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Befürchtung ausspricht: si in tanta scriptorum turba mea fama in obscuro sit u. s. w. Vielmehr sind, vorzüglich durch ihn, wie es scheint, verdunkelt, alle Werke der Annalisten und Geschichtschreiber, in welchen die frühere Zeit Roms erzählt war, untergegangen; das seinige ist von den geistreichsten Schriftstellern der Folgezeit 1 anerkannt und bewundert, in Prosa und Versen 2 verarbeitet und in vielen Auszügen (Florus, Eutropius) 3 bis zum Untergang der römischen Litteratur (Cassiodorus, Orosius) erhalten worden und die Quelle gewesen, aus der die Kunde der Vorzeit geschöpft wurde. Bei seinen Zeitgenossen fand seine Auffassung und Darstellung der Geschichte so grofsen Beifall, dafs noch bei seinen Lebzeiten sein Name bis an das Ende des Reiches gefeiert wurde 4; aus ihm entnahmen nun die Römer ihre Kenntnis und ihre Ansicht von der republikanischen Zeit, sie fafsten die Thaten und Charaktere derselben in der Gestalt und den Umrissen auf, in denen er sie dargestellt hatte, und wurden durch ihn mit Bewunderung und Begeisterung für dieselbe erfüllt. Ebenso ist Livius im Mittelalter und in den folgenden Jahrhunderten betrachtet und gefeiert worden, und wenn auch er den höheren Anforderungen an die Geschichtschreibung, welche die neueste Zeit stellt, nicht genügt, so wird sein grofsartiges Werk, dem kaum ein anderes im Altertum und in der neueren Zeit an die Seite gestellt werden kann, doch immer die reichste Quelle für die ältere römische Geschichte bleiben, und sein edler Sinn, seine musterhafte Darstellung wird ihm die erste oder doch eine der ersten Stellen unter den Historikern der Römer auch in Zukunft sichern.

1 S. S. 67.

2 Avienus (im 4. Jahrhundert) totum Vergilium
4
3 vgl. Plin. Ep. 6, 20, 5. s. S. 11.

et Livium iambis scripsit.

T. LIVI

AB VRBE CONDITA

LIBER I.

PRAEFATIO.

Facturusne operae pretium sim, si a primordio urbis res populi Romani perscripserim, nec satis scio nec, si sciam, dicere ausim, quippe qui cum veterem tum vulgatam esse rem videam, 2

In der Vorrede entwickelt Livius zunächst § 1-5 die Gründe, welche ihn bestimmt haben, die Geschichte des römischen Volkes zu schreiben.

1. facturusne.. sim] Quint. inst. or. 9, 4, 74 sagt: T. Livius hexametri exordio coepit: 'facturusne operae pretium sim', nam ita edidit, estque melius quam quo modo emendatur, näml.: facturusne sim operae pretium, was sich in allen Handschriften erhalten hat. Obgleich die Alten Verse in der Prosa nicht gestatten, so wird doch der vorliegende von Quintilian wegen der passenden Wortstellung gebilligt. Vielleicht hat Liv. aus diesem Grunde, wenn er anders den Vers bemerkte, eine Veränderung nicht vornehmen wollen. Ähnliche Hexameter, wie 2, 49, 4 viribu(s) Veienti populo pestem minitantes; 4, 57, 7: (Volscis intra) moenia conpulsis nec dependentibus agros; 22, 50, 10: haec ubi dicta dedit, stringit gladium cuneoque facto per medios u. a. haben wohl keinen anderen Grund, oder sie sind Livius entgangen; viele, die aus Teilen verschiedener Gedanken zusammengesetzt werden müssen, wie § 8: haud.. ad illa; 7, 11, 6: porta .. urbis u.a., sind nicht als Verse zu betrachten. facturusne operae pre

tium sim] ob ich etwas, das der Mühe lohnt, d. h. etwas von Bedeutung, etwas 'Verdienstliches' thun werde. So findet sich operae pretium facere auch 25, 19, 11. 30, 3; 43, 21, 5 (anders 27, 17, 14); in demselben Sinne operae pretium est (3, 26, 7) und das häufige operae est (s. zu 24, 6). -a primordio urbis] mit Nachdruck vorangestellt, wie bei Sall. Hist. 1, 6, weil Livius die ganze Geschichte Roms (31, 1, 2: res omnis Romanas) darstellen will, nicht wie andere, z. B. Sallust und Cäsar, nur Teile derselben, etwa blofs die neuere Zeit.

