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ERGÄNZUNGSBLÄTTER

ZÚR

ALLGEMEINEN LITERATUR ZEITUNG

JURISPRUDENZ.

Januar 1835.

LEIPZIG, b. Focke: Quaestionum de Servio Sulpicio Rufo, Jurisconsulto Romano, Specimina, scripsit Robertus Schneider, J. U. et Phil. Dr. Spec. 1. X u. 102 S. Spec. II. VI u. 32 S. gr.8. (16 gGr.)

Bald ist ein Jahrhundert' vergangen, dafs in

Deutschland keine Monographie über Servius Sulpicius erschienen ist. Selbst die Schrift eines Italieners, die anonym zu Venedig unter dem Titel: Le vite de quattro illustri Senatori Romani, Q. Ortensio Oratore, M. Porzio Catone Uticensae Filosofo, Servio Sulpicio Rufo Guirisconsulto, et L. Annaeo Seneca Filosofo 1749 herauskam, scheint in Deutschland ganz unbekannt geblieben zu seyn, da selbst Haubold sie nicht anführt, und auch der Vf. der vorliegenden Schrift sie nicht kennt. Auffallend ist diese lange Nichtbeachtung des Servius, da er nicht blofs für Juristen, sondern auch für Philologen und Historiker interessant genannt werden mufs. Er ist für Philologen interessant. Denn sein Lob als Gelehrter in allen Zweigen der Wissenschaft wird mit dem gröfsten Feuer an sehr vielen Orten von seinem Freunde Cicero gepriesen, und Wer hat nicht seinen schönen Trostbrief an Cicero gelesen. Ebenfalls aus Gellius (N. A. 4, 12 vir suae aetatis doctissimus), aus dem ältern Plinius, Quintilian, Festus und Macrobius sollte er den Philologen bekannt seyn. "Auch ist es wohl gerade der Umstand, dafs die Beschäftigung mit ihm die Lectüre der Klassiker, be.sonders von Cicero, erfordert, welcher den Vf. zur Beschäftigung mit Servius, wie ihn die Juristen ge-wöhnlich allein nennen, geführt hat. Denn Hr. Schneider, ein Pflegsohn von Goerenz, wie man aus der Dedication an denselben und F. A. Schilling erfährt, ist mit Geschmack und Gründlichkeit in Cicero's Schriften eingedrungen, und hat sich dessen Sprache angeeignet. Aber Servius ist auch wichtig für Roms Geschichte. Denn der Einfluss der Lebens-beschreibung eines ausgezeichneten Mannes in einer -bedeutungsvollen Zeit auf genauere Kenntnifs dieser ganzen Zeit ist nicht zu verkennen. Die Wahrheit dieser vom Vf. am Eingange aufgestellten Behauptung wird durch das eben erschienene Werk Drumann's !(Geschichte Roms in seinem Uebergange von der Republik zur monarchischen Verfassung Bd. I. Königs-berg 1834) auf das Glänzendste documentirt, indem

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die eben so glücklich gewählte als ausgeführte Form Zeit dem Leser Roms Geschichte in das hellste Licht von Biographieen der bedeutendsten Römer jener

stellt. Eben in diese stürmische Periode fiel des Servius Leben. Aber nicht blos die Staatsverfas

sung veränderte sich in ihr, sondern auch in geistiger Hinsicht geschah jetzt Alles, damit der Zauber Römischer Dicht- und Geschichts- Kunst den endlichen Sieger Augustus verherrlichen und Griechenland die Römer als seine gebildeten Söhne erkennen konnte.

