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Anderthalbhundertjährige Stockung.

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Lücke. Eine solche ist aber viel natürlicher zu einer Zeit, da der Tempel und mit ihm der Einigungspunkt der Nation fehlte, als später. Nur eine Schwierigkeit steht der Annahme entgegen, daß unter Darius II. (Nothus) der Tempelbau stattgefunden habe, nämlich es erscheint dabei ein Zorobabel oder Serubabel als davidisches Stammhaupt und ein Jesus als Hoherpriester thätig wie unter Cyrus. Nun kann aber unmöglich dasselbe Paar von Oberhäuptern zur Zeit des Cyrus (535) und des Darius Nothus (420) thätig gewesen sein. Allein diese Schwierigkeit löst sich mit der einzigen nahe liegenden Annahme, daß zur Zeit des Darius II. die gleichnamigen Enkel jener Oberhäupter gewirkt haben, welche zur Zeit des alten Cyrus gelebt hatten. Daß der Serubabel unter Darius eine von dem Serubabel unter Cyrus verschiedene Person sei, erhellt zum Theil schon daraus, daß lezterer als persischer Statthalter von Palästina erscheint, während neben dem ersteren Scheschbazar steht. *) Die Übergehung von Mittelgliedern in den Genealogien macht diese nicht unrichtig, zumal, da „Ben“ im Hebräischen ebensogut „Enkel“, wie ,,Sohn" bedeuten kann.

§. 5.

So unbefriedigend der erste Versuch der Wiederherstellung des jüdischen Cultus in Jerusalem ausgefallen war, so mußte es doch für die ganze Judenschaft von Wichtigkeit sein, daß sie wieder einen Altar und somit einen religiösen Sammelpunkt in ihrer Heimath hatten. Die Anzahl von 42360 Freien sammt 7337 Knechten und Mägden (Esra 2, 64 f.), welche sogleich unter Cyrus hinaufzogen, konnte einen frischen Ansag zur neuen Bevölkerung bilden. Wenn auch Manche und vielleicht gerade die Vornehmern wieder zu den gemächlichern Verhältnissen in Babel zurückgekehrt sein mögen, so waren die zurückgebliebenen Armen nur um so mehr geeignet, ein nachhaltiges Nationalgefühl und treue Ergebung gegen die Religion der Väter zu bewahren.

Für die aber, welche noch im Erile lebten, muß der Hinblick auf die armselige Erneuerung des Gottesdienstes in Jerusalem eine Quelle der Sehnsucht und der heilsamsten Übung des Glaubens gewesen sein.

*) Scheschbazar Pecha Esra 5, 14. Nafi 1, 8. Serubabel unter Darius Pecha. Haggai 1, 1.

Wir sahen bereits, wie Daniel hochbetagt im ersten Jahre des Darius Hystaspis (Dan. 9, 1 ff.) bekümmert war, auf welche Art wohl die zweite Prophezeiung des Jeremias von den 70 Jahren, die sich an die Zerstörung des Tempels anschließen sollten (Jer. 29, 10. nicht identisch mit 25, 11.), erfüllt werden möchte. Er spricht im Namen des ganzen Volkes jenes rührende Bußgebet, worauf bereits oben hingewiesen wurde, gewiß eine Frucht, die bei allzu schneller glänzender Erneuerung des Tempels nicht gereift wäre. *)

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Vielleicht gehört in dieselbe Zeit das Lied eines Verbannten (Psalm 102 101), worin es heißt: „Du wirst aufstehen, dich Sions zu erbarmen; denn der Termin ist gekommen, Gnade zu üben daran, die Zeit ist da; denn es lieben deine Knechte Sions Staub, fie haben ihre Lust an seinen Ruinen.“

Die großen Erwartungen, die man nach der tyrannischen Regierung des Kambyses, nach der kurzen aber verwirrenden Herrschaft des falschen Smerdis von dem edlen Charakter und der Kraft des Darius hegen durfte, mußten natürlich in den Israeliten die Zuvers sicht erwecken, daß dieser Herrscher die Großmuth seines Stammgenossen Cyrus gegen Jerusalem fortseßen werde; allein die stürmische Regierung dieses Königs war zu solchen Werken des Friedens nicht geeignet. Der einzige Trost, den die Juden aus dieser Regierung schöpfen mochten, bestand darin, daß Darius den Erbfeind der Juden, die einheimische Macht von Babylon troß ungeheurer Empörungsversuche für immer brach. **)

Nach Daniel sollte, angefangen von dem Befehl, Jerusalem wieder zu bauen, bis zu einem gesalbten Fürsten sieben Wochen, d. i. 49 Jahre verfließen (Dan. 9, 25.). Aber dieser Befehl wollte nicht fommen. Der Versuch, sogleich am Anfang der Regierung des Xerxes, zur Vollendung des Tempels, welchen die Anklage der Samaritaner unter diesem Könige vorausseßen läßt (Esra 5, 6.), scheint schwach gewesen zu sein.