- primordio] der Singular ist selten (vgl. § 7), findet sich aber auch bei den späteren Historikern zuweilen. perscripserim] stellvertretender Conj. Fut. exacti.—ausim] altertümliche Form statt ausus sim; s. Einl. 64. Dieselbe findet sich häufiger bei den Dichtern, bisweilen auch bei Tacitus, ganz vereinzelt bei Cicero (Brut. 18); sie steht nur in potentialem Sinne und bei Prosaikern meist nur in negativen Sätzen (bei Livius ist 6, 40, 5 die einzige Ausnahme).

2. quippe qui] s. zu 49, 3. veterem..vulgatam] allitterierend, wie Plaut. Epid. 3, 2, 14: vetera et volgala verba. rem] vertritt oft die Stelle eines neutralen Be

dum novi semper scriptores aut in rebus certius aliquid allaturos se aut scribendi arte rudem vetustatem superaturos credunt. 3 utcumque erit, iuvabit tamen rerum gestarum memoriae principis terrarum populi pro virili parte et ipsum consuluisse; et si in tanta scriptorum turba mea fama in obscuro sit, nobilitate ac 4 magnitudine eorum me, qui nomini officient meo, consoler. res

=

griffs (etwas') und ist aus dem Zu-, sammenhange zu erklären, hier res populi Romani perscribere. dum] ist hier nicht reine Zeitpartikel, sondern bildet die begründende Erläuterung (indem' oder 'weil') des unbestimmten vulgatam rem, in welcher die beiden Punkte, durch die ein Geschichtschreiber sich ein Verdienst erwerben kann (certius.. allaturos und scribendi arte..; s. Einl. 47 u. 65), und damit das, was Livius selbst erstrebt, zusammengefafst sind. In diesem Sinne findet sich dum bei Livius oft; s. 2, 31, 2. 47, 4. 57, 3. 64, 6; 3, 67,6; 5, 13, 13; 31, 14, 6; 33, 18, 20; 34, 46, 13 u. a.-novi semper.. credunt] ist kurz gesagt statt novi semper existunt, qui credunt, da semper nicht zu allaturos gezogen werden kann; ebenso 5, 42, 6, ohne dafs das Adverbium die Geltung eines Attributs hat; über letzteres s. zu 39, 3. scriptores] wie 59, 11 = rerum gestarum scriptores; das von anderen (auch von Cicero) gebrauchte historicus und historia hat Livius nicht angewandt. Die hier genannten novi scriptores suchen also sachlich oder formell ihre Vorgänger zu übertreffen, deren Darstellung kunstlos und ohne Geschmack war; daher rudem vetustatem; vgl. 3, 32, 8: (Menenius) prisco illo dicendi et horrido modo.. narrasse fertur; 27, 37, 13

u. a.

3. utcumque erit] d. h. wie man auch über mein Geschichtswerk urteilen, ob man ihm den übrigen Historikern gegenüber ein Verdienst beilegen wird oder nicht, ich selbst werde an der Ausführung desselben

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rerum.

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Freude haben (§ 3: iuvabit) und hierin meinen Lohn (§ 5: praemium) finden. populi] eine solche Häufung der Genetive, wo sie der Deutlichkeit nicht nachteilig ist, findet sich auch sonst bisweilen; s. 38, 1; 23, 30, 3; 30, 12, 22 u. a. pro virili parte] gemäfs dem einem Manne zufallenden Anteil, d. h. so viel von mir (gefordert und) geleistet werden kann; s. zu 3, 71, 8. et* ipsum] s. zu 30, 6; es bildet hier für sich schon den Gegensatz ohne me, welches jedoch auch zu iuvabit hinzugedacht werden kann; s. 31, 1, 1: me quoque iuvat, velut ipse in parte laboris fuerim,.. pervenisse.