Der Vf. theilt die Untersuchung über Servius in zwei Theile. Der eine soll seine Lebensbeschreibung, insbesondere seine unmittelbare Thätigkeit für die Republik (de vita rebusque ab eo gestis), der andere seine wissenschaftliche Thätigkeit (quantum in literis praestiterit) enthalten. Der Vf. hat für gut befunden, zuerst nur den zweiten Theil, jedoch auch nicht mit einem Male, sondern nur in einzelnen Gemälden seinen Lesern darzustellen. So sehr Rec. von dem überwiegenden Interesse des zweiten Theiles überzeugt ist, so scheint doch die Forderung an den Vf. nicht ungerecht, dafs derselbe hier wenigstens die wichtigsten Data aus dem Leben des Servius ganz in der Kürze hätte zusammenstellen sollen. Denn dafs ein Eingehn auf die Lebensverhältnisse des Mannes auch in diesem zweiten zuerst behandelten Theile nothwendig war, beweist zur Genüge die Untersuchung des Vfs, welche uns die Bildungsgeschichte des Servius, und den grofsartigen Erfolg der vielseitigen Bestrebungen desselben vor Augen führt.

Servius beschäftigte sich zuerst mit der Redekunst; und bei den verschiedenen Ansichten von M. Antonius und L. Crassus, von denen Jener die Rechtskenntnisse entbehren zu können glaubte, Dieser sie jedem Redner für nothwendig erklärte, theilte Servius zuerst die Ansicht von Antonius. Doch diese Unwissenheit im Rechte soll ihm, wie Pomponius erzählt, einen starken Verweis von Q. Mucius zugezogen haben. Die Richtigkeit der dieser Erzählung vorangehenden Worte (fr. 2. §. 43. D. 1, 2 Servius, cum in causis orandis primum locum aut pro certo post M. Tullium obtineret, traditur ad consulendum Q. Mucium de re amici sui pervenisse, etc.) kann jetzt nicht weiter vertheidigt werden, da der bisherige Rettungsversuch obtineret für obtinere potuisset zu lesen nach Hermann, wie der Vf. mittheilt, sich unmöglich mit den Regeln der

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Grammatik verträgt. Pomponius verdient also auch hier, wie an vielen andern Orten den Vorwurf der Ungenauigkeit. So viel ist aber gewifs, dafs Servius nach seiner Rückkehr von Rhodus, wo er im Jahre Roms 676 den Rhetor Apollonius Molo und den Stoiker Posidonius gehört hatte, sich einzig und allein mit der Jurisprudenz beschäftigte. Lucilius Balbus und Gallus Aquilius waren hierin hauptsächlich seine Lehrer, und zwar schliefst der Vf. aus den Worten des Pomponius (a. a. O. eos, de quibus locuti sumus, audiit, institutus a Balbo Lucilio instructus autem maxime a Gallo Aquilio, qui fuit Cercinae, itaque libri complures eius exstant Cercinae confecti), dafs beide Juristen ihn nicht blos bei Ertheilung ihrer Responsa zugezogen, sondern auch aufserdem Unterricht ihm ertheilt, so dafs Masuvius Sabinus nicht der Erste ist, der solchen juristischen Unterricht gegeben, sondern nur der Erste, der daraus ein Gewerbe gemacht. Die zuletzt angeführten Worte des Pomponius geben dem Vf. Veranlassung zu behaupten, dafs während des Kampfes zwischen Cäsar und Pompejus im Jahre 705 Servius sich auf Circina, einer Insel nahe bei Africa aufgehalten. Namentlich soll dafür eine angeblich bisher übersehene Stelle (Caesar de Bello Civili II, 44) beweisend seyn, worin erzählt wird, dafs 705 Juba mit mehreren Römischen Senatoren, unter denen auch Servius Sulpicius, dem Cäsar nach Utica gefolgt sey. Denn die Entfernung Uticas von Cercina sey nur gering. Doch hier ist der Vf. in Irrthum. Denn unser Servius hielt sich während der Zeit des Kampfes zwischen Cäsar und Pompejus in Italien auf (Cicero ad familiares IV, und Otto im Leben des Servius cap. X. §. 5), seinen Sohn aber liefs er sich an Cäsar anschliefsen (Cicero ad Atticum IX, 19), und von ihm gesendet, ging dieser Sohn zuerst nach Sicilien, dann nach Africa, wo wir ihn auch nach jener Annahme finden. Doch dünkt dem Rec. überhaupt die Annahme, dafs in den Worten des Pomponius qui auf das entferntere Subject gehe, unbewiesen, und die Behauptung ohne vorausgesetztes Punktum (was der Vf. auf die Auctorität von Hermann setzen will) qui fuit Cercina zu lesen, nur mit einem vorangehenden Comma, und das qui auf Gallus Aquilius zu beziehen, wornach also der Sinn dieser ist: Gallus Aquilius war aus Cercina gebürtig, weshalb auch mehrere Bücher von ihm dort geschrieben sind, scheint viel mehr für sich zu haben. Unser Servius war nicht blos princeps in iure civili (Cicero Brutus cap. 42), wozu auch das Priesterrecht gehörte, sondern selbst die Rechte der Griechen und der alten Latinen waren ihm nicht fremd. Die Behauptung Ottos, dafs Servius mehr aus der stoischen Philosophie als aus einer andern entlehnt habe, kann freilich nicht strenge bewiesen werden; wohl aber scheint sie so wahrscheinlich, dafs Rec, sie nicht mit dem Vf. leugnen möchte.

