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schreckender Steigerung wuchs namentlich in den drei letzten Decennien des sechsten Jahrhunderts das innere Verderben, die Sittenlosigkeit1), Feilheit, die unersättliche Bereicherungswut, die um Nichts sich kümmerte, über Gesetze, Senatsbefehle, Staatsprocesse frech sich hinwegsetzte, eigenmächtig Krieg führte, ohne Erlaubniss Triumphe feierte, die Provinzen aussog, die Bundesgenossen beraubte. Schimpfliche Verträge und Friedensschlüsse werden immer häufiger. Statt früher durch virtus vergröszert sich jetzt Rom durch Hinterlist, Treulosigkeit und diplomatische Ränke. Eine gewisse Bildung verbreitet sich freilich allmählich auch über die Masse: schon die vielen griechischen Fremdwörter bei Plautus (und Ennius) zeugen hiefür'), und dasz die ludi scenici immer mehr das Übergewicht gewinnen über die circenses.") Aber was in den dramatischen Spielen dem Volke hauptsächlich geboten wurde, die Stücke der palliata, trug selbst wiederum zur Auflösung der Sitten erheblich bei, und gelegentlich trat auch unverkennbar zu Tage dasz diese Bildung doch nur ein leichter Firniss war, der von selbst abfiel sobald man sich gehen liesz.4)

92. Was das sechste Jahrhundert gereift hatte, das voll- 90 endete das siebente; schon das J. 608/146 brachte Karthago's und Korinths Zerstörung. Mit Karthago war eine Mahnerin zu fortgesetzter kriegerischer Tüchtigkeit für immer verstummt, und weitsichtiger als der alte Eiferer Cato beweinte daher der welcher sie zerstören muszte selbst ihren Fall; Korinths Untergang und die Vernichtung der hellenischen Selbständigkeit trieb die Hellenen schaarenweise nach Rom, um dort Ersatz zu finden für die verlorene Heimat. Mit dem eigentümlich römischen Wesen war es jetzt für immer zu Ende: Graecia capta ferum victorem cepit. Aus dem sechsten Jahrhundert herüber ragt in das siebente herein die edle Gestalt des jüngeren Africanus (c. 570/184625/129), des Freundes von Panaitios und Polybios; um ihn sammelt sich Alles was nicht untergehen will in dem Strome

1) Vgl. Polyb. 31, 24 und bes. 32, 11 (p. 1096 Bk.).

2) Mommsen RG. 16, 877. ASaalfeld, index graecorum vocabulorum in linguam lat. translatorum. Berl. 1874. NJTuchhändler, de vocabb. graec. in lat. translatis. Berl. 1876.

3) J. 574/180 dauern die circenses zwei Tage, die scenici fünf (Liv. 40, 52); J. 580/174 die circenses einen Tag, die scenici vier (ebd. 42, 10). 4) Vgl. z. B. Polyb. 30, 13 (aus Athen. 14. p. 615) vom J. 587/167.

des Egoismus, der Geldgier und Sittenlosigkeit: von Altersgenossen (auszer Terenz) sein Bruder Q. Fabius Maximus (Cos. 609/145), sein Schwager Q. Aelius Tubero, M'. Manilius (Cos. 605/149), der jüngere Laelius (Cos. 614/140), D. Junius Brutus (Cos. 616/138), L. Furius Philus (Cos. 618/136), Sp. Mummius, Sex. Pompejus, P. Rupilius (Cos. 622/132), C. Lucilius (geb. um 575/179); von jüngeren Männern die Schwiegersöhne des Laelius, C. Fannius und Q. Mucius, sowie der jüngere Tubero, P. Rutilius, A. Verginius u. A.1) Aber je stärker der Gegensatz war in welchem das Denken und Tun dieses Kreises zu der herrschenden Richtung stand, desto mehr gerieten sie in aristokratische Absonderung hinein und desto geringer wurde ihr Einflusz. Der Bankrott der Nobilität, die innere Fäulniss der höheren Stände tritt zu Tage im numantinischen Kriege (J. 611/143-621/133) und regt die Gracchen (J. 621/133-631/123) zu ihren Anstrengungen auf; er bekundet sich grell im jugurthinischen Kriege (J. 643/111-648/106) und macht es der rohen Kraft des geistig wenig bedeutenden Marius möglich wunderbare Erfolge zu gewinnen. Damit dasz er griechisch nicht versteht bildet dieser bereits eine Ausnahme in seiner Zeit"), ohnehin von der regierenden Classe3); schon die Aufführung griechischer Stücke zu Rom in griechischer Sprache zeigt die Verbreitung dieser Kenntniss. Manche Inschriften aus dieser Zeit sind in beiden Sprachen verfaszt, und die Römer, früher in der palliata sich selbst als barbari mitbezeichnend, teilen jetzt mit den Griechen die Herrschaft, sie auf dem Gebiete der Politik, die Griechen auf dem der Bildung. Die römischen Schriftsteller der Zeit erkennen das Übergewicht der griechischen Literatur an, die einen indem sie auf Wetteifer in der Form Verzicht leisten, wie Lucilius, Andere indem sie Correctheit und Glätte in zunehmendem Masze erstreben, wie L. Accius; Manche lassen sich durch blinde Nachahmung sogar ins Tändelnde führen, wie die erotischen Epigrammatiker. Die politischen Verhältnisse bewirken zunehmende Ausdehnung und Verfeinerung der Volkslustbarkeiten.) Fort

