jahre gegebene Gesetz de maritandis ordinibus erwähnt war. Aus einigen Andeutungen, wie 34, 9, 3; 40, 34, 13 u. a., ist für die Zeit der Abfassung der einzelnen Bücher nichts zu entnehmen; aber diejenigen, in welchen von Pompeius die Rede war, scheint nach Tacitus Ann. 4, 34 Augustus noch gelesen zu haben, was auch dadurch bestätigt wird, dafs nach einer Bemerkung in der ältesten Handschrift der Periochae das 121. Buch nach dem Tode des Augustus, also in dem Zeitraum zwischen 14 und 17 n. Chr., wenn nicht verfafst, doch herausgegeben sein soll. Livius hat also wenigstens 40 Jahre und bis zu seinem 11 Tode unermüdlich an seiner Geschichte gearbeitet, wie sich dies auch in der bereits erwähnten Stelle aus der Präfatio des Plinius angedeutet findet.

Dafs er ein so umfangreiches Werk nach und nach herausgegeben, nicht bis zur Vollendung zurückbehalten habe, ist schon an sich wahrscheinlich, besonders da er vielleicht nicht einmal zum Abschlufs desselben gelangte. Es sprechen aber dafür auch die Einleitungen zu mehreren Büchern, welche voraussetzen, dafs die vorhergehenden Bücher bereits in den Händen vieler sich befanden (wahrscheinlich wurden jedesmal mehrere Bücher, die ein kleines Ganze bildeten, veröffentlicht); sodann der Vorwurf der Patavinität, welcher dem Livius von Asinius Pollio gemacht wurde; ferner der Umstand, dafs Augustus von dem Inhalt mehrerer Bücher Kenntnis hatte; besonders aber der Ruhm, welcher Livius schon bei seinen Lebzeiten zuteil wurde, wohl nicht wegen seiner rhetorischen oder philosophischen Werke, sondern wegen seiner alle Vorgänger weit überragenden Geschichte. Bekannt ist, was der jüngere Plinius erzählt Epist. 2, 3, 8: numquamne legisti Gaditanum quendam T. Livi nomine gloriaque commotum ad visendum eum ab ultimo terrarum orbe venisse statimque, ut viderat, abisse? Dasselbe bezeugt der ältere Plinius in der Vorrede § 16: profiteor mirari T. Livium. . quodam volumine sic orsum: satis iam sibi gloriae quaesitum et potuisse se desidere, ni animus inquies pasceretur opere. Je günstiger aber die Aufnahme war, welche die bereits vollendeten Teile fanden, um so mehr mufste sich Livius aufgefordert fühlen, die folgenden in raschem Zuge zu veröffentlichen.

Nach der zuletzt angeführten Stelle könnte es leicht den Schein gewinnen, als ob Livius nur aus Ruhmsucht und um den unruhigen Drang seines Gemütes zu stillen, die Geschichte ge

schrieben habe und den von Plinius ebendaselbst ausgesprochenen Tadel verdiene: profecto populi gentium victoris et Romani nominis gloriae, non suae conposuisse illa decuit. maius meritum esset operis amore, non animi causa perseverasse et hoc populo Romano praestitisse, non sibi. Indes kann es auf der anderen Seite einem Geschichtschreiber nur zum Ruhme gereichen und darf als ein Beweis liebevoller Hingebung an seinen Gegenstand und unermüdlicher Ausdauer gelten, wenn er gesteht, dafs er, ohne für sein einmal begonnenes Werk thätig 12 zu sein, nicht ruhen, nicht leben könne. Dafs diese Hingebung und eine innige Freude an seinem Werke das Gemüt des Livius erfüllt, dafs er in einer in vieler Beziehung trüben und trostlosen Gegenwart durch die Betrachtung der Vorzeit sich gestärkt und aufgerichtet habe, spricht er in der Vorrede und an vielen anderen Stellen aus. In seiner Kindheit konnte er von den gewaltigen Kämpfen und Siegen Cäsars hören, die zur Unterwerfung des benachbarten Galliens führten und ihm den Weg über den Rubicon bahnten. Auf das empfängliche Gemüt des Knaben muss es einen tiefen Eindruck gemacht haben, als ein Freund seines Hauses, der am Tage der Schlacht bei Pharsalus in Padua den Vogelflug beobachtete, plötzlich begeistert ausrief: 'du siegst, Caesar!' und, während alle tief erschüttert waren, seinen Kranz niederlegte mit dem Schwure, ihn erst dann wieder aufzusetzen, wenn seine Verkündigung sich bestätigt hätte. Als Jüngling sah Livius das Unglück und die Greuel der Bürgerkriege, die sich an Cäsars Ermordung anschlossen und erst bei Actium ihr Ende erreichten. So hatte er Gelegenheit, die Macht und Gröfse, aber auch den Verfall und das Elend des römischen Staates aus eigner Anschauung kennen zu lernen, und es ist nicht zu verwundern, dafs ein so reger Geist, ein so tiefes Gemüt sich schon früh zu lebendiger Teilnahme an den Geschicken des Staates hingezogen fühlte. Andererseits läfst sich wohl annehmen, dafs ihn seine rhetorischen Studien auch zu der historischen Litteratur der Römer führten, und dafs er bei seinem feinen Sinne für das Schöne und Harmonische bald erkannte, wie wenig die Form, in der die Thaten des römischen Volkes dargestellt waren, mit der bewunderungswürdigen Gröfse derselben im Einklang stand. So mochte in ihm der Plan reifen, den er in der Vorrede § 3 kurz andeutet: iuvabit rerum gestarum memoriae principis terrarum populi pro virili parte et ipsum