Um die Verdienste des Servius als Schriftsteller zu würdigen, geht der Vf. auf seine Vorgänger zu rück, namentlich auf den Q. Mucius, und weist nach,

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dafs aus dem Urtheil des Pomponius über ihn us civile primum constituisse, generatim in libros decem et octo redigendo nicht folge, dafs Mucius der erste wissenschaftliche Schriftsteller über Römisches Recht gewesen, eine Ansicht, welche durch Ciceros Schweigen hierüber schon sehr verdächtig wird, sondern dafs er nur Responsa, welche frühere Schriftsteller chronologisch niederschrieben, nach einer gewissen logischen Ordnung in 18 Büchern zusammenstellte, und daraus wahrscheinlich auch schon allgemeine Regeln abstrahirte; so dafs sein Verhältnifs zu früheren Responsenschriftstellern sich ähnlich herausstellt, wie Spangenbergs zweite Ausgabe von Strubens Bedenken zur ersten Ausgabe. Bei dem Raisonnement über die verloren gegangene Schrift Ciceros de iure civili in artem redigendo vergilst der Vf. Hugos, indem er die Behauptung aufstellt, alle Neuern hätten den Inhalt dieser Schrift dahin aufgefafst, als stände auf dem Titel redacto nicht redigendo. Denn Hugo, obgleich er sich über den Inhalt der Schrift nur negativ erklärt, ist doch gerade, wie der VL, der Meinung, dafs in dieser Schrift nur im Allgemeinen die Art und Weise angegeben sey, wie das Recht philosophisch behandelt werden solle; dafs aber diese ganz allgemein aufgestellte Theorie zuerst von Servius auf das Einzelne ausführlich angewendet, und dafs dieser Jurist also zuerst die Kenntnifs des Rechts zur Wissenschaft erhoben. Dafs aber Servius etwa das sogenannte Institutionensystem geschaffen, was Einige behaupten, scheint eine aus der Luft gegriffene Hypothese zu seyn. Was man mit Hülfe der Dialektik vermag, hat er gewils in seinen Notatis Mucii, des ersten Juristen bis dahin, gezeigt. Aus seinen genauen Definitionen (der Vf. giebt davon S.43 Beispiele) zeigt sich, dafs auf des Servius juristische Tüchtigkeit die Philosophie einen bemerkbaren Einflußs gehabt hat, was Zimmern RG. I, 232 ganz leugnet. Servius war Redner, Dichter, Kenner der Geschichte und Antiquitäten, Grammatiker, auch verstand er sich auf Edelsteine fr. 19. §. 17. D. 34, 2. In der Anwendung des Rechts befolgte er die aequitas; und wie hoch seine Rechtsansichten geachtet waren, geht auch daraus hervor, dafs noch in fr. 6. §. 2. D. 8, 5; fr. 30. pr. D. 17, 2; fr. 35. pr. D. 19, 2; fr. 69. §.3. D. 21, 2 und fr. 2. §. 8. D. 41, 4 Servius als Urheber praktisch gewordener Rechtssätze genannt wird. Auch sind durchaus öfters seine Ansichten lobend angeführt als verworfen, z. B. von 29 uns erhaltnen Responsen nur 5; ein Ruhm, welchen z. B. Labeo nicht mit ihm theilt. Er war viel beschäftigt mit Rath Ertheilen, ein wahrer Jureconsultus, nach den oft wiederholten Angaben von Cicero. Mit seiner Rechtskenntnifs verband Sulpicius ausgezeichnete Rednergaben, und noch Quintilian erwähnt dreier Reden von ihm, von denen eine mit Gewissheit sich auf das Privatrecht bezog. Diefs war eine Rede pro Aufidia. So wird sie wenigstens von Quintilian zweimal und von Festus v. mancipatus genannt, welche letzte Stelle nach des Vfs dem Sinne nach richtigen Er