1) Vgl. Cic. Lael. 101.

2) Sall. Jug. 85, 32.

3) P. Crassus, Cos. 623/131 versteht fünf griechische Dialekte, s. § 133, 5 E.

4) Vgl. § 12, 3. Vereinzelt und wirkungslos war der Reactionsversuch der Censoren des Jahrs 639/115; s. § 9, 7.

während überwiegt daher auch in der literarischen Production das Drama. Die Tragödie hat im siebenten Jahrh. an L. Accius einen achtbaren Vertreter; innerhalb der Komödie lösen sich palliata, togata, kunstmäszige Atellane und kunstmäsziger Mimus in rascher Folge ab, zeigen aber eben in dieser Stufenfolge ein immer tieferes Herabsteigen zum Geschmacke der Masse, zur plebejischen Posse und zu gemeinem Sinnenkitzel. Das Epos zehrt noch an dem Aufschwunge den es nach der Mitte des sechsten Jahrh. (in Naevius und Ennius) genommen und findet in der Gegenwart keinen Antrieb zu neuem Aufblühen. Überhaupt war auszerhalb des Dramas die poetische Production fast erloschen; kaum dasz Lucilius und jene Erotiker eine Ausnahme machen. Der Nation als solcher fehlte es an dichterischem Vermögen und Streben, und die inneren Unruhen lieszen es auch zu keiner Sammlung kommen. Dagegen Geschichtschreibung, Beredsamkeit und Rechtskunde wachsen in der Treibhaushitze der politischen Kämpfe rasch an Umfang und Gehalt. Unter den Geschichtschreibern sind die bemerkenswertesten im siebenten Jahrh. d. St. Piso Frugi, Antipater, Asellio, weiterhin die jüngsten Vertreter der Annalistik, Valerius Antias, Sisenna und Licinius Macer. Die glänzendsten Redner sind, nächst C. Gracchus, M. Antonius und L. Crassus. Die Jurisprudenz ist durch die beiden Q. Scaevola, Augur und Pontifex, am besten vertreten. Die Forschung wird von der Mitte des siebenten Jahrh. an emsig nach allen Seiten hin betrieben, in Prosa wie in gebundener Form, meist zwar nicht von eigentlichen Römern, auszer L. Aelius Stilo.

93. In Bezug auf Sprache und Metrik sind die beiden Jahr- 91 hunderte eine Zeit lebendigster Entwicklung und schlieszen schon alle die drei Stufen in sich durch welche die Geschichte der römischen Poesie überhaupt verlaufen ist, die des Saturnius, der poetae scenici und der daktylischen Dichter. Tief gewurzelt ist im Lateinischen der Trieb die Vocallängen (besonders im Auslaut) zu Kürzen abzuschwächen, die auslautenden Consonanten aber zu verdunkeln und abzustoszen; schon im sechsten Jahrh. d. St. war daher das Lateinische auf dem Wege in umbrische Stumpfheit zu verfallen, die Flexionsformen zu trüben, die Declination einzubüszen und so schon jetzt zu einer romanischen Sprache zu werden. Die poetae scenici hatten in jenen Be