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-con

suluisse] bezeichnet die bei dem Eintritt des iuvabit gedachte Vollendung. in tanta scriptorum turba] statt eines Kausalsatzes, wie 2, 3, 4. 18, 4; der Ausdruck erinnert an Sallust Vorrede zu den Historien: nos in tanta doctissumorum hominum copia. in obscuro sit*] das Adjektiv im Neutrum mit in vertritt oft die Stelle des Prädikats; s. 2, 3, 1: cum .. in dubio esset; 3, 8, 9: cum exitus haud in facili essent; 3, 68, 11 und oft. nobilitate ac magnitudine] als Schriftsteller berühmte oder durch ihre Stellung angesehene Männer, welche die Geschichte bearbeitet hatten, wie Fabius, Cato u.a.; vgl. dagegen Sall. C. 8, 5.-officient] officere wird bisweilen von Dingen gebraucht, die anderen das Licht entziehen; s. 26, 40, 5: haec eius gloria imperatoris famae officiebat; vgl. 2, 30, 2. 33, 9; 38, 58, 9; Cic. Brut. 66.

4. res est praeterea. .] der erste

est praeterea et inmensi operis, ut quae supra septingentesimum annum repetatur et quae ab exiguis profecta initiis eo creverit, ut iam magnitudine laboret sua; et legentium plerisque haud dubito quin primae origines proximaque originibus minus praebitura voluptatis sint festinantibus ad haec nova, quibus iam pridem praevalentis populi vires se ipsae conficiunt; ego contra 5 hoc quoque laboris praemium petam, ut me a conspectu malo

Grund, warum er fürchtet keine Anerkennung zu finden, liegt in § 3: in tanta.., da er noch nicht weifs, ob es ihm gelingen wird, die grofse Zahl der früheren Schriftsteller durch Treue in der Erzählung und Vorzüge der Darstellung zu übertreffen, der zweite (praeterea) in der Schwierigkeit des Unternehmens, zunächst der Bearbeitung der Geschichte selbst, die durch die Gröfse des Stoffes noch schwieriger wird. Daher gehört res nicht zum Prädikate (= es, die Geschichtschreibung, ist eine Sache von usw.), sondern es ist Subjekt: der Gegenstand selbst, der zu bearbeiten ist, im Gegensatze zu scriptores § 2, und bezieht sich auf den römischen Staat, dessen lange Dauer (ut quae..; s. zu 49, 3) und immer steigende Macht (et quae . .) die geschichtliche Darstellung schwierig macht.

repetatur] 'hinaufreicht über.., wie supra, altius repetere: ausholen, herleiten; vgl. Cic. de rep. 3, 24: noster hic populus, quem Africanus.. a stirpe repetivit. Die Länge der Zeit und die grofse Menge der sie erfüllenden Ereignisse sollen als von einander geschiedene, doch gleichgeltende Gründe betrachtet werden; daher ist quae nach et wiederholt, wie 38, 31, 5: qui consuli M. Fulvio quique Romanis Lacedaemonem dederent; vgl. 34, 3, 1; 38, 21, 6; Cic. Or. 120: annorum septingentorum memoriam uno libro (annali) conligavit (Atticus). et quae] et ist nur verbindend; et vor legentium dagegen korrespondiert mit et vor inmensi. et legentium] der dritte

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Grund des Zweifels. Man hätte nach et inmensi.. auch et ingrati erwartet; statt dessen ist das, wodurch die Sache unangenehm wird, selbst gesetzt. Das Partic. Praes., besonders im Gen. Plur., giebt bisweilen die Bedeutung der Gleichzeitigkeit auf und vertritt die Substantiva, da die Nomina auf tor Klassen von Personen bezeichnen, die nach einer bleibenden Eigenschaft benannt werden; s. § 5: scribentis; 8, 5: condentium; 25, 4: spectantis; 5, 22, 3: colentium; 25, 26, 8; 44, 40, 7 u. a. — - plerisque] mit partitivem Genetiv, wie 9, 45, 17. 46, 12: plerique nobilium. - minus praebitura voluptatis] anders Thuk. 1, 22, 4: és μèv axgóagir ïows tò μì μvdâdes avτῶν ἀτερπέστερον φανεῖται. Dals er die Geschichte der neueren Zeit besonders erzählen wolle, hat Livius schwerlich mit diesen Worten angedeutet. origines.. originibus] s. zu 53, 4. haec] das, was dem Schreibenden gleichzeitig ist oder seiner Zeit naheliegt; daher ist nova hinzugefügt; s. 3, 12. 5, 14. 55, 9 u. a., Cic. de leg. 1, 8: in hac memoria atque aetate nostra. Nach dem folgenden meint Livius die Bürgerkriege, welche für die Zeitgenossen mehr Interesse haben als die alte, namentlich die Mythenzeit (§ 5: prisca illa); s. Einl. 58.

