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Fünfter Abschnitt.

Kampf der mosaischen Offenbarung mit der phönizischbabylonischen Neligion. Von Josue bis Cyrus.

K. I. Die Zeit der Richter.

A. Der heidnische Einfluß der Canaaniter.

§. 1.

Es würde uns unbegreiflich bleiben, wie die Israeliten den Sieg über die Heere der Canaaniter leichter gewannen, als über deren heidnische Religion, wenn wir uns nicht soviel als möglich in die ganze Erscheinung jenes Heidenthums zurückverseßen würden. Wir können uns zwar kein ganz vollständiges Bild von der Religion der Canaaniter und der andern Völker zwischen dem Nil und Euphrat machen; aber doch ist uns in der Bibel selbst und in den spätern Nachrichten von Griechen und Römern so viel davon erhalten, daß wir die Grundzüge derselben mit ziemlicher Sicherheit erkennen. Die hierauf bezüglichen Belehrungen aus dem Alterthume sind so fleißig zusammengestellt, *) daß über den Einfluß dieses Systems ein Urtheil sicher und leicht zu fällen ist. Folgende fünf Momente fassen die hauptsächlichsten Reize zusammen, wodurch die Religion der Phönizier, Syrier und Babylonier den Israeliten in der Art gefährlich wurde, wie wir es im Laufe von ungefähr 900 Jahren sehen werden.

§. 2.

Das alte Heidenthum Canaans war zunächst dadurch reizend, daß es mit einer reichen Fülle vorgeblicher Geheimwissenschaft den

*) Die Forschungen von Selden de diis Syris, London 1617, von Münter über die Religion der Babylonier und Karthager, find revidirt und erweitert in den bereits oben angeführten: Untersuchungen über die Religion und Gottheiten der Phönizier. Von Dr. F. C. Movers. Bonn 1841.

Vorwiz des Menschen zu befriedigen schien und die Phantasie mit einer unabsehbaren Menge von Gauckelbildern belustigte. Wie in einem Zauberspiegel wurden dem Menschen die geheimnißvollen Fäden gezeigt, welche Leben von den Sternen zu den Pflanzen und von diesen zu den Thieren leiten; das Geheimniß der Mannigfaltigkeit in der Natur schien sich vor der Lehre von den Kräften der Steine und Bäume zu enthüllen und die Gegensäge hienieden durch die Lehre von einem himmlischen Gegensaß zwischen Stern und Stern, zwischen Gottheit und Gottheit aufzuklären. Gegenüber diesem glänzenden Kram schillernder Gaben vorgeblicher Offenbarung im Heidenthum war die mosaische Offenbarung arm; sie beantwortete nur wenige Fragen des Vorwizes, sie begnügte sich, lebendigen Glauben an einen Gott zu gründen, von welchem allein die Lösung aller Fragen über die geheimnißvolle Welt der Kräfte erwartet werden konnte, der aber zu geistig war, um die verwöhnten Wünsche einer lüsternen Phantasie zu befriedigen. Ferner bot das Heidenthum und vorzüglich jenes, welches die Israeliten zunächst umgab, die reichlichste Gelegenheit zur Übung mannigfachen Aberglaubens. Die Meinung, sich der Kräfte der Natur auf mühelose Weise bemächtigen, durch irgend welche Worte oder Bewegungen die Elemente sich dienstbar machen zu können, mußte einen um so verführerischeren Reiz ausüben, je schwieriger es der Sinnlichkeit war, die vorzüglichste Wirkung der ächten Offenbarung zu würdigen.

Die Bäume wurden durch Zauberkunst für die dem canaanitischen Aberglauben Ergebenen zu Dolmetschern der Zukunft, die Stimme der Vögel, das Schreien der Hausthiere wurde zur klaren Göttersprache; die Elemente erhielten gewissermaßen eine Seele, im Knistern der Flamme sprach das Feuer, im Rieseln der Quelle das Wasser, im Zug der Wolken die Luft zum Menschen, selbst die stumme Erde kam in heiligen Höhen dem Menschen bedeutsam entgegen. Durch Knotenknüpfen, Zeichenschreiben, Pfeilestecken, wie durch Liebestränke konnte in das Geschick anderer Menschen eingegriffen werden; einzelne Theile von Menschen oder Thieren, wie Haare, Nägel, bauten Wunderbrücken, um dem langsamen Laufe der Natur vorzüglich im Zerstören stolz voranzueilen.

