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Neue Zustände nach dem Exile.

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K. II. Veränderungen seit der Rückkehr aus dem Erile im
Leben der Israeliten.

A. Aufhören des Gößendienstes, Änderungen in
der Verfassung.

§. 1.

Die Herstellung des Tempels, der Stadt Jerusalem, des Cultus und die Zurückführung vieler bedeutender Familien aus dem Exile war keine ledigliche Rückkehr zu den Zuständen, welche vor dem Exile geherrscht hatten. Vieles wurde anders. Vor Allem fällt uns auf, daß die Hinneigung zum Gößendienste sich ganz verloren. hat. Während vor dem Exile die Propheten von Geschlecht zu Geschlecht gegen dieselbe zu kämpfen hatten, sehen wir nach dieser Zeit feine Spur mehr davon. Wir werden die Israeliten sogar im hartnäckigsten Kampfe gegen die Zumuthung finden, sich dem heitern hellenischen Heidenthume anzuschließen. Sehr unterstüßt wurde die Aufrechterhaltung der wahren Religion dadurch, daß an die Stelle der königlichen Gewalt ein hoher Rath kam, welcher nach den ersten Grundzügen der alten mosaischen Verfassung geordnet war. Bereits Moses hatte um sich einen Rath von siebenzig Ältesten gebildet (Num. 11, 16.). In der Anweisung, welche Moses über schwere Rechtsfälle giebt (Deut. 17, 8 ff.), scheint besonders auf das Collegium des hohen Rathes Bezug genommen zu sein; obwohl auch der Fall berücksichtigt ist, daß in Einer Person die höchste Jurisdiktion vereinigt sei.

Wie wir gesehen haben, dauerte dieses Collegium in der ersten Zeit der Richter fort (Richt. 21, 15. 2, 7.); nach sagenhaften Angaben der Rabbinen wäre auch den Königen ein hoher Rath zur Seite gestanden. *) Ein Gericht, welches sogar über Leben und Tød verfügt, sehen wir mit den Exulanten nach Babylon verpflanzt. **) Mit der Heimkehr vieler Priester und Leviten unter Esra war auch die Herstellung eines obersten Rathes verbunden. Die Rabbinen nennen

*) Nach Moses wären Josue, Samuel, Achias von Silo, Elias, Elisäus, Amos, Osee, Isaias, Micha, Joel, Nachum, Habakuk, Sophonias, Jeres mias, Baruch Präsidenten des Synedriums gewesen.

**) In der Geschichte der Susanna Dan. 13.

das Collegium, welches von Esra bis auf Simon den Gerechten, also bis zu den Zeiten Alexanders des Großen die höchsten Angelegenheiten des Volkes leitete: „die große Versammlung," „die hohe Sy node".*) Der Grund dieses Beinamens liegt darin, daß in jener Periode theils Propheten, wie Haggäus, Zacharias, Malachiäs, theils sonst ausgezeichnete Männer, wie Esra, diesem perennirenden Collegium angehörten. Eine nähere Belehrung über Besetzung, Verfassung und Wirkungskreis dieser Synode haben wir nicht; doch dürfen wir nach der Analogie der frühern und spätern Zeit mit ziemlicher Sicherheit annehmen, daß es aus Stammeshäuptern — Repräsentanten des Volkes, aus Priestern und geseßeskundigen Männern verschiedener Stämme, jedoch besonders aus dem Stamme Levi zusammengesegt war.

§. 2.

Von der Zeit der Hasmonäer an liegt uns die Verfassung dieses hohen Tribunals klar vor Augen. **) Es führt den Namen „Senat“, „Rath“, ***) und wird im Evangelium durch Nennung der Hauptklassen der Mitglieder: „Schriftgelehrte und Älteste“ (Matth. 26, 57.) und ähnliche Ausdrücke bezeichnet. Die Rabbinen nennen es Sanhedrin nach dem Griechischen. †) Unter eben diesem Namen kommt ein Traktat in der Mischnah vor, welcher uns die wichtigsten Mit theilungen über die Einrichtung des jüdischen Senates giebt. Derselbe bestand aus 71 Mitgliedern; an der Spize war ein Präsident, gewöhnlich der jeweilige Hohepriester, ihm zur Seite stand der Vicepräsident, Vater des Tribunals" ++) genannt. Es vereinigte in sich die Macht der Lehre, des Richteramtes und der Administration in den wichtigsten Fällen, weßhalb es mit ebensoviel Recht: „Gerichtshof“ und „Rathscollegium", wie „Oberbehörde“ genannt werden kann. Der Wirkungskreis dieser Behörde ist von der Mischnah so bestimmt: „Das Gericht von 71 Männern tritt ein, wenn die Sache einen ganzen Stamm betrifft, oder einen falschen Propheten, oder

