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Zeit fortgeführt waren, Ausdruck verliehen, die Kämpfe der Plebs gegen die Aristokratie der früheren Zeit nach den Verhältnissen der Gegenwart geschildert, überhaupt die Einrichtungen seiner Zeit in die Vergangenheit versetzt hat 1. In seine sonst einfache Darstellung flocht er Reden ein; von Cicero, seinem Gegner, wird seine Sorgfalt bei der Sammlung des Stoffes zu seinen Reden ausdrücklich anerkannt 2. Ohne Sorgfalt scheint 29 er auch sonst nicht zu Werke gegangen zu sein, da er, wahrscheinlich durch das damals erwachende Studium des Altertums angeregt, Denkmäler der Vorzeit, wie den Vertrag mit Ardea und die Libri lintei, an das Licht zog und für die Geschichte zu verwerten suchte, wenn er auch, durch Mifsverständnis oder falsche Schlüsse bei der Benutzung der Urkunden, vielleicht Irrtümer in dieselbe éingeführt hat 3. Mit ihm verbunden wird Q. Aelius Tubero genannt, der Ankläger des Ligarius 708/46, dessen Historiae, in welche vielleicht die von Cicero erwähnten historischen Forschungen seines Vaters L. Aelius Tubero aufgenommen waren, in wenigstens 14 Büchern die Zeit von der Einwanderung des Aeneas bis zum Bürgerkriege zwischen Caesar und Pompeius umfafsten und von Dionysios wegen ihrer Genauigkeit gerühmt werden. Weniger bekannt sind die historirischen Schriften des T. Pomponius Atticus, M. Terentius Varro, L. Voltacilius Pilutus u. a. minder bedeutender Männer.

Neben diesen annalistischen Bearbeitungen war frühzeitig eine selbständigere Behandlung der Geschichte zur Geltung gekommen, indem der Stoff sowohl frei gewählt, als auch unabhängig von den Fesseln der Chronik bearbeitet wurde. M. Porcius Cato, ein ebenso strenger Vertreter des alten Römertums als reich an Wissen und Erfahrung in den verschiedensten Verhältnissen, entschlofs sich, nachdem er schon über mannigfache Gegenstände Schriften verfafst hatte, noch als Greis dazu, Geschichte zu schreiben, und war der erste, der nicht allein die griechische Sprache von diesem Gebiete verdrängte, sondern die Geschichtschreibung auch von der Beschränkung durch die Annalen befreite. Es konnte ihm nicht entgehen, dafs die in den Annales maximi enthaltenen, nur auf die grofse Menge berechneten, dürftigen und im Sinne der herrschenden Partei abgefafsten Nachrichten keine sichere Grundlage für eine historische Darstellung seien. In seinem Origines genannten, 7 Bücher enthaltenden Werke, an dem er bis zu seinem Tode 605/149

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arbeitete, überging er daher den ganzen Zeitraum, für den die Annales maximi die wichtigste Quelle waren, indem er zwar die Geschichte der Könige ausführlicher behandelte, dann aber im zweiten und dritten Buche, statt die Geschichte der Republik folgen zu lassen, die alte Geschichte, die Sitten und Einrichtungen der Völker und Staaten Italiens schilderte, weiterhin sogleich zu den punischen Kriegen überging, die er im vierten und fünften Buche kurz und ohne die Namen der Feldherren zu nennen, erzählte, während er in den letzten Büchern über seine Zeit, besonders seine eigenen Thaten ausführlich berich30 tete, auch einzelne seiner Reden einschaltete. Einige Jahrzehnte später, sicher nicht vor 634/120, unternahm es L. Coelius Antipater, ein mit griechischer Sprache und Litteratur und mit der Rhetorik vertrauter Mann, ein ausgezeichneter Jurist, der Lehrer des grofsen Redners L. Licinius Crassus, dann mit ihm wie mit C. Gracchus befreundet und wohl auch dem Fannius und Laelius, welchem letzteren er sein Werk widmete, nicht fernstehend, unabhängig von den Annalen die Geschichte des zweiten punischen Krieges in einem Historiae genannten Werke von sieben Büchern zu beschreiben. Durch die römischen Darstellungen des grofsen Kampfes, wie es scheint, nicht befriedigt, wagte er es zuerst die dem Hannibal und den Karthagern günstigere Geschichte des Silenos, den auch Polybios vielfach benutzt hat, herbeizuziehen und durch die Vergleichung desselben mit den römischen Quellen (z. B. den Annales maximi, Fabius, Cato) ein freieres und sichereres Urteil zu gewinnen. Während er so einer unparteiischen Forschung die Bahn eröffnete und wegen seiner Sorgfalt im ganzen glaubwürdig erscheint, so war er doch nicht selbständig genug, um das den Römern weniger Günstige überall in das rechte Licht zu stellen, und zu abergläubisch, als dafs er hätte unbefangen urteilen können. Wie in dem Stoffe und dessen Behandlung, so trat er auch in der Sprache und Ausdrucksweise den Annalisten gegenüber, führte eine mehr rhetorische Form und einen höheren Stil in die Geschichtschreibung ein und gab ihr so die Gestalt und das Pathos, welches wir späterhin bei den meisten Historikern finden und Cicero an Coelius lobend hervorhebt 3. Wie Fannius, von dem wir nach seinen Beziehungen zu Laelius und