Ein drittes Moment bildete die geistig-sinnliche Befriedigung, welche der Gößendienst in seinen Festen und Opfern darbot. Namentlich war der Cult des Adonis (Thammus) und jener der phönizischen Venus (Astarte) durch alles ausgezeichnet, was die Sinne einnehmen

Reiz des Heidenthums selbst in Menschenopfern.

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fann. Eine sehr zahlreiche höhere und niedere Priesterschaft diente diesem Gößendienste, um ihm bei Festzügen und andern Feierlichkeiten Glanz und Ansehen zu verleihen. Als viertes Reizmittel, dem sicher eine nicht geringe Kraft zugeschrieben werden darf, muß der Dienst der Wollust betrachtet werden, welcher vielfach und zwar ohne Scheu mit dem Gößendienste vereint war. Schaaren von Mädchen wurden für den Dienst der Venus an den bedeutenden Tempeln der Naturgöttin unterhalten; *) und außerdem war unter dem Vorwande der Götterverehrung noch mancher Gebrauch eingeführt, welcher die tiefste Entfittlichung des abergläubischen Volkes ausdrückte, aber auch ein starkes Band der Anhänglichkeit an das Reich dieses Wahnes bildete. **) Wir begreifen so die bis zum Eckel wiederholten Ausdrücke der Propheten von der Unzucht der heidnischen Israeliten; immerhin mag damit öfters nur bildlich ausgesprochen sein, daß das Volk Israel, mit welchem sich Gott bräutlich verlobt, ja verehlicht habe, ihm durch Unglaube und Aberglaube untreu geworden sei; aber die Schilderungen von der Buhlerei der Israeliten in ihrem Gößendienste sind zu grell, zu oft wiederholt und andererseits tritt im phönizisch-babylonischen Gößendienste gerade dieses Moment zu sehr hervor, als daß wir die Beziehung hierauf in den Reden der Propheten verkennen könnten. Jedenfalls bildete die Ungebundenheit der Sitten im Kreise der canaanitischen Götterverehrung sicher eine mächtige Versuchung für die Israeliten. Endlich aber waren selbst die bluttriefenden Weihungen und die Menschenopfer, die wir oben als die Hauptverschuldung der canaanitischen Stämme erkannt haben, auch ein Reiz und vielleicht der stärkste. Wer sich einmal dem Aberglauben hingegeben und zugleich der Ausschweifung gehuldigt hat, für den giebt es auch eine blutige Wollust der Selbstzerstörung und des Mordes.

Die wollüftigsten Tyrannen sind auch die grausamsten gewesen. So finden wir mit der dionysischen Lärmlust bei den Festen der syrischen Naturgöttin auch die Blutbegeisterung abergläubischer Jünglinge zur Selbstverstümmelung. Neben diesem Reiz der verwüsteten Natur ist ein zweiter in Anschlag zu bringen, welcher aus dem Kampfe des

*) Sie heißen in der Schrift VIP Geweihte. **) Ob die männlichen Hierodulen DP auch zu einem ähnlichen Zwecke dienten, wie die P, oder ob sie durch Selbstverstümmelung Eunuchen waren, also daffelbe, was die Galli der magna dea, ist nicht von Erheblichkeit.

קדשות

bessern Grundwesens im Menschen gegen das Bewußtsein schwerer Schuld zu erklären ist. Je schwerer die Klage des Gewissens, desto größer der Drang zu großen Bußübungen. Die sonstige Verirrung in heidnischer Ausschweifung vorausgeseßt, konnte selbst der wahre Glaube an die Nothwendigkeit einer Sühne für jede Schuld die erschütterte Seele zu Menschenopfern zu treiben scheinen, wenigstens zu Selbstopfern. Endlich konnten die Menschenopfer und jene blutigen Tänze und Orgien, womit canaanitische Feierlichkeiten öfters ausgestattet waren, als ein Mittel erscheinen, den Zorn der beleidigten Götter zu besänftigen. So übten Furcht und Hoffnung ihren mächs tigen Einfluß aus, um die Menschenopfer wünschenswerth_zu_machen,*) und so ist es zu erklären, daß die Israeliten eine wahre Leidenschaft zu haben schienen, ihre Kinder dem glühenden Moloch zu opfern. **) Diese Opfer waren gleichsam ein schwindelnder Abgrund, wer ihm mit bereits eingenommenen Sinnen nahte, stürzte auch sehr leicht hinein.