"

*) Synagoga magna,

**) 2 Makk. 4, 44. und 1, 10. erscheint der Senat, die yɛgovoia, als oberftes Tribunal der Juden um 170 und 106 v. Chr.

***) Bovly, Mark. 15. 43.

בית דין ut . סנהדרין, Lovedatory ( אב בית דין (ff

Synedrium. Persischer Einfluß.

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den Hohenpriester; wenn es sich darum handelt, ob man einen willkührlichen Krieg anfangen soll; ferner wenn man die Stadt Jerusalem oder die Vorhöfe vergrößern oder wesentlich ändern will; wenn man Tribunale von 23 Männern in den Provinzen segen will und wenn man eine Stadt für abgöttisch erklären, oder unter Interdikt Legen soll" (Sanhedr. C. I. §. 5.). Aus dieser Stelle geht von selbst hervor, daß dem obersten Gerichtshofe kleinere untergeordnet waren von 23 Mitgliedern; es waren dergleichen in verschiedenen Städten Judäas; auch in Jerusalem waren mehrere neben dem hohen Rathe; die erste und niederste Instanz bildeten die kleinen Schiedsgerichte von 3 Mitgliedern. *)

§. 3.

Selbst unter den hasmonäischen Königen dauerte dieses Collegium fort und Römer ließen es bestehen; obwohl sie ihm 40 Jahre vor der Zerstörung des Tempels, also kurz vor dem Tode Christi die Gewalt nahmen, Todesurtheile vollziehen zu lassen, eine Schmälerung, welche sich auch in einer Veränderung des Sizungslokales ausdrückte. **) Dessenungeachtet erhielt es sich im Ansehen; es verurtheilte Christum (Joh. 11, 47.); lud den heiligen Petrus allein (Akt. 4, 8.) und mit Johannes vor sich (Apostelgesch. 5, 27), ebenso den heiligen Paulus (Apostelgesch. 22, 23.). An Stephanus ließ es sogar die Todesstrafe troß des entgegenstehenden Verbotes der Römer vollziehen (Akt. 7, 56.), und schickte den Saulus mit peinlichen Vollmachten als Christeninquisitor aus (Apostelgesch. 5, 21.). Die Begründung dieses Collegiums nach dem Exile war sogleich am Anfange um so bedeutender, da sich die persischen Statthalter wenig in die Regierung des jüdischen Volkes mischten und, wie es scheint, mit der Eintreibung der Steuern sich begnügten. Es ist allgemein anerkannt, daß die Perser auf die Regierung der Juden nur wenig einwirkten. Dagegen hat man viel von einem

*) In der Stelle Matth. 5, 22. nimmt Christus die beiden Unterbehörden von 3 und 23 Mitgliedern zusammen unter xgiois (17), als höhere Instanz begcicnet et τὸ συνέδριον.

**) Sanhedr. f. 41. a. Aboda Sara f. 8. b. Vgl. Joh. 18, 31.

B. persischen Einflusse

§. 4.

auf die Lehre der Juden geredet. Richtig ist, daß die persische Oberhoheit sich selbst bis auf Darius Nothus in keiner Weise grausam, von da an aber sogar in großmüthiger Begünstigung äußerte. Die Regierung von Darius Nothus (424-404) und Artaxerxes Mnemon (405364) war für die Juden glücklicher, als selbst die von vielen eingeborenen Königen gewesen war. Zwar sah sich unter Artaxerxes Mnemon der Statthalter Bagoses offenbar nach dem Abtreten des Nehemias genöthigt, mit Waffenmacht Ruhe im Tempel herzustellen, *) allein das war mehr ein Freundschaftsdienst, als eine Verfolgung. Bedeutender war allerdings das, was der folgende tyrannische König (Darius III.) Ochus that. Ohne Zweifel waren Juden in einen von den Empörungsversuchen verwickelt, welche unter diesem Könige in mehreren westlichen Provinzen vorkamen **) (um 350 v. Chr.); wenigstens berichtet uns Julius Afrikanus, es habe Ochus egyptische Juden an's caspische Meer nach Hyrkanien deportirt und Paulus Orosius bestätigt diese Angabe. ***) Doch dieser Schlag traf bloß hellenistische Juden und selbst diesen giebt schon Hekatäus, ein Zeitgenoffe Alexander des Großen, das Zeugniß, daß solche Gewaltthätigkeiten der persischen Könige nicht im Stande gewesen seien, die Juden in der Anhänglichkeit an ihre alte Religion zu erschüttern. †)

Jedenfalls ist nirgends eine wesentliche Vermehrung oder Veränderung der religiösen Vorstellungen der Juden nach dem Exile zu entdecken; ††) es sind dieselben Vorstellungen von dem Einen, per

*) Joseph. Ant. XI. c. 7. §. 7.