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gänzung so lautet: Mancipatus in adoptionem, ut patris sui heres esse desinit, ita eius, qui eum adoptat, tam heres est, quam si ex eo natus esset, nec in potestate aliena fuisset. Est igitur et filius et suus heres, ut patet ex iis, quae Servius Sulpicius in ea oratione dixit, quam habuit pro Aufidia. Der Vf. Der Vf. läfst sich auch auf die Frage ein, wann Servius seine Schriften abgefasst. Dals dieselben gröfstentheils vor 706 niedergeschrieben, wird gewils Niemand dem Vf. bestreiten; anders aber steht es mit der Behauptung des Vfs S. 67, dafs Servius 710 eine Reise von Rom aus unternommen in der Absicht, um Bücher zu schreiben. Er schliefst diefs aus den Worten Ciceros ad Atticum 15, 7: Servius vero pacificator cum librariolo suo videtur obiisse legationem, et omnes captiunculas pertimescere. Allein die bessern Ausleger haben seit Muretus diese Stelle nur so verstanden: Cicero spottet über Servius, dafs derselbe mit einem Secretär von Antonius zu Octavián, und wieder zurück reise, um Beide für sich zu gewinnen, dafs er aber bei diesen Verhandlungen so ängstlich sey, dafs man gleich merke, er habe die Cautelarjurisprudenz studirt, und dafs, ungeachtet er nur für sich unterhandle, er sich doch das Ansehn gebe, als sey er vom Senate gesendet. Einen literarichen Zweck also keineswegs, sondern nur einen politischen hatte diese Entfernung aus Rom. Von seinen 180 Büchern, die er geschrieben, sagt Pomponius: complevit eos; was der Vf. richtig dahin erklärt: er hat ihnen einen sehr hohen Grad der Vollkommenheit gegeben, wozu vielleicht, nach dem Dafürhalten von Pomponius, der Umstand beitrng, dafs er seine Vorgänger citirte, welche Allegirmethode öfters Cicero's Spott erregte (Cicero ad fam. VII, 7 u. 17.; de Oratore I, 39. 56. 57.). Pomponius erwähnt endlich: huius volumina complura exstant, reliquit autem prope centum et octoginta libros. Dafs hier volumina und libri gleichbedeutend seyn sollen, was Otto angenommen, ist mit dem Vf. gewifs zu leugnen. Denn da Pomponius in seinem Handbuche sich so häufig desselben Wortes bedient, um Verschiedenes zu bezeichnen, wie kann man bei solchem Mangel an Ausdrücken annehmen, dafs er, um dasselbe zu bezeichnen, verschiedener Worte sich bedienen wird. Die volumina zerfallen gewils in libri. Es ist ungewifs, ob sich einige seiner Schriften in ihrer ursprünglichen Gestalt bis auf Justinian erhalten haben. Wir kennen nur von vieren den Titel: Reprehensa Scaevolae capita s. Notata Muci, Libri de dotibus, ad Edictum libri duo, und ein liber de sacris detestandis, wozu wahrscheinlich auch seine Commentatio quamobrem mensa linquenda non sit, welche Plinius H. N. 28, 2. erwähnt, gehört. Vermuthlich hat er in einem besondern Buche die zwölf Tafeln interpretirt. Dagegen hat er wohl nicht geschrieben besondre Responsa, ad Edictum Aedilium Curulium, de claris ICtis, ad Alfenum notae, und was der Vf. zu widerlegen vergessen, libri de iuris arte, welche Ulrich Huber (in seiner orat. V. de literis kuman, cum iurispr. coniungendis) irrig ihm

