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schränkte sich hier vorzugsweise darauf, dem Ganzen eine etwas zeitgemässere Gestalt zu verleihen, u. a. von der Zusammenfassung der Paragraphen abzusehen, die Lemmata mehr auszuschreiben und überall in die richtige Reihenfolge zu bringen, den Ausdruck durchgängig etwas präziser zu machen und die Citate teils zu ordnen und zu sichten, teils, was besonders notwendig war, zu berichtigen. Zu ändern fand ich in den Erklärungen nicht viel; dagegen wurden manche Noten durch die Aufnahme andrer Lesarten überflüssig, manches schien richtiger entweder in der Einleitung oder im Anhang seinen Platz zu finden. Daher ist einiges ganz fortgeblieben, andres, wie die auf die Kritik bezüglichen Bemerkungen, in dem Variantenverzeichnis untergebracht worden, auf welches jedesmal mittelst eines Sternchens verwiesen ist. Wäre die der Revision zugemessene Zeit nicht eine so beschränkte gewesen, so hätte sich im einzelnen gewiss noch manche kleine Verbesserung anbringen lassen; aber es bedurfte schon der Anspannung aller Kraft, um bis zu dem vorgeschriebenen Termin das, was ich mir als Ziel gesetzt hatte, zu erreichen.

Was in der Einleitung, im Text und im Anhang von der früheren Gestalt abweicht, sind Änderungen von mir. Im ganzen beziehen sich diese auch hier auf mehr aufserliche Dinge; in der Kritik jedoch habe ich weiter gehen zu müssen geglaubt als Weifsenborn, der den Codices gegenüber oft zu ängstlich war und die Überlieferung zuweilen in Schutz nahm, wo sich durch Beseitigung blofser Abschreiberversehen der gewöhnliche Sprachgebrauch herstellen liefs. Übrigens hatte Weifsenborn, wie mir aus seinen Briefen bekannt war, über einige Stellen inzwischen seine Ansicht geändert (so über 1, 3. 5. 17, 8. 19, 6. 21, 4. 22, 6. 25, 1. 26, 7. 35, 3. 36, 4. 37, 2. 39, 5. 40, 3. 4. 43, 5. 43, 11. 50, 2. 55, 7), anderes liefs sich auf Grund der Frigellschen Kollationen sicherer beurteilen als früher. Abgesehen von der Orthographie ist der Text der siebenten Auflage von dem der sechsten aufser den eben angeführten Stellen noch an folgenden verschieden: Praef. 13; 1, 8. 3, 3. 7, 1. 13. 14, 7. 9. 17, 1. 21, 1. 22, 5. 25, 2. 13. 27, 5. 29, 3. 6. 30, 2. 31, 1. 32, 2. 8. 10. 11. 12. 39, 1. 41, 1. 3. 43, 3. 6. 7. 48, 3. 58, 7. 59, 1.

Frigell hat den kritischen Apparat um die Lesarten mehrerer guten Handschriften vermehrt. Hierdurch ist die Entscheidung erschwert, ob man dem Mediceus überall zu folgen und auch dort den Vorzug zu geben hat, wo ihm das übereinstimmende Zeugnis der übrigen Codices gegenübersteht. Dieser von

manchen, z. B. von Frigell, bezweifelte Punkt bedarf noch der Untersuchung; ich habe einstweilen an der bisherigen Observanz festgehalten und demgemäfs, schon der Konsequenz wegen, im Anfang des Buches mehrfach die Wortfolge geändert; s. 1, 2. 3. 10. 2, 6. 5, 4. 7. 7, 7.

Der Anhang ist durch die Aufnahme der kritischen Notizen Weifsenborns, durch eine vermehrte Variantenangabe und durch den Hinweis auf Madvigs an vielen Stellen abweichende Ansicht etwas ausführlicher geworden. Zu dieser Erweiterung hat mich die Erwägung bestimmt, dafs eine Ausgabe, wie die vorliegende, nicht nur belehren, sondern auch zum Weiterforschen anregen soll, und diesem Zwecke dienen in hohem Mafse die Madvigschen Emendationen, wenn man sich denselben auch nicht überall anzuschliefsen vermag. Einige Male (Praef. 5; 3, 3. 12, 6. 17, 8. 25, 13. 27, 8. 31, 19) sind die verzeichneten handschriftlichen Lesarten von denen in der 'Collatio codicum Livianorum' verschieden; hier hat Herr Prof. Frigell in Upsala mit liebenswürdiger Bereitwilligkeit seine Vergleichungen von neuem eingesehen und mir so korrektere Angaben ermöglicht.

