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ohne die Klagen Mosis über die freiwillige Abkehr von Gott (Deut. 32.) hinreichen, die Lehre von der Freiheit des Menschen als eine Grundwahrheit der mosaischen Religion zu sichern. — Die Verschuldung des Menschengeschlechts ist durch die häufige Anwendung blutiger Opfer; das Vorherrschen der Sündhaftigkeit und deren Allgemeinheit durch die Ausdehnung ausgedrückt, welche im Cultus dem blutigen Ganzopfer zukommt; andererseits aber spricht sich im Gottesdienste deutlich genug die Wahrheit aus, daß nicht alles am Menschen Sünde und Schuld sei; denn neben den blutigen Opfern herrschen auch unblutige und solche, denen alle Hindeutung auf Sühne fehlt.

§. 9.

Die Lehre von der Unsterblichkeit der Seele ist zum Theil schon in jener von ihrer Gottebenbildlichkeit und von gerechter Vergeltung enthalten. Sie tritt in der mosaischen Offenbarung nicht besonders stark hervor. Aber unrichtig ist es, daß sie in ihr nicht bezeugt sei. Das Sterben wird ein Versammeltwerden zu den Vätern oder zu seinen Leuten" genannt; Jakob sagt: „Ich werde zu meinem Volke gesammelt, begrabet mich zu meinen Vätern“ (Genef. 49, 29.), daher kann jener Ausdruck nicht vom Bestatten im Familienbegräbniß gedeutet werden. Dieses Sammeln erscheint als ein Einberufen in eine andere Welt, wie bei Aaron: „Aaron soll gesammelt werden und allda sterben" (Num. 20, 26.). Von Abraham heißt es: „Er starb... und wurde zu seinem Volke versammelt“ (Genes. 25, 8.). Sein Grab war mehrere hundert Stunden von den Gräbern seiner Familie entfernt. Ähnlich bei Isaaks Tode (das. 35, 29.). — Für den Glauben an die Unsterblichkeit spricht in der mosaischen Zeit und der vorangehenden auch die ruhige Freudigkeit Derjenigen, deren Tod ausführlich genug dargestellt ist, um über ihre Stimmung ein Urtheil zu haben. So ist's mit dem Tode Jakobs