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zuschreibt. Aulser bei Gaius, in den Vaticanischen -Fragmenten, in Justinian's Institutionen und Digesten, in den letzten gegen hundert Mal, finden wir den Servius auch von den Basiliken-Scholiasten angeführt, wobei nur der Umstand auffallend ist, dafs sie an vier Stellen dem Servius Antworten in den Mund legen, welche in den Digesten unter dem Naen des Alfenus Varus vorkommen; und hier glaubt der Vf. den Scholiasten folgen zu müssen, weil diese Zeitgenossen Justinian's höchst wahrscheinlich aus eigenem Studium der Schriften des Alfenus den Namen des Servius ergänzt haben. Doch leugnet er mit Recht den schon daraus von Andern gezogenen Schlufs, dafs alle Responsa, welche Alfenus Varus, ohne einen besondern Namen zu nennen, angiebt, von Servius seyn sollen. Dafs Pomponius in fr. 2. §. 44 D. 1.2. nur zehn Schüler des Servius genannt hat, dafs aber in den uns bekannten Handschriften überall eilf genannt sich finden, ist bekannt. Der Vf. verändert nur die Stellung des verdächtigen Namen Gaius, und läfst ihn statt hinter dem Namen des Alfenus Varus vor demselben stehen, so dafs dieser den Vornamen Caius haben soll; eine Conjectur, worin der Vf. zum Theil schon Ditmar zum Vorgänger hat. Des Servius Schüler kommen auch unter dem Collectivnámen Servii auditores in den Digesten vor, und dem Vf. ist es mit Bynkershoek wahrscheinlich, dafs Namusa ihre Ansichten gesammelt, so wie mit Cuiacius, dafs in fr. 1. §. 6 D. 39, 3 statt Servii auctores zu lesen sey: auditores.

Unbestritten ist es, dafs die reprehensa Scaevolae capita und die Notata Mucii, mit denen sich der Vf. ausschliesslich in dem zweiten Specimen beschäftigt, dasselbe Werk sind. Der Vf. scheint noch in dem Glauben zu stehen, dafs in der Gelehrtenrepublik nicht von kleinlicher Rache wegen eines ausgesprochenen Tadels die Rede seyn könne; und hält es daher für unmöglich, dafs ein so wissenschaftlich gebildeter Mann, wie Servius, eine Schrift habe verfassen können, um den Ruhm des Quintus Mucius Scaevola, der ihm einst Unwissenheit vorgeworfen habe, zu verkleinern. Doch Dabelow's Reprehensa Savignii capita hätten ihn hier eines Bessern, oder leider! vielmehr eines Nicht- Bessern, belebren können. Mag nun aber die Absicht des Servius bei dieser Schrift auch so schuldlos gewesen seyn, wie die von Gesterding bei seinen alten und neuen Irrthümern der Rechtsgelehrten, so ist doch so viel gewifs, dafs er libri, oder wahrscheinlich einen liber singularis verfafst hat, um einzelne Stellen in den Schriften des Mucius zu tadeln und zu widerlegen, und dafs auch seine Schrift nicht ohne Tadel geblieben ist. Der Vf. unterscheidet Fragmente, welche mit Gewifsheit zu diesem Werke des Servius gehören, und solche, von denen er es nur vermuthet. Zu der ersten Klasse gehören: Gellius N. A. IV, 1. und das damit verwandte fr. 3. §. 6 D. 33, 9. und fr. 30 D. 17, 2. mit den damit in voller Uebereinstimmung stehenden Paragraphen in Gaius III, 149. und im

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folgenden Specimina sich gewils eines ungetheilten Beifalles erfreuen werden.