1 Nep. Cat. 3, 3. 2 Cic. de leg. 1, 2, 6: Antipater.. admonere reliquos potuit, ut accuratius scriberent. de leg. 1, 2, 6: Fannii.. aetati coniunctus Antipater paulo inflavit vehementius; Brut. 102: L. Coelius Antipater scriptor fuit ut temporibus illis luculentus.

Polybios annehmen dürfen, dafs er die alte Form der Annalen aufgegeben habe, so suchte auch Coelius (und das Verdienst dieser Neuerung gebührt vielleicht eher dem Coelius als jenem ; Cicero versetzt beide in dieselbe Zeit) nach dem Vorbild der Griechen durch eingelegte Reden die Darstellung zu beleben und die verschiedenen Parteiansichten zu veranschaulichen, worin ihm die Späteren gleichfalls gefolgt sind.

Noch schärfer trat den Annalisten entgegen Sempronius Asellio, der in seiner Jugend unter Scipio vor Numantia als Kriegstribun diente, in höherem Alter in Historiae oder Rerum gestarum libri die Geschichte seiner Zeit, wir wissen nicht, von welchem Anfangs- und bis zu welchem Endpunkte, erzählte. Er 31 selbst spricht sich über diesen Gegensatz zu den Annalisten und die Grundsätze, die er befolgt, entschieden aus 1. Indem so die Historiker den in den Annalen enthaltenen, für die Geschichte bedeutungslosen Stoff 2 beseitigten und sich auf einen kurzen Zeitraum beschränkten, wurde es ihnen möglich, die Ereignisse genauer zu erforschen, ausführlicher darzulegen, ihre Gründe und ihren Zusammenhang nachzuweisen und die Geschichte pragmatisch zu behandeln, wie es von Polybios, dem Zeitgenossen des Asellio, in noch weiterem Umfange und mit tieferer Einsicht geschehen ist. Doch scheint diese Art der Behandlung der Geschichte, da nur Cicero das Werk des Asellio erwähnt, und zwar nur um den Ausdruck in demselben zu tadeln, und die Grammatiker nur wenige Stellen daraus anführen, bei den Römern sehr wenig Anklang gefunden zu haben, so dafs seine nächsten Nachfolger, Claudius Quadrigarius und Valerius Antias, wieder zur Annalistik zurückkehrten. Nur L. Cornelius Sisenna, Prätor 676/78, durch Studien und Reisen gebildet, ging in seinen Historiae zwar auch bis auf die Urgeschichte zurück, wandte sich dann aber sogleich seiner Zeit zu und schilderte diese, besonders den Bundesgenossen- und Bürger

1 Gell. 5, 18, 8 f.: annales libri tantummodo quod factum quoque anno gestum sit, ea demonstrabant ita, quasi qui diarium scribunt, quam Graeci épnμegida vocant. nobis non modo satis esse video, quod factum esset, id pronuntiare, sed etiam quo consilio quaque ratione gesta essent, demonstrare; nam neque alacriores ad rempublicam defendundam neque segniores ad rem perperam faciundam annales libri commovere quicquam possunt; .. id (die Erzählung in den Annalen) fabulas pueris est narrare, non historias scribere. 2 Vgl. Cato bei Gellius 2, 28, 6: non lubet scribere, quod in tabula apud pontificem maximum est, quotiens annona cara, quotiens lunae aut solis lumini caligo aut quid obstiterit.