Zum Schlufs habe ich mit vielem Danke hervorzuheben, dafs mir Herr Prof. Wölfflin in Erlangen bei allen die Kritik betreffenden Fragen mit sachkundigem Rate zur Seite gestanden und auch sonst mich auf manches aufmerksam gemacht bat, was der Ausgabe zu Gute gekommen ist. Ebenso hat Herr Gymnasialdirektor Krüger in Görlitz bei der Durchsicht der Korrekturbogen manche dankenswerte Notiz für den Kommentar beigesteuert. Endlich gedenke ich der freundlichen Hilfeleistung meines früheren Schülers Otto Morgenstern, stud. phil. auf hiesiger Universität, welcher die im Kommentar befindlichen Citate aus den alten Schriftstellern sämtlich nachgeschlagen und auf diese Weise sehr viele Ungenauigkeiten in Zahlen und Wörtern beseitigt hat.

Berlin, im Mai 1879.

Dr. Hermann Johannes Müller, Oberlehrer am Friedrichs-Werderschen Gymnasium.

EINLEITUNG.

Die Römer haben ihre litterarische Thätigkeit fast keinem Gegenstande früher zugewandt als der Geschichte ihres Staates. Die stetige Entwickelung desselben, die Zweckmässigkeit seiner Einrichtungen, die Thaten und Sitten des Volkes waren so bewundernswürdig, die Bedeutung der Geschichte für das öffentliche Leben so grofs, dafs schon frühzeitig weder die bald nach Gründung der Republik begonnene Aufzeichnung einzelner Ereignisse, noch die späterhin von den Pontifices mit dem Verzeichnis der Beamten jedes Jahr verbundenen Nachrichten über wichtige Begebenheiten, die Annales maximi, noch die Tradition in den Familien und im Munde des Volkes zur Erhaltung des Andenkens an die Vorzeit ausreichend schienen. Sobald daher durch Livius Andronicus der erste Versuch gemacht war, der kunstgemässen Poesie in Rom Eingang zu verschaffen, unternahmen die Dichter Cn. Naevius nach dem ersten und Q. Ennius nach dem zweiten punischen Kriege eine poetische Behandlung der Nationalgeschichte. Fast gleichzeitig mit Ennius verfassten Q. Fabius Pictor und L. Cincius Alimentus Geschichtswerke in Prosa, beide in griechischer Sprache; unmittelbar nach ihnen schrieb M. Porcius Cato seine Urgeschichte Italiens (Origines) in lateinischer Sprache. Ihm folgte bis zum Ende des 7. Jahrhunderts d. St. eine lange Reihe von Schriftstellern, welche die Geschichte des römischen Staates entweder in ihrem ganzen Umfange oder nur in einzelnen Teilen mehr oder weniger ausführlich und treu, viele trocken und dürftig, keiner so darstellte, wie die höhere Bildung und der feinere Geschmack der späteren Zeit es forderte, so dafs die Klage Ciceros de leg. 1, 5: abest historia litteris nostris gerechtfertigt erscheinen mufs. Wenn nun auch bald nachher einige ausgezeichnete Geschichtswerke die römische Litteratur zierten, so umfassten dieselben doch nur kurze Abschnitte des grofsen Gebietes, waren auf die Gegenwart beschränkt und liefsen die ruhmvolle Vorzeit unberührt. Erst als mit der Gründung des Prinzipats die alte Zeit 2

T. Liv. 1. 1. 8. Aufl.

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abgeschlossen war, als Augustus dem zerrütteten Staate Frieden und Sicherheit wiedergegeben und eine neue Ordnung der Dinge begründet hatte, erst da war es möglich, das weite Feld der Vergangenheit und die grofsartigen Erscheinungen derselben mit Ruhe und Besonnenheit zu überblicken und zu schildern. An diesem Wendepunkte des römischen Staates, bei dem Übergange desselben aus der alten in die neue Zeit, war der einzige, der- es unternahm, die römische Geschichte in ihrem ganzen Umfange und in einer dem gebildeten Geschmacke des neuen Zeitalters entsprechenden, anziehenden Form ausführlich, würdig und glänzend darzustellen, Titus Livius.

Nur diese beiden Namen werden von den Alten unserem Geschichtschreiber beigelegt, ein Familienname ist nirgends erwähnt; erst der neueren Zeit gehört die Bezeichnung T. Livius Patavinus an. Livius war nämlich zu Patavium, j. Padua, geboren, der Hauptstadt der Veneter, die durch die Zurückführung ihres Ursprungs auf Antenor 2, dessen Andenken noch unter den Kaisern durch cetaria genannte Spiele gefeiert wurde, mit den Anfängen Roms in enger Verbindung zu stehen sich rühmte. In dem gesegneten Pothal, am Venetischen Meerbusen gelegen, in welchem 14 Millien von der Stadt die Lagunen den Hafen Aedro oder Medoacus bildeten, durchflossen von dem Medoacus minor, wahrscheinlich dem Bacchiglione, war die Stadt nicht allein der Eroberung durch die Etrusker entgangen, sondern hatte auch die Gallier, als sie in Oberitalien einbrachen, von sich abgewehrt. In den steten Kämpfen mit diesen 5 war sie zu bedeutender Macht und grofser Blüte gelangt, hatte sich um Rom verdient gemacht, war schon frühzeitig zu den Römern in staatsrechtliche Beziehungen getreten, hatte im Kriege mit Hannibal treu zu denselben gehalten und war von ihnen unterstützt worden, als Parteiungen den Frieden der Stadt störten 9. 3 Da Patavium einen Stapelplatz für die aus dem südlichen in das obere Italien und weiter nach Norden gehenden Waren bildete und die Erzeugnisse seiner eigenen Industrie nach allen Seiten versandte, war der Reichtum der Stadt allmählich so gestiegen,