1 Plut. Caes. 47.

consuluisse, und, nachdem sogleich der Anfang des Werkes günstige Aufnahme gefunden hatte, es ihm als seine Lebensaufgabe erscheinen, den bewundernswürdigen Thatenreichtum der Vorfahren, der bis dahin nur dürftig und in veralteter oder gesuchter Form vorgetragen war, durch gewissenhafte Treue und klare, schöne, der Gröfse des Gegenstandes angemessene Darstellung der Mit- und Nachwelt zur Anschauung zu bringen und durch die Beseitigung des Trockenen, Schwierigen, Unbegründeten seinen Lesern einen reinen und ungestörten Genufs zu bereiten. Wenn er sich aber nur dieses Ziel gesetzt hätte, so würde er einen nur untergeordneten Zweck verfolgt, eine unterhaltende Lektüre geschaffen, aber keine tieferen Erfolge gesucht und erlangt haben. Allein gerade eine nachhaltige geistige 13 Wirkung auf seine Zeit und eine Beziehung der Vergangenheit auf die Gegenwart war das, was Livius erstrebte. Selbst erfüllt von dem Bewusstsein der Gröfse seines Volkes, seiner hohen Vorzüge und ruhmvollen Thaten, will er seinen gesunkenen und erschlafften Zeitgenossen in einem lebendigen Bilde die Wahrheit vorhalten, dafs nur durch Tugend und Mannhaftigkeit, durch Gerechtigkeit und Frömmigkeit der römische Staat sich emporgeschwungen und die Weltherrschaft errungen hat.2 Es ist die religiös-sittliche Bedeutung und Würde der Geschichte, welche Livius auf das tiefste fühlt und zur Anerkennung zu bringen strebt, indem er nicht in moralischen Betrachtungen und Ermahnungen, sondern durch lebensvolle Schilderung von Personen und Zuständen für die Tugend begeistert, durch die Hinweisung auf die Wege des Schicksals die Ahnung des göttlichen Waltens erweckt und dadurch seiner Darstellung die Wärme, Kraft und Weihe verleiht, von der er selbst durchdrungen und gehoben war.

Als Livius diesen Plan fafste, war er sich der Gröfse desselben und der zu überwindenden Schwierigkeiten wohl bewufst, nicht weniger aber seiner reinen Absicht, seines edlen Zweckes und seiner Kraft, die ihn hoffen liefs, Gröfseres und Besseres zu leisten als seine Vorgänger. Ausgestattet mit einem reichen, poetischen Gemüte und einer blühenden Phantasie, mit einer glänzenden Gabe der Rede und Darstellung, mit Sinn für

1 6, 12, 3; 10, 31, 11. 2 Pr. 10: hoc illud est praecipue in cognitione rerum salubre ac frugiferum, omnis te exempli documenta in inlustri posita documento intueri; inde tibi tuaeque rei publicae, quod imitere, capias; inde foedum inceptu, foedum exitu, quod vites. 3 Pr. 1-4.

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