GEOGNOSIE.

A. v. B.

MUNCHEN, b. Franz: Positions géologiques, en vérification directe de la chronologie de la Bible. Par George Fairholme. 1834. 32 S. 8.

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§. 2. der Institutionen Justinian's III, 25. Bei Gelegenheit der ersten Stelle wird Lion theils im Allgemeinen getadelt, dafs er bei seiner Ausgabe des Gellius die beiden Wolfenbütteler Codices so gut wie gar nicht benutzt hat, theils dafs er in dieser Stelle opus eorum facit liest, ungeachtet doch die Editio princeps des Gellius opus non facit hat, und diese Lesart auch durch die angeführte Parallelstelle der Digesten nothwendig wird, welche aber Lion nicht verstanden hat. Doch ist in diesem letzten Wäre diese kleine Schrift nicht mit der Anmafsung Punkte Lion leicht zu entschuldigen, da selbst Ser- einer grofsen Entdeckung geschrieben, und hätte der vius diese Worte des Q Mucius nicht verstanden Vf.nicht diese vermeintliche Entdeckung in der mineund darum getadelt hatte. Opus facere bedeutet ralogisch-geognostischen Section der Naturforscherhier nämlich, wie im Terenz (Heautontimorumenos Versammlung zu Stuttgart der Breite nach vorgetraI, 1, 21.): ländliche Beschäftigungen treiben. Au- gen, wo er auch die Schrift vertheilt hat, welches fser diesen ganz unzweifelhaft zu den Notata Muci Alles von dem von ihm darauf gelegten Werthe zeugt, gehörigen Fragmenten hat der Vf. noch die Erklä- so würden wir es nicht der Mühe werth halten, derrung von postliminium in Cicero's Topica c. 8. §436 -selben zu erwähnen. So aber möge die Ansicht des und 37. zu diesem Werke des Servius gezählt, ob- Rec. hier Raum finden, dass wir ihr gar keinen Werth gleich es ungewifs ist, welcher Mucius der hier als beilegen, und dafs die darin aufgestellten Sätze bei keidissentirend angeführte Scaevola sey; ferner die nem Geognosten von einiger Wissenschaftlichkeit irAuslegung der Legate in fr. 29. §. 1. De leg. III. gend überzeugenden Eingang finden werden. Aus anund in fr. 39 pr. D. 40, 7. seine, des Servius, von geblichen geognostischen Thatsachen führt der Vf. den Spätern verworfene Meinung über das Recht des den Beweis, dafs nur eine allgemeine Fluth und zwar Diebes die furti actio anzustellen, in fr. 76. §. 1 D. in derselben Epoche existirt haben müsse, welche die 47, 2., die Stelle bei Gains I, 188 über die Frage: Bibel feststellt, und dafs die vielen Epochen und wie viel genera tutelarum es gebe? und endlich die Kataklysmen, welche die Geologie annimmt, nicht Das Alter der Bedeutung von pars in fr. 25. §. 1 D. 50, 16. Bei auf Thatsachen gegründet seyen. allen diesen Stellen hat der Vf. mehr auf die Ausle- Sündfluth berechnet er nach ganz willkürlichen Angungen anderer Interpreten verwiesen, als selbst nahmen aus dem bekannten Rückschreiten des Niainterpretirt. Bei Gelegenheit der zuerst genannten gara-Falles und aus den vom Meere abgenagten Digestenstelle ergeht sich der Vf. S. 1926 über Kreideküsten. Dafs die Thäler auf der Erde alle den Unterschied zwischen Vindications- und Dam- durch Auswaschungen entstanden seyen, und dafs nationslegaten in Beziehung auf die Wahl des Lega- .auch die jetzt trockenen durch ihre Form zeigten, wie tars und des Erben, wobei er aber gerade nichts sie nur von dem Abflusse der grofsen Wassermasse Neues vorträgt, mit Ausnahme des Vorschlags, statt herrühren könnten, beweise für eine grofe Verändeder Worte in Ulpian XXIV, 14 i. f.: aut decem he- rung zwischen Land und Meer auf der Erde, für eine res meus dato, zu lesen: at si dicam, heres meus einzige grofse Ueberschwemmung. Solche Thalbildamnas esto dare, welche letzten drei Worte bereits dungen müfsten sich zwischen allen Formationen, wo Böcking aus dato in seiner Ausgabe gewif's richtig diese aufeinander gelagert vorkommen, auf deren gemacht hat, wiewohl mit dieser kleinen Verbes- Oberflächen finden, wenn mehrere grofse Ueberserung doch noch die Stelle nicht ganz geheilt schwemmungen Statt gefunden hätten. Dafs Baumscheint; sondern, da Ulpian im Anfang des Para-stämme. 70-80 Fufs senkrecht durch verschieden graphen zwei Fälle der optio per vindicationem legata artige Schichten ragten, beweise ebenfalls für eine angiebt, so mögen auch hier zwei Fälle der optio Ueberschwemmung, so wie insbesondere dafür als per damnationem legata von Ulpian aufgestellt, vom Probe gelte, dafs es nur eine grofse Reihenfolge von Abschreiber aber wegen der Aehnlichkeit der For-Gebirgsformationen gäbe, indem sich die Reihe der meln confundirt seyn. Formationen wiederholen müfste, wenn es mehrere allgemeine Fluthen gegeben hätte.