5. ego contra . ] während andere nur Vergnügen in der neueren Geschichte suchen, finde ich dagegen Trost in der älteren, die ich ohne Furcht, jemand zu verletzen, darstellen kann. Der Gedanke steht § 3 parallel und quo

rum, quae nostra tot per annos vidit aetas, tantisper certe, dum prisca illa tota mente repeto, avertam, omnis expers curae, quae scribentis animum etsi non flectere a vero, sollicitum tamen efficere posset.

6 Quae ante conditam condendamve urbem poeticis magis decora fabulis quam incorruptis rerum gestarum monumentis 7 traduntur, ea nec adfirmare nec refellere in animo est. datur haec venia antiquitati, ut miscendo humana divinis primordia urbium augustiora faciat; et si cui populo licere oportet consecrare origines suas et ad deos referre auctores: ea belli gloria est populo Romano, ut, cum suum conditorisque sui parentem Mar

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que bezieht sich auf iuvabit tamen.

nostra.. aetas] das Attribut ist zur Hervorhebung vorangestellt; Livius trennt es aber auch sonst oft von seinem Substantiv durch Einfügungen jeglicher Art, wie überhaupt bei ihm die Wortstellung nicht selten freier als bei früheren Prosaikern und mehr dichterisch ist; vgl. 4, 6. 7, 7. 8. 9. 11, 6. 15, 1. 4. 18, 1. 35, 9. 56, 8; 2, 18, 4. 42, 10; 3, 1, 4; 5, 15, 7; 6, 20, 12. 25, 11; 7, 10, 13; 9, 33, 6; 23, 37, 2; 26, 27, 16; 28, 12, 6; 30, 12, 6. prisca illa tota*] s. zu § 4. tot per annos] 5, 21, 7: tot per dies. scribentis] s. § 4; dagegen § 1 und 59, 11: scriptoribus; scribere ist, wie hier, bisweilen aus dem Zusammenhange zu erklären. flectere a vero] durch Entstellung oder Übergehen der Thatsachen, durch Zusätze usw.

sollicitum] befangen, besorgt, manchen, der noch lebte, oder Angehörige von Verstorbenen zu verletzen. efficere] gewöhnlicher bei Liv. ist facere; s. zu 2, 60, 4. posset*] kondizional: welche 'sonst' wenn derselbe nicht expers curae wäre; vgl. 35, 3.

6-12. Plan und Zweck des Werkes. 6-7: die Wahrheit der mythischen Periode mag man auf sich beruhen lassen, obgleich sie dem Charakter und der Gröfse des römischen Volkes entspricht.

6. ante conditam condendamve]

Liv. hielt conditam, da es alles vor der Gründung der Stadt Geschehene, auch das nicht zu ihr in Beziehung Stehende umfafste, für zu weit und fügte condendamve (= 'oder vielmehr ehe sie gegründet werden sollte') beschränkend hinzu, indem er sich auf das bezieht, was nach dem Fatum (s. 1, 4. 4, 1) der Gründung der Stadt vorhergehen mufste: die Ankunft des Aneas, die Erbauung Albas, die wunderbare Geburt des Romulus usw. Zum Ausdruck vgl. 21, 21, 8: inter labores aut iam exhaustos aut mox exhauriendos. An unserer Stelle hat sich das Gerundiv an die Konstruktion mit ante angeschlossen, während es sich bei dieser Präposition in der guten Prosa sonst nicht findet; s. Verg. G. 3, 206. decora*] heifst gewöhnlich bei Livius 'angemessen, passend für'; hier 'ausgeschmückt', wie 7, 10, 7. incorruptis rerum gestarum monumentis] nach treuen, unverfälschten Quellen der Geschichte; vgl. 6, 1, 2.- adfirmare..] vgl. 5, 21, 9; 37, 48, 7; Tac. G. 3.

7. antiquitati] vgl. Tac. G. 2. primordia] hier, um mit origines abzu wechseln; vgl. lust. 2, 1, 14: utriusque primordii Scythas origine praestare. - ea.. est] enthält den Grund zu dem zu ergänzenden Gedanken: so darf es das römische Volk; vgl. zu 28, 5. Über ea s. zu § 11: adeo. — est populo Romano] gehört ihm an als Eigentum,

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