ziehungen der nachlässigen und schwankenden Aussprache des gewöhnlichen Lebens viele Zugeständnisse gemacht. Während der Saturnius weder die Verlängerung eines kurzen Vocals durch das Nachfolgen von zwei Consonanten (die Positionslänge) kennt noch den Hiatus scheut und in die Senkung nicht nur nach Belieben kurze oder lange Silben gestellt sondern dieselbe auch oft genug völlig unterdrückt hatte, so haben die älteren dramatischen Dichter in allen diesen Beziehungen wenigstens lockere Grundsätze befolgt. Die Positionslänge haben sie kaum anerkannt, für den Hiatus zeigen sie geringe Empfindlichkeit, die Senkung fehlt zwar niemals bei ihnen, aber die alte Unbestimmtheit hinsichtlich der Quantität der Silben welche in sie fallen besteht auch bei ihnen noch fort.) Erst Ennius hat in diesen drei Punkten sich gröszerer Strenge beflissen. Zwar anlautendes s hat auch er prosodisch unberücksichtigt gelassen; es war demnach schon in seiner Zeit vor Consonanten so gut wie unhörbar; erst von den alexandrisierenden Dichtern gegen Ende der Republik wurde es als voller Laut anerkannt.) Aber in allem Übrigen hat Ennius mit scharfem Schnitte der Unbestimmtheit ein Ende gemacht, indem er jedem in der gesetzmäszigen Sprache vorhandenen Laute seine Geltung verschaffte, jede Silbe in einer der beiden groszen Kategorien Lang oder Kurz unterbrachte und diese Scheidung in allen zweifelhaften Fällen mittelst feinhöriger Belauschung dessen was in correcter Aussprache das Übergewicht hatte vollzog.) In Zusammenhang damit erhielt auch die Senkung ihre feste Regelung, und der Hiatus wurde grundsätzlich vermieden. Diese neue Prosodik war die Folge davon dasz Ennius ein in der römischen Literatur neues Masz eingeführt hatte, den daktylischen Hexameter, worin er auch die Auflösung der Hebungen beseitigte, welche in allen vor ihm angewandten Maszen, dem saturnischen wie den scenischen, geübt worden war. Freilich erstreckte sich sein Einflusz nur auf die Schriftsprache und die nach dieser sich modelnde Sprache der Gebildeten; die kunstlose Praxis des gewöhnlichen Lebens ging daneben noch geraume Zeit ihre eigenen alten Wege fort. Nicht nur dasz der Saturnius auch nach Einführung des Hexameters noch eine gute Weile fort

1) Vgl. Ritschl, opusc. 2, 583.

2) Vgl. Cic. or. 161.

3) FRitschl, opusc. 4, 400.

bestand, in den öffentlichen Denkmälern und in den volksmäszigen Formen dramatischer Lustbarkeit: auch eine Art von Vulgärmetrik bestand im siebenten Jahrh., welche sich zwar des Hexameters bediente, auf diesen aber die prosodischen Freiheiten der scenischen Dichter des sechsten Jahrh. übertrug und namentlich die Auflösung der Hebungen beibehielt; so in der Inschrift des Mummius (§ 163, 8) und den sortes welche fälschlich Praenestinae heiszen. Selbst bei den Kunstdichtern zeigte sich die Einwirkung der nationalen Weise wenigstens in ihrer fortwährenden Vorliebe für die Alliteration. 1) Im Ganzen aber hat Ennius das Verdienst den drohenden Zerfall des Lateinischen wenigstens für die Schriftsprache auf mehrere Jahrhunderte aufgehalten zu haben.

Wie die Sprachformen selbst in dieser Zeit fixiert wurden, so auch deren Wiedergabe durch die Schrift. Das lateinische Alphabet2) stammt von einem jüngeren griechischen, dem dorischen der Griechen in Kyme (Cumae) und in Sicilien, und wurde deshalb von Anfang an von links nach rechts geschrieben. Es bestand aus 21 Buchstaben, worunter X und Z, aber nicht G. Im sechsten Jahrhundert führte der Freigelassene des Cos. 520/234 und 526/228, Sp. Carvilius (§ 128), das Schriftzeichen G ein und setzte es an die Stelle des von Anfang an unpopulären und allmählich auszer Gebrauch gekommenen Z3), welches erst in der ciceronischen Zeit, zusammen mit Y, (wieder) in die Schrift kam und nun seinen Platz am Schlusse des Alphabets erhielt. Das Alphabet des Carvilius bestand so gleichfalls aus 21 Buchstaben. Andere Bestimmungen der Schreibung knüpfen sich an die Namen von Dichtern an, weil bei dem schwankenden Zustande der lateini

1) FNäke, de alliteratione sermonis lat., RhM. 3 (1829), 324. JMähly, N. Schweiz. Mus. 4 (1864), 207. ELoch, de usu alliterationis apud poetas latinos, Halle 1865. HJordan, Krit. Beitr. z. Gesch. d. lat. Spr. (Berl. 1879) 167.

2) Vgl. Mommsen, die unteritalischen Dialekte (Lpz. 1850), 3; RG. 1o, 210. AKirchhoff, Stud. z. Gesch. d. gr. Alphab. 107. 116. 120. WCorssen, PRE. 12, 803. FRitschl, zur Geschichte des lat. Alphabets, opusc. 4, 691. 3) HJordan, krit. Beitr. z. Gesch. d. lat. Spr. (Berl. 1879) 155 schreibt beide Neuerungen dem Appius Claudius (§ 90) zu. Die bis jetzt bekannten ältesten Inschriften mit G sind nicht älter als die Zeit des Carvilius, so dasz daraus kein Grund gegen die Überlieferung hergenommen werden kann. Vgl. auch LHavet, rev. d. philol. 2 (1878), 15,

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