Aus der bisherigen Relation geht wohl zur Genüge hervor, dafs der Vf., der als beliebter Rechtslehrer in Leipzig und als thätiger Uebersetzer des Corpus iuris vortheilhaft bekannt ist, unsere Kennt nifs von dem wissenschaftlichen Leben und Treiben des Servius Sulpicius bedeutend gefördert hat, so dafs, wenn der Vf. sich noch hin und wieder einer gröfsern Kürze und einer aufmerksamern Beriicksichtigung der Druckfehler befleifsigen wird, seine

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Bei diesen Beweisen wird es kein Geognost von dem Rec. verlangen, dafs sie kritisch beleuchtet und widerlegt werden. Wir wolleu es dem Vf. gern zugestehen, dafs er ein eifriger Vertheidiger der Bibel sey, aber wenn auch die Geognosie Mittel darbieten möchte, um ihren bezüglichen Inhalt thatsächlich zu belegen, so würde Hr. F. sie doch nicht finden, da ihm nach solchen Proben nothwendig alle geognostische Sachkenntnifs mangeln mufs.

ERGANZUNGSBLATTER

ALLGEMEINEN

In

PHILOSOPHIE.

ZUR

LITERATUR - ZEITUNG

Januar 1835.

MAINZ, b. Kupferberg: Jacobi und die Philosophie seiner Zeit. Ein Versuch, das wissenschaftliche Fundament der Philosophie historisch zu erörtern. Von J. Kuhn, 1834. XIV u. 558 S. 8. (2 Rthlr. 8 gGr.)

n der Geschichte der neuern deutschen Philosophie erscheint F. H. Jacobi als Gegner solcher Systeme, welche der Philosophie ihre wissenschaftliche Vollendung verschafft zu haben behaupteten, und eine Zeitlang von Vielen als höchster Fund der Wahrheit und einzig gültige Lehre gepriesen wurden. Daraus erwuchs die Polemik gegen Mendelsohn, Kant, Fichte, Schelling u. s. w., welche auf manche Umwandlungen des deutschen Philosophirens Einfluss geäufsert. Ausgegangen von einem Streit über Spinoza, blieb ihr das Eigenthümliche, den Spinozismus als jene Richtung des Philosophirens zu bezeichnen, welche allein eingeschlagen werden könne, vollendete Wissenschaftlichkeit zu erreichen, wodurch aber das höchste Interesse der Wahrheitforschung unbefriedigt bleibe, und sich selbst zerstöre. Gezeigt ward hiebei, dafs alles mittelbare Wissen auf einem unmittelbaren ruhe, welches, im Gegensatz gegen jenes, Glaube genannt, das Fundament aller wahren Ueberzeugung ausmache. Der Uebergang zu dieser letztern von Seiten des mittelbaren Wissens ward als ein Sprung beschrieben, den zu unternehmen niemand scheuen dürfe, der sich nicht einer trostlosen Skepsis in die Arme werfen wolle. Zu ihm führe das Ergebnifs aller Spekulation, die sich jedoch im vermeinten Besitz eigner Machtvollkommenheit nicht hiezu entschliefse, sondern stets das unmittelbare Wissen in ein mittelbares zu verwandeln strebe, und eine Brücke suche, wo keine zu finden.