§. 3.

Im ganzen Verlaufe der Epoche der Richter tritt Ein heidnisches System gegen die Religion Israels auf, das wir das phönizisch-babylonische nennen können; es ist indeß verschieden, nach der verschiedenen Auffassung bei den einzelnen Nationen, welche zwischen Nil und Euphrat wohnten. Indem der Reihe nach die bedeutendsten dieser Völkerschaften sich Canaans zu bemächtigen suchten, so rieb sich nach und nach dieses ganze Heidenthum an Israel. Die erste heidnische Invasion gieng von weiter Ferne aus. Wie zur Zeit Abrahams Fürsten vom Euphratlande in Canaan einfielen, so übte einige Zeit nach Josues Tode Cuschan Rischathaim, König von Mesopotamien (Aram Naharajim), tyrannische Gewalt über Israel aus (3, 8.). Später traten an die Stelle dieser fremden Bedrücker nähere, auf der Ostseite die Moabiter und westlich die Philister. Noch tiefer griff die Herrschaft der nördlichen Canaanäer ein, etwa 150 Jahre nach Josues Tode. Ebenso fühlbar wurde die Herrschaft eines großen kriegerischen Nomadenvolkes, welches sich aus der arabischen Wüste nach Palästina wendete, die Midjaniten. Als diese fremden Feinde

*) S. das Beispiel vom Könige von Moab 2 Kön. 3, 27.

**) Das Opfern der Kinder ist nicht zu verwechseln mit dem Durchführen durch's Feuer (y). Lezteres war eine abergläubische Ceremonie, welche dem Kinde nüßen sollte. Das Feuer sollte ihm allerlei böse Einflüsse wegreinigen.

Sendung der Richter. Politischer Zustand.

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verjagt waren, erhoben sich die Ammoniter von Often, die Philister aber von Westen. Die legtern Feinde erstarkten immer mehr 150 Jahre lang, von etwa 1200 v. Chr. bis 1050 blieben sie in einer feindlichen und zugleich meistens siegreichen Stellung gegen die Israeliten.

B. Sendung der Richter.

§. 4.

So stand also den Israeliten ein mächtiger Einfluß fremder Völker gegenüber, welcher zunächst ihre Religion und damit auch ihre Nationalität bedrohte.

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Sie unterlagen diesem Einflusse oft und mußten ihm unterliegen, da alle Stämme, besonders die nördlichen, stark mit heidnischen Urbewohnern Canaans gemischt blieben, wie uns sogleich das erste Kapitel des Buches der Richter näher auseinanderseßt. Gemischte Ehen gegen den Buchstaben und Geist des mosaischen Geseßes waren die natürliche Folge dieses Zusammenwohnens (3, 6.) und daraus entstand Theilnahme am canaanitischen Gößendienste. Und die Kinder Israels thaten das Böse in den Augen des Ewigen und vergaßen den Ewigen ihren Gott und dienten den Baalim und den Ascherot“ (3, 7.). Und die Kinder Israels fuhren fort, das Böse in den Augen des Ewigen zu thun und sie dienten den Baalim und Aschtarot und den Göttern von Syrien und den Göttern von Sidon und den Göttern Moabs und den Göttern der Pelischtim und verließen den Ewigen und dienten ihm nicht“ (10, 6.).

Die Geschichte von ungefähr 400 Jahren, d. h. vom Tode Josues bis auf Samuel, vergegenwärtigt uns mehrfache Hingebung der Israeliten an die Religion bald dieser bald jener heidnischen Nachbarn. Wäre nicht mit der Annahme des Gößendienstes jedesmal die Auferlegung eines Joches schwerer Fremdenherrschaft verbunden gewesen, so würde nach dem Gange der reinmenschlichen Schicksale unfehlbar die Offenbarung vom Sinai jenen Einflüssen unterlegen sein. Glücklicher Weise lehrte der Druck der heidnischen Feinde die Israeliten um Erlösung beten, „die Kinder Israels schrieen zum Ewigen,“ und so war die Gotteshülfe, die zunächst in Erweckung mächtiger Führer oder Richter bestand, nicht gewaltsam und ohne Mitwirkung des freien Verlangens des Volkes eingeführt. Die Erweckung der Richter stellt die Führung Gottes zur freien Durchbildung der Offenbarung in der

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