krieg bis zum Tode Sullas mit Sorgfalt, aber ohne Freimut und ohne den der Geschichte ziemenden Ernst in gesuchter, altertümlicher Sprache. Während in den Werken des unermüdlich thätigen Cornelius Nepos mehr die Sittengeschichte der Römer und das Leben einzelner Männer behandelt wurde, wählte C. Sallustius Crispus, nachdem er in dem Catilina und Jugurtha seinen Beruf zum Geschichtschreiber bewährt hatte, an Sisenna anknüpfend, die Zeit von Sullas Tode bis zum Jahr 687/67 zum Gegenstande seiner Historiae (5 Bücher), in denen er geistreich und künstlerisch, mit scharfer, eindringender Charakteristik der Verhältnisse und Personen, in kraftvollen Reden, dabei in gedrängter Kürze und gefeilter, altertümlich 32 gefärbter Sprache jene Zeit zur Anschauung brachte. Nicht lange vor Livius begann der Zeitgenosse desselben, C. Asinius Pollio, seine Historiae, vielleicht in 17 Büchern, von denen aber nur drei herausgegeben zu sein scheinen. Er behandelte in denselben, von dem Jahr 694/60 beginnend, den zweiten Bürgerkrieg in harter, gedrängter, wenig anlockender Sprache, aber wohl mit der seinem Charakter entsprechenden Schärfe, so dass sie Horaz 1 ein periculosae plenum opus aleae nennt. Ob dasselbe vollendet wurde, ist nicht sicher; wir kennen es nur aus wenigen Bruchstücken, wie auch von den Werken anderer Historiker aus der Zeit des Augustus nur Trümmer erhalten sind. Nicht mehr ist uns bekannt über des Clodius Licinus rerum Romanarum libri 2. Noch unter Augustus' Regierung wurde die zu freimütig geschriebene Geschichte des T. Labienus nach einem Senatsbeschlusse verbrannt; von da an verstummte für längere Zeit die unabhängige Geschichtschreibung 3.

Eine noch grössere Beschränkung des historischen Stoffes trat ein, als das Leben oder die Thaten einzelner Männer von anderen oder von ihnen selbst dargestellt wurden. So hatte schon C. Gracchus eine Schrift über das Tribunat seines Bruders Tiberius verfafst; dann veröffentlichten infolge der Parteikämpfe des 7. Jahrhunderts einzelne hervorragende Männer, teils um ihre Politik zu rechtfertigen, teils um ihre Verdienste zur Anerkennung zu bringen, Autobiographieen oder Memoiren, wie der berühmte M. Aemilius Scaurus, Konsul 639/115, dessen Schrift de vita sua libri tres noch Cicero lesenswert schien, sein Zeitgenosse P. Rutilius Rufus, der wegen ungerechter Verurteilung im Jahre 662/92 oder 663/91 in das Exil 2 29, 22, 10. 3 Tac. Ann. 1, 1.

Carm. 2, 1, 6.

ging und hier aufser einer wenig bekannten und selbst bezweifelten Geschichte wenigstens fünf Bücher de vita sua verfafste, und Q. Lutatius Catulus, dessen Schrift de consulatu et rebus gestis suis seinen Anteil an der Überwindung der Cimbern nachweisen sollte. Dem so gegebenen Beispiel folgend, hinterliefs L. Cornelius Sulla eine 22 Bücher enthaltende, wahrscheinlich lateinisch geschriebene Autobiographie, commentarii rerum gestarum, in der jedoch die Geschichte vielfach gefälscht, seine Gegner herabgewürdigt, seine eigenen Thaten als Fügungen der Götter oder der Fortuna hingestellt waren. Erst C. Iulius Caesar kehrte zu dieser Gattung der Geschichtschreibung zurück, wufste aber den Zweck der Selbstverteidigung so zu verbergen, dafs seine Kommentarien nur verfafst zu sein schienen, um seine grofsen Thaten einfach und schmucklos den Zeitgenossen darzulegen und ihr Andenken für die Nachwelt zu erhalten. In der nächsten Zeit gab der Tod ausgezeichneter 33 Männer, wie des jüngeren Cato, M. Brutus, M. Antonius u. a. Gelegenheit, ihre Verdienste zu preisen, sie anzuklagen oder zu verteidigen, und veranlafste so eine Reihe von Schriften, die den Cicero, Caesar, P. Volumnius, L. Calpurnius Bibulus, Q. Dellius, Tiro u. a. zu Verfassern hatten, während andere selbst wieder ihr Leben schilderten, z. B. Augustus, der seine Thaten bis zum Kriege mit den Kantabrern in 13 Büchern darstellte, M. Vipsanius Agrippa, der eine Autobiographie, und M. Valerius Messala, der eine Denkschrift über die Schlacht bei Philippi, vielleicht in griechischer Sprache, verfafste.

Unter den von Livius benutzten Quellen nimmt die Universalgeschichte des Polybios (das von Silenos, gleichfalls einem Griechen, geschriebene Werk 1 kennt er nur aus Coelius) eine hervorragende Stelle ein. Polybios, schon unter seinem Vater Lykortas in politischen und militärischen Verhältnissen thätig, dann selbständig in dieselben eingreifend, war 587/167 unter den 1000 aus Griechenland weggeführten Achäern nach Rom gekommen und hier 17 Jahre zurückgehalten worden. Er hatte diese Zeit benutzt, um den Charakter der Römer, ihre Geschichte, Verfassung, Sitten und Einrichtungen kennen zu lernen, hatte alsdann den jüngeren Scipio auf seinem Feldzuge gegen Karthago begleitet und später weite Reisen in die östlichen Reiche und die wenig bekannten Gegenden des westlichen Europa unternommen. So vorbereitet schrieb er sein grofses universal

1 26, 49, 3.
T. Liv. I. 1. 8. Aufl.

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