Mit Recht sagt der Vf. vorliegender Schrift (Vorr, S. XII): diese philosophische Denkart sey bei ihrem ersten Auftreten und selbst noch jetzt verdreht, herabgesetzt und verkleinert worden, er will defshalb zu ihrem Verständnifs das Mögliche beitragen und auf ihre unvergängliche ewige Seite aufmerksam machen. Dies geschieht mit unverkennbarem Scharfsinn und lehrreichem historischen Ueberblick. Einig ist der Vf. mit Jacobi über den wahren Gegenstand der Philosophie das Uebersinnliche - aber nicht mit der Behauptung, dafs

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es darüber keine Wissenschaft gebe. Ihm bleibt zwischen dem mittelbaren und unmittelbaren Wissen allerdings eine Kluft, auf welche das Bild des Sprunges anwendbar, aber sie erscheint ihm kleiner, weniger abschreckend für das wissenschaftliche Bedürfnifs. Er hat hiebei eine doppelte Funktion der Philosophie unterschieden, die eine als Wissenschaftlehre, die andre als Metaphysik, und diese Unterscheidung überall festgehalten, weil sie den ersten Schritt ausmacht, der zur klaren Erkenntnifs der Begriffe der Philosophie führt. Seine Untersuchungen gehen hauptsächlich auf die Wissenschaftlehre, als die ideell ursprüngliche, nämlich auf die Lehre vom Bewufstseyn überhaupt, sofern es Quelle alles Wissens und Erkennens ist. Als wesentliche Momente der Spekulation, welche der Darstellung und Beurtheilung der Jucobi'schen Philosophie zum Grunde liegen, werden in der Einleitung bezeichnet: 1) Nach der Scholastik des Mittelalters kehrte die Philosophie auf sich selbst zurück, und explicirte sich nach ihren beiden Grundrichtungen als Wissenschaftlehre auf der einen, als Metaphysik, oder Ontologie, Kosmologie und Theologie, auf der andern Seite. 2) Die philosophischen Systeme der neuern und neuesten Zeit, Spinoza und Schelling zum Theil, Jacobi ganz ausgenommen, gingen von der Behauptung aus, dafs all unser Erkennen durch Vorstellungen vermittelt sey. Rücksichtlich der Jacobischen Philosophie ist dies das Feld, auf welchem ihre Polemik ruht. 3) Die neuere und neueste Philosophie hat das Primitive im menschlichen Bewufstseyn theils ganz ignorirt, theils das wahre Verhältnifs des Grundbewusstseyns zum abgeleiteten nicht gefunden. Grundbewusstseyn ist ein solches, wo Wissen und Seyn schlechthin Eins ist, worin die Trennung zwischen Objektiven und Subjektiven noch nicht vorkommt, sondern erst mit dem reflektirten Bewusstseyn, mit der Vorstellung, eintritt. Den direkten Grund des Grundbewufstseyns und die in ihm schlummernden zwei grofsen Welten kann niemand erklären, er ist in letzter Instanz ein Geheimnifs, der geheime Kunstgriff des Schöpfers.

Das Unveränderliche am Wissen kann nur unmittelbar erkannt werden, die mittelbare Erkenntnifs geht auf das Veränderliche. Letzteres ist das Gebiet der Demonstration. Wollte jemand durch sie das Unveränderliche erreichen, so würde er es

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