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Das assyrische Eril. Seine Bedeutung.

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K. VI. Das babylonische Eril.

A. Rückblick auf das assyrische Exil.

§. 1.

Die Deportation jüdischer Stämme in verschiedene Provinzen des assyrischen und später babylonischen Reiches ist von höchster Wichtigkeit für die Offenbarungsgeschichte. Allerdings erscheint das Eril bei den Propheten fast überall als Strafe für den Abfall von Gott; so daß man denken muß, der Zustand, in welchem keine Verbannung nöthig gewesen wäre, sei derjenige, welcher der ursprünglichen Bestimmung des Volkes Israel am vollkommensten entsprochen hätte. Ohne Zweifel hätte die Vorsehung durch Mittel, welche uns unbekannt sind, das Judenvolk zu jenem welthistorischen Berufe ge= führt, welcher die Seele seines Daseins ist. Das Eril ist aber wirklich verhängt worden und wir sehen darin nicht bloß eine Strafe, sondern eine Fügung, welche den welthistorischen Beruf Israels mächtig unterstügte.

§. 2.

Schon das assyrische Exil der nördlichen zehn Stämme war ein Ereigniß, welches in der Entwicklungsgeschichte der Offenbarung eine bedeutende Rolle spielt. Der Kampf gegen das phönizische Heidenthum und manche damit vereinigten Arten des Aberglaubens wurde dem bessern Theile des Judenvolkes besonders durch den Umstand erschwert, daß das nördliche Reich offen und frei sich zum Heidenthum bekannte. Die Verbindungen Ephraims mit Egypten, dann mit dem mächtigen Tyrus ließen den Gößendienst dort als den Schuß der einheimischen Macht erscheinen; die Politik gegen das Haus Davids trug auch das Ihrige bei, um das Heidenthum im Zehnstämmereich überall mit Glanz herrschen zu lassen. Kurz, Ephraim predigte das Heidenthum auf sehr lockende Art. Und gerade der Umstand, daß der Cultus der Natur dort mit manchen Elementen aus der mosaischen Religion gemischt war, erhöhte die Macht der Verführung. So lange Ephraim stand, waren die schwächern Israeliten stets von den reizendsten Lockungen abergläubischer Übungen umgarnt. Es fehlte zwar auch im südlichen Reiche nicht an selbst

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ständigen Unternehmungen zu Gunsten des Heidenthums

man

denke an Salomoh doch in der Regel traten sie scheu auf und waren von fremdem und namentlich ephraimitischem Einflusse abhängig. Kaum neigte sich Samaria zum Falle, so erhob sich unter Ezechias der mosaische Cult mit einer Pracht, welche die davidische Zeit erneuern zu wollen schien. Allerdings folgte unter Manasses eine furchtbare Reaktion des Heidenthums, aber bald mußte dasselbe aus der öffentlich siegreichen Stellung heraustreten. Was uns Ezechiel von geheimem Gößendienste im Tempel kurz vor der Zerstörung Jerusalems enthüllt (K. 8.), zeigt zwar, daß der Fall Samarias allein nicht hingereicht hat, das Heidenthum ganz zu zerstören; aber eben der Umstand, daß die Anhänger desselben nur insgeheim ihrem Wahne folgten und wenigstens den Schein der ächten Religion bewahren mußten, bestärkt uns in der Behauptung, daß der Fall Samarias zur Brechung des Heidenthums viel beigetragen habe. Die heidnischen Bewohner Ephraims giengen unter die Heiden, denen sie ihrer Anschauung nach angehörten; die Mehrzahl verlor sich unter den Heiden, so zwar, daß die Propheten das Heidenthum geradezu mit dem Namen Ephraims oder Rachels *) bezeichnen konnten. Mit dem heidnischen Theile der zehn Stämme war auch ein großer Theil der heidnischen Versuchung für die bessern, wenn auch schwachen Juden weggeführt.

§. 3.

Doch nicht alle Bewohner des nördlichen Reiches waren Heiden. Die Theilnahme vieler Bewohner jenes Reiches an dem feierlichen Osterfeste des Ezechias kann allein schon zum Beweise hiefür dienen (2 Chron. 30, 10 ff.). **) Jenes Osterfest ward besonders von Leuten aus den Stämmen Ascher, Manasse und Zabulon besucht, also von Leuten aus dem obern Berglande; vorausgesezt, daß die basanische Hälfte von Manasse gemeint ist. Aus Naftali sehen wir den frommen Tobias (Tob. 1, 1.). Indem unter den deportirten Bewohnern der zehn Stämme auch gläubige, ja fromme Israeliten waren, so ist bereits durch das assyrische Exil theilweise jenem alle Völker betref

*) S. Jerem. 31, 15 ff.