Anders gestaltete sich aber die Sache, als die Erhebung der Jüdin Esther oder Hadassa (Arósou) zur Gemahlin des bekannten Königs Xerxes (Ahaschwerosch) die Juden unerwartet ermuthigte.

*) S. Nehem. 1, 5 ff. 8, 5 ff.

**) Darius der Meder, d. i. Darius Hystaspis, nimmt Befiß von Babel, nachdem Belschazar überwunden ist (Dan. 5, 30.).

Bau des Tempels unter Darius II.

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Sie konnten sich in Persten sogar an ihren Feinden blutig rächen; *) es war daher natürlich, daß sie bald auch daran dachten, den unterbrochenen Tempelbau fortzuseßen.

So wird es uns erklärlich, daß unter Artaxerxes (Longimanus reg. 465-424) von Juden, die aus dem Exile gekommen waren, eifright am Bau der Stadt und des Tempels gearbeitet wurde, und daß die Samaritaner nur durch die Vorstellung der staatsgefährlichen Folgen, welche dieser Bau für das persische Reich haben müsse, im Stande waren, das Werk nochmal zu hintertreiben (Esra 4,7—13.).

So vergiengen nahe an anderthalb hundert Jahre von Cyrus an, bis die Juden Jerusalems Erneuerung weiter bringen konnten, als zur Errichtung eines Altares, den größtentheils **) ärmliche Privatwohnungen umgaben. Die Söhne derjenigen Männer, die zu Cyrus Zeit voll Aufopferung nach Jerusalem gezogen sind, waren unterdessen wohl längst gestorben und die Enkel standen im Ganzen da, wo die Großväter abgetreten waren.

Diese Enkel hatten mit dem Namen auch den Beruf von den Großvätern geerbt, konnten daher auch mit ihnen gleichsam als eine Person angesehen werden.

§. 6.

II. Der natürliche Drang, welcher sich in den Edlern rühren mochte, wurde dadurch erhöht und geheiligt, daß die zwei Propheten Haggäus und Zacharias im zweiten Jahre des Königs Darius (Nothus reg. 424—405), d. i. 422 v. Chr., jene Juden, welche in Jerusalem und Judäa lebten, zum großen Unternehmen ermunterten, worauf Jesus II. und Serubabel II., der eine als Hoherpriester, der andere als Erbe des davidischen Thrones, sich erhoben, um vereinigt mit den Propheten das Ganze zu ordnen und zu lenken. ***)

Doch mitten im ersten Anlauf zur raschen Fortsegung hemmte Tatnai, Statthalter diesseits des Euphrats, †) sammt seinen Ge

*) S. das Buch Esther. Vgl. den Osterpsalm 118 (117), 10. und das Purimfest 2 Macc. 15, 37.

**) Doch wirfi Haggäus (1, 4.) den Juden vor, sie wohnten in getäfelten (DNDD) Häusern; vielleicht bezieht sich aber dieser Vorwurf auf die babyIonischen Juden.

***) Serubabel wird bei Hagg. 1, 1. 14. 22. genannt.

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noffen das Unternehmen, weil keine königliche Erlaubniß eingeholt wäre. Es war wohl in ähnlicher Weise ohne alles weitere Anfragen unter Artaxerxes Longimanus zu bauen angefangen worden (Esra 4, 13.). Dießmal aber gelang es, eine Erlaubniß zu erwirken, vorzüglich durch Berufung auf die alte Vollmacht des Cyrus, welche die Bittsteller in Babel aufbewahrt glaubten (5, 17.). Sie wurde in Babel vergeblich gesucht, fand sich aber glücklicher Weise in der Königsburg zu Achmatha, d. i. Ekbatana in Medien (6, 1. 2.); und diente sogleich dazu, um durch eine neue Baubewilligung des Darius erweitert zu werden. *) Dieser Zusaß enthielt eine großmüthige Anweisung, auf königliche Kosten den Tempel zu bauen und die Bedürfnisse des Opferdienstes zu bestreiten.