**) S. darüber Diod. sic. I. XV. u. XVI.

....

***) Aug. Calmets bibl. Untersuchungen v. Mosheim IV. Bremen 1743. S. 401. †) Bei Joseph. c. Ap. p. 456., wo das πgoxylazığóμevoi bald durch: лollas μὲν γὰρ ἡμῶν ἀνασπάστους εἰς Βαβυλῶνα Πέρσαι πρότερον avrov (vor der Zeit Alexanders) éñoiŋóav μvgiádas, erklärt wird, was ich mit mehreren Gelehrten auf jene Deportation ein Menschenalter vor Hekatäus beziehe, da von keiner andern eine Spur sich findet. tt) Wenn Kurt Sprengel, Geschichte der Arzneikunde II. Theil. 3. Ausgabe. Halle 1823. S. 177 f., aus Daniel 7, 9 ff. eine Abhängigkeit von der Feuerlehre der Parfi beweisen will, so vergißt er Deuter. 33, 2. p 1337

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sönlich lebendigen, allmächtigen Gott, und dem freien, aber an Gottes Gesez angewiesenen Menschen, wie vorher; kein Dualismus, keine monstrose Schöpfungsgeschichte, keine Naturanbetung.

Die nach dem Erile neu eingeführten Gebräuche tragen zum Theil den Charakter der bestimmtesten Protestation gegen das persische System an sich. Das Hervortretendste im Cultus der Perser war die Verehrung der Sonne. *) Nun wurde es im zweiten Tempel Gebrauch, am Laubhüttenfest feierlich und öffentlich in reuevollen Ausdrücken sich von der Sonnenanbetung loszusagen, welche unter den Königen in manchen dem Astralculte huldigenden Zeiten geübt worden war. (Vgl. Ezech. 8.) In dieser Absageformel bei einer Feierlichkeit, welche als der höchste Glanzpunkt israelitischer Festfreude galt, **) wurde jedesmal zugleich die persische Gottesverehrung mit Entschiedenheit verworfen. ***)

$. 5.

Dagegen ist es wahrscheinlich, daß der Eifer, womit die persischen Mobeds und sogar die Könige die Religion Zerduscht's verbreiteten, auch in den Israeliten Eifer spornte. Zur Aneignung bot der Parsismus aber nicht einmal der Form nach etwas dar. Eher scheint die chaldäische Weisheit, obwohl eben im Fallen, manche Form geboten zu haben. Sicher haben die Hebräer im Erile ihre alte, der samaritanischen und phönizischen verwandte Schrift mit der sogenannten Quadratschrift vertauscht. †)

und und viele andere Stellen. Mich. V. Lessing, Handb. der Geschichte der Medizin 1838. I. S. 110, folgt Sprengel blind.

*) Herod. I. 131.

לא ראה שמחה מימיו

**) Mischnah, Succah c. V. §. 1. asiwn n'a nnew naj nów wpba die Freude bei der Wasserlibation (am der hat noch keine Freude gesehen sein

„Wer

"Laubhüttensest) nicht gesehen hat,
„Leben lang."

***) Mischnah, Succah

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אבותינו שהיו במקום הזה אחוריהם .4 .V. S . אל היכל ה ופניהם קדמה והמה משתחוים קדמה לשמש ואנו ליה

1 misi mis U8 d. h. „Unsere Väter, die an dieser Stätte waren, ,,haben den Rücken gegen den Tempel Gottes, ihr Gesicht aber gegen Morgen "gewendet, indem sie gegen Morgen gekehrt der Sonne Anbetung brach„ten; wir aber dem Jah, wir dem Jah und zum Jah wenden sich unsere Augen.“ †) Die Quadratschrift heißt eigentlich affyrische Schrift. S. Gesenius, Geschichte der hebräischen Sprache und Schrift. 1815. S. 142.

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