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1 Ascon. Ped. ad Cornel. p. 68, 17 K.-Sch. : Livius noster. 1, 1, 2. 3 Tac. Ann. 16, 21; Charis. I p. 125 K.; Dio Cass. 62, 26, 4. Plin. 3, 16, 121; Strabo 5, 1, 7.

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5, 33, 10; 10, 2, 9.

Nach Strabo 7 Nach

5, 1, 7 soll sie 120 000 Mann unter den Waffen gehabt haben. Polyb. 2, 18 wurden die Gallier durch einen Einfall der Veneter in ihr Land genötigt, das eroberte Rom aufzugeben. • Polyb. 2, 23. 941, 27, 3; CIL. V 1, 267.

dafs sie am Ende der Republik von Strabo, dem Zeitgenossen des Livius, einer der bedeutendsten Städte des römischen Reiches, Gades, an die Seite gestellt werden konnte und 500 Bürger zählte, welche den Rittercensus besafsen. Ungeachtet dieses Reichtums hatten die Bewohner von Patavium bis in spätere Zeit noch die alte Reinheit und Strenge der Sitten bewahrt, ein Umstand, der auf Livius' sittliche Entwickelung von grofsem Einfluss sein und ihm die Sittenverderbnis zu Rom in noch grellerem Lichte erscheinen lassen musste. In dem Gebiete der Stadt befand sich aufser dem von Sueton Tib. 14 erwähnten Geryonis oraculum, aus dem sich Orakeltäfelchen (sortes) erhalten haben 2, eine noch jetzt berühmte warme Schwefelquelle, Aponi fons oder Aponus (äπovos) 3, nach welcher Martial. Ep. 1, 61, 3 sogar die Gegend benennt: censetur Apona Livio suo tellus. Hieraus haben manche mit Unrecht schliefsen wollen, dass Livius nicht zu Patavium selbst, sondern in einem benachbarten Dorfe Aponus geboren sei; aber Apona tellus ist nur eine dichterische Bezeichnung des Patavinischen Gebietes, in welchem ein Dorf Aponus von den Alten nicht erwähnt wird. Die Pataviner hatten durch die lex Iulia 705 d. St. das römische Bürgerrecht erhalten und waren in die tribus Fabia aufgenommen worden. Sie scheinen in dem Bürgerkriege zwischen Caesar und Pompeius, wenn auch einzelne den Sieg des ersteren freudig begrüssen mochten, sich der Partei des letzteren angeschlossen zu haben, so dafs Livius schon in seiner frühen Jugend die politische Richtung annehmen konnte, der er später treu geblieben ist.

Livius wurde nämlich nach Hieronymus Ol. 180, 2-695/96 d. St.-59 v. Chr. 6, also unter dem Konsulate des C. Iulius Caesar und M. Calpurnius Bibulus geboren. Seine Abkunft ist nicht näher bekannt; doch läfst sich aus seiner Parteinahme für die Optimaten und aus der Beurteilung von Emporkömmlingen schliefsen, dafs er von angesehener Familie, aufserdem auch begütert gewesen ist, da er lange Zeit in Rom leben und eine unabhängige Stellung behaupten konnte. Schon deshalb ist 4

1 Plin. Ep. 1, 14, 6: habet aviam maternam Serranam Proculam, e municipio Patavino. nosti loci mores. Serrana tamen Patavinis quoque severitatis exemplum est; Martial. Ep. 11, 16, 8. 2 CIL. I 267; V 1, 271. Suet. Tib. 14; Lucan 7, 193; Sil. It. 12, 218; Claud. Idyll. 6; Patavinorum aquae calidae bei Plin. N. H. 2, 227, j. Bagni d' Abano. 4 Plut. Caes. 47; Gell. 15, 18. Cic. Phil. 12, 10.

693/94 der Catonischen Jahrzählung; nach Eusebius in der Armenischen Übersetzung Ol. 180, 4 = 57 v. Chr.

=

697/98 d. St.

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