Indem sich von nun an die königlichen Beamten mit den Propheten Zacharias und Haggäus gemeinsam bemühten, das Werk zu betreiben, wurde es in nicht gar vier Jahren fertig. Am dritten Adar des sechsten Jahres der Regierung des Darius Nothus 418 v. Chr. stand das Gotteshaus fertig da. Nachdem sodann die Priester und Leviten, unter welchen die lange Zeit der Verödung wohl manche Störung herbeigeführt haben mag, in ihrem Dienste neu befestigt worden waren, konnte sogleich Ostern (6, 19.) mit Freuden in aller Ordnung begangen werden. So ward der sogenannte Tempel Serubabels gebaut (418 v. Chr.). **)

Somit erhob sich während der im Ganzen ruhigen Regierung des Darius Nothus das jüdische Volk nicht bloß in einem vorübergehenden Aufschwung zum Tempelbau, sondern es wurde für die regelmäßige Fortdauer des mosaischen Cultus in diesem Tempel gesorgt, so daß die Juden aller Weltgegenden mit bleibendem Vertrauen auf Jerusalem blicken konnten. Doch mit der Erbauung des Tempels war das geistige Volksleben noch nicht erneuert. Es mußte ein neuer Stamm der Lehre gepflanzt werden.

Da es aber nicht im Plane der Vorsehung lag, im erneuerten Volke den (produktiven) Geist des Prophetenthums fortwirken zu lassen, so konnte das geistige Leben der Israeliten nur in

*) Esra 6, 3. 4. 5. enthält die alte Verfügung des Cyrus und unmittelbar darauf folgt ohne alle Einleitung die Verfügung des Darius.

**) Damals müßte ein Mann, der den ersten Tempel gesehen hätte, über 200 Jahre alt gewesen sein. S. Haggäus 2, 3. Vgl. Esra 3, 12.

Der Tempel erbaut. Esra.

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der (reproduktiven) Thätigkeit des Studiums und der Erklärung der alten Prophetien und Offenbarungen sich erhalten.

Hiezu scheinen in Babylon die dort lebenden Propheten Ezechiel, Daniel, Baruch den Grund gelegt zu haben und von dorther kam auch der Mann, welcher die während des zweiten Tempels herrschende Geistesrichtung des Gesezesstudiums anbahnen sollte, nämlich der Priester Esra.

§. 7.

III. Nach dem Tode des Darius scheint jener Artaxerxes Mnemon (405), den wir zum Theil aus der Anabasis des Xenophon als Bruder des jüngern Cyrus, theils aus den Berichten des Kteftas, seines Leibarztes, theils aus seiner Biographie bei Plutarch hinlänglich kennen, die guten Gesinnungen seines Vaters gegen die Juden geerbt zu haben.

In seinem siebenten Regierungsjahre (398) gab er dem Priester Esra die Erlaubniß, mit einer sehr bedeutenden Carawane von heimkehrlustigen Juden nach Jerusalem zu ziehen. Zugleich gab er ihm eine Urkunde, vermöge welcher der ganze Opfercult und was sonst zur geeigneten Darstellung der mosaischen Religion nöthig wäre, aus der königlichen Kaffe bestritten werden, und der ganze Clerus steuerfrei sein sollte (Esra 7, 11 f.). Auch bestätigte der König alle Schenkungen, die dem Esra zum Behufe seines Vorhabens gemacht wurden und erlaubte ihm in sehr umfassenden Ausdrücken, Beiträge zu sammeln.

So ausgerüstet zog er von dem Canale aus, der gegen Ahawa geht, *) wo er als dem gemeinsamen Sammelplage drei Tage lang campirte (Esra 7, 15.). Von hier aus ließ er auch einem gewissen Iddo in Kasifja **) sagen, er möchte ihm Tempeldiener zuschicken (7, 17.). Der dreitägige Aufenthalt am Canal von Ahawa diente auch dazu, durch Beten und Fasten und weise Anordnungen sich gegen die Gefahren der Reise auch ohne Militärschuß sicher zu stellen; „denn,“ sagt Esra selbst, „ich schämte mich, vom König Bedeckung und

*) Nahar ist eine bekannte Bezeichnung der Canäle des Euphrat (f. oben S. 358); den Ort Ahawa (7178) können wir nicht mehr bestimmen; vielleicht war es eine der Vorstädte von Babylon.

**) Wo der Ort NDD liege, ist unbestimmbar; an das kaspische Meer aber ist kaum zu denken.

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