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Die Poetik lehrte das Mechanische der Poesie, und zeigte also, wie man alle Arten von Versen gehörig machen solle.

In Ansehung der Ausübung, haben wir ge sehen, daß sich die Musik gleichfalls in drep Künste theilte; in die Kunst die Instrumente zu spielen, in die Kunst zu singen, und in die Kunst der Bewegungen.

Man kann leicht errathen, was das für Unterricht müsse gewesen seyn, den die Organische Musik, welche die Instrumente zu spielen lehrte, und diejenige Musik ertheilte, welche die Singekunst genennt wird. Was die hypocritische, oder die nachäffende Musik anbelangt, die deswe gen so hieß, weil sie eigentlich die Musik der Komödianten war, die bey den Griechen gemeiniglich Hypocriten oder Nachäffer hiessen, so lehrte sie die Kunst der Bewegungen, und zeigte, wie man dasjenige nach den Regeln einer festen Methode, und nach gewissen Grundsägen in Ausübung bringen solle, was wir heut zu Tage bloß durch Hülfe des natürlichen Triebes, oder aufs höchste, vermittelst eines Schlendrians verrichten, der sich nur auf wenige Anmerckungen stüßt. Die Griechen nennten diese Musikalische Kunst OpXyois und die Römer Saltatio.

Porphyrius, welcher ohngefehr zweyhun dert Jahr nach dem Uristides Quintilianus lebte, und uns einen Commentar über des Ptole maus drey Bücher deuovinov hinterlassen hat,

theilet

theilet die musikalischen Künste nur in fünf vers fchiedene Künste, nehmlich in die metrische, in die rithmische, in die organische, in die poetische nach ihrem weitesten Umfange, und in die hypo critische. Man findet also, wenn man die Ein theilung des Aristides mit der Eintheilung des Porphyrius vergleicht, daß Porphyrius zwey Künste weniger zehlet als Aristides. Diese zwey Künste sind die Melopåie und die Singekunst. Wenn aber, der Verschweigung dieser zwey Künste ungeachtet, Porphyrius gleichwohl fünf musikalische Künste zehlet, an statt daß er, nach dieser Verkürzung, derselben nur viere zehlen follte; so kommt es daher, weil er unter diese Künste auch die metrische Kunst rechnet, deren Aristides gar nicht gedenkt. Allein diese Verfchiedenheit in der Zahl der musikalischen Künste hindert im geringsten nicht, daß nicht beyde Schriftsteller im Grunde einerley sagen sollten. Wir wollen uns bemühen die Schwierigkeit da bey zu erklären.

Sobald Porphyrius sagte, daß er die poeti= sche Kunst nach ihrem weitesten Umfange anneh me, wie er es denn ausdrücklich sagt, so konnte er der Melopăie, oder der Kunst die Melodie zu verfertigen, als einer besondern musikalischen Kunst durchaus nicht gedenken, weil diese legtere Kunft unter der poetischen Kunst, in ihrem weitesten Umfange genommen, begriffen war. Die Kunst die Melodie zu verfertigen war auch B2

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in der That, nach dem Gebrauch der Griechen, ein Theil der Poetik. Man wird es unten sehen, daß die griechischen Poeten die Melodie zu ihren Stücken selbst verfertigen. Wenn aber Gegentheils Aristides aus der Poetik und aus der Melopaie zwen verschiedene Künste macht, so sahe er damit auf die Gewohnheit der Römer, nach welcher die dramatischen Dichter die Declamation ihrer Verse nicht selbst componirten, sondern sie durch besondre Künstler, welche Composi teurs von Profeßion waren, und vom Quintilian Artifices pronunciandi genennet werden, componiren treffen. Wir werden in der Folge weitläuftiger hiervon handeln.

Aus eben diesem Grunde ist Porphyrius dem Aristides auch hierinn nicht gefolgt, daß er aus. der Singekunst eine besondere musikalische Kunst gemacht hätte. Diejenigen welche in Griechen land die Poetik in ihrem ganzen Umfange lehrten, lehrten wahrscheinlicher Weise auch die Kunst, alle Arten des Gesanges oder der Decla mation wohl auszuüben.

Wenn aber Porphyrius seines Theils aus der rithmischen Kunst, aus welcher Aristides nur ei ne einzige Kunst macht, zwen verschiedene Künste macht, und sie in die metrische und in die eigentlich so genannte rithmische Kunst eintheilet, welche Aristides beyde unter dem Namen der Richmopåie begriffen; so kömmt es wahrscheinlicher Weise aus folgender Ursache her. Die Kunst

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der Pantomimen, welche unter der Regierung des Augustus entstand, hatte vielleicht in den zwey Jahrhunderten, die von der Zeit des Aristides bis auf die Zeit des Porphyrius verstrichen, fo grosse Progreffen gemacht, daß die Schauspie ler gleichsam genöthiget wurden, die rithmische Kunst zu zertheilen, und zwey verschiedene Künste daraus zu machen. Die eine von diesen Künsten, die metrische oder messende nehmlich, lehrte, wie man eine jede Art von Bewegungen (Gestus) in jeder Art von Tönen, die in einen gewissen Taft zu bringen waren, einem ordentlichen bestimmten Maafse unterwerfen folle; die an dre Kunst aber, nehmlich die rithmische, lehrte bloß und allein, wie man diesen Tact gehörig schlagen, und zwar mit einer anständigen Bewegung schlagen müsse. Wir werden weiter unten sehen, daß nach der Meinung der Alten, die Bewegung (des Tafts) bey der Ausübung der Musik das allerwichtigste war; und die Erfindung der Kunst der Pantomimen wird sie ohne Zweifel angetrie ben haben, alles dasjenige noch genauer zu unters suchen, was die Kunst dieser Bewegung vollkommener machen könne. So viel ist, wie wir zeigen werden, gewiß, daß seit der Regierung des Augustus bis auf den gänzlichen Verfall des abendländischen Reichs, die Vorstellungen der Pantomimen dem römischen Volcke das aller angenehm fte Vergnügen waren.

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Ich schliesse also, daß der Unterschied, welcher fich unter der Zahl der musikalischen Künste, so wie fie Aristides Quintilianus angiebt, und unter der, welche Porphyrius davon feste seht, findet, nur ein scheinbarer Unterschied sey, und daß fich diese zwen Schriftsteller im Grunde nicht widersprechen.

Ich will mich hier unterbrechen, um eine Unmerckung zu machen. Da die Musik der Alten von so viel Dingen methodische Lehren ertheilte, da ihre Vorschriften den Sprachkundigen eben fo nüßlich, als nothwendig den Poeten, und allen denen waren, welche öffentlich zu reden hat. ten; so darf man sich gar nicht mehr wundern, daß sie die Griechen und Römer (*) für eine nothwendige Kunst gehalten und ihr so viel Lobsprüs che ertheilt haben, welche der unsrigen gar nicht zukommen. Man darf gar nicht erstaunen, daß Aristides Quintilianus (**) gesagt hat, die Mufit sey eine allen Altern des menschlichen Lebens nöthige Wissenschaft, weil sie nicht allein das, was Kinder, sondern auch das, was erwachsene Personen wissen müßten, lehre.

Quintilian schreibt aus eben dieser Ursache, daß man nicht allein die Musik verstehen müsse, wenn man ein Redner feyn wolle, sondern daß man auch nicht einmal ein guter Sprachkundige feyn könne, ohne sie gelernt zu haben, weil man

Quint. Inft. lib. I. cap. 12.

de Mufic. libro I.

Die

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