**) Ezechias veranstaltete jenes feierliche Osterfest vor der Zerstörung Samarias. Die Eilboten, welche er in's nördliche Reich schickte, waren die leßte Gnade Ephraims.

Verbannungsstätten der zehn Stämme.

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fenden Berufe Israels in nächster Weise vorgearbeitet, welcher der Ruhm dieses Volkes ist. Um dieß vollkommen würdigen zu können, wäre es freilich wünschenswerth, daß wir die vorzüglichsten Niederlassungen der afsyrischen Exulanten wüßten. Nur vermöge einer Kenntniß dieser Niederlassungen können wir uns vollkommen Rechenschaft darüber geben, mit was für Cultursystemen die Träger der Offenbarung in jenen Jahrhunderten in Berührung gekommen seien.

§. 4.

Leider hat man bei der Beantwortung der Frage: Wohin kamen die von den Assyriern deportirten Judenstämme? die einfachsten und nächsten Mittel zur Lösung nicht benügt. Sicher ist, daß zur Zeit der Tanaiten, d. h. im Jahrhundert Christi und den beiden folgenden, selbst die Gelehrtesten unter den Juden keine feste Kenntniß von den vorzüglichen Deportationsorten der zehn Stämme, sondern nur eine dunkle Sage hatten. Hiedurch wird von selbst eine weitverbreitete Meinung widerlegt, wonach diese Orte am obern und mittlern Laufe des Tigris zu suchen wären. Jene beiden Stellen der Bibel, worin uns die Hauptorte der assyrischen Deportation genannt werden, enthalten zwar Namen, mit welchen sich Ortsbezeichnungen in dem genannten Revier vergleichen lassen; aber sie liegen den uns wohlbekannten Niederlassungen der gebildeten Juden der ersten Jahrhunderte nach Christus so nahe, daß nicht zu begreifen ist, warum diese an dem mährchenhaften Fluffe Sanbatjon einen Hauptsiz der zehn Stämme gesucht hätten, wenn das ihnen benachbarte Gauzonitis und der Chaboras in der That Gosan und Chabor der Schrift wären. *) Dieses Mährchen sezt voraus, daß in einem fernen Lande sich damals Juden aufhielten, welche für den Kern der Nachkommen der zehn Stämme galten. Es scheint, daß jenes Mährchen **) *) Die Bibel äußert sich über die Deportationsorte der assyrischen Erulanten fo: „Er (Salmanassar) führte sie weg nach Assur und ließ sie wohnen in Chalach bei Chabor, bei dem Strome von Gosan und in den Städten von Medien." 2 Kön. 17, 6. Die Chronik ergänzt diese Notiz: „Und der Gott Israels erweckte den Geist des Phul, des Königs von Assur und den Geist von Tiglath Pilefar, König von Affur, und er führte sie ab, namentlich Nuben, Gad und halb Manasse und brachte sie nach Chalach und Chabor und Hara und den Strom von Gosan bis auf den heutigen Tag." 1 Chron. 5, 26. **) Vgl. den Brief des Eldad Dani, überf. bei Genebrardus chronol. Hebr. S. 75 f. Vgl. Kazwini, ed. Wüstenf. II. Th. 1848. S. 17.

durch einen etymologischen Wig an die Stelle der einfachen Nachricht trat. Es giebt nämlich einen Fluß Sandabal im fernen Osten. Griechische Authoren haben den indischen Flußnamen candrabaga (Akesines) in Sandabal verwandelt. *) Dadurch würden wir von der ältesten, **) wenn auch sagenhaften Nachricht über den Aufenthaltsort der zehn Stämme gegen Indien zu gewiesen.

Eben dorthin weisen uns auch theilweise die Namen in den beiden angeführten Stellen. Insbesondere scheint es sicher, daß Chabor mit dem heutigen Kabul eins ist. Dasselbe führt im Alterthume den Namen Kabura, obwohl es anderwärts auch bereits Kabul zu heißen scheint. ***)

Am Indus und in den bedeutendsten Städten Chorasans find nicht nur seit unvordenklicher Zeit sehr viele Juden, sondern sie wollen als Nachkommen der zehn Stämme gelten. Benjamin von Tudela fand im zwölften Jahrhunderte zu Samarkand gegen 50,000; in einer benachbarten Stadt 8000 Juden, †) nach Chorasan verlegt er den Hauptsiz der Deportation. ††)

In Bochara sind noch 10,000 Juden; Khunduz, Zarnah in Puschtikuh und andere Orte jener Gegenden haben ebenfalls viele Israeliten. †††) Wir fügen eine kürzlich bekannt gewordene Nachricht eines Juden hinzu, welcher zur Zeit des Perserkönigs Chosru Parwis lebte. Einer alten Synagogenrolle der Karäer am schwarzen Meere hat der Schreiber beigefügt: „Ich bin Jehuda, Sohn von Moses dem Punktator, dem Orientalen, Sohn von Jehuda dem Starken aus dem Stamme Naftali, aus der Familie Schelomi's, welche zur Zeit von Hosea, dem Könige Israels, mit den Exulanten in's Exil gieng; nämlich mit den Stämmen Simeon, Dan und meh

*) S. Lassen, Pentapotamia, S. 66. sl. 29. S. 34. Vgl. S. 4. **) Jonathan ben Uziel in Exod. 34, 10. Talm. hieros. Sanhedr. c. 17. fin. Breschith rabba s. 12. et 73. S. Buxt. lex. chald. s. v. . Etwas ganz anderes ist der norauòs oαßßarixós bei Berytus an der phönic. Küste. Josephus Bell. jud. 1. VII. c. 5. §. 1. Plinius H. N.

1. 31. c. 11.

***) Kaßovga bei Ptolem. Kaarbur, Kaabur bei den Perfern. S. Ritter VII. S. 237. S. oben S. 217. Anmerk.

†) Ed. Asher. S. 82.

tt) Das. S. 83.

ttt) S. Ritter, Erdk. IX. 424. 42.

Die zehn Stämme in Chorasan.

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reren Familien der übrigen Stämme Israels, welche der Zar oder Feind Salmanassar aus Samaria und den Provinzialstädten deportiren ließ, nach Chalach, d. i. Bahlach (Balch?) und Chabor, d. i. Chabul, und Hara, d. i. Herejuth *) (Herath), und Gozan, d. i. Gußna (Gazna ?), **) der Exilstadt der Rubeniten, Gaditen und von halb Manasse. Calnassar (Salmanassar) deportirte sie und gab ihnen dort Wohnsize. Von dort aber verbreiteten sie sich über den ganzen Orient bis zu den Sinim“ (China). ***) Daß sich auch nach Westen hin manche Familien dieser Exulantenschaft gezogen haben, ist natürlich. Nach dem eben angeführten Schreiber der krimischen Synagogenrolle find die Juden Südrußlands zum Theile durch solche Familien der zehn Stämme entstanden, welche im Laufe der Zeit ihre ursprünglichen Verbannungsorte verließen. †) Es scheint aber jedenfalls sicher zu sein, daß im Ostgebiete Chorafans die größten Niederlaffungen der assyrischen Exulanten waren.

Daneben sind uns ausdrücklich die medischen Städte als Verbannungsorte genannt (2 Kön. 17, 6.), und das Buch Tobias zeigt uns Exulanten in Niniveh, Ekbatana und Rages, dem heutigen Rei. Diese Städte bilden die vermittelnden Stationen der Zuglinie nach Ostchorasan. Ob Chorasan mit Gosan, Gursan zusammenhänge, lassen wir unentschieden.

*) Im Zend Haroïu, syr. 17

Herjû; s. Assemanni bibl. or. t. III. p. II. S. 754. Vgl. Ritter, Erdk. VIII. S. 237.

**) Ist das bei Affemanni B. or. t. III. p. II. S. 752. u. t. I. S. 356 vor: kommende Gurzan 7999 gleich Gozan?

***) Literaturbl. des Drients 1847. nr. I. 6. 10. 2 bna a'n nbnb

היא חבול והרא היא היריות וגוזן היא גוצנא מדינת גלות בני ראובן וגד ומנשה שגלם כלנאסר והושיבם שם ומשם נפצו על פני כל ארץ

המזרח עד סינים.

Das Land der Sinim ist zunächst die Mongolei. Die Semiten und Indier scheinen den Namen der nächsten mongolisch - tatarischen Völkerschaft: die Wolfshorde cina auf die Gesammtheit der mongolisch tatarischen Völfer angewendet zu haben. Vgl. Schmidt, Forschungen. S. 66.

†) Nach dieser Stelle hätten die medischen Juden den Cyrus an der Königin Palmira gerächt und hätten unter Cambyses nahe am Lande der Skythen (DW) die Krim (7) bekommen. Vgl. Agathia's Bemerkung über den Kampf des Firus mit den „Naphtaliten“ bei Menasseh, spes Israel. S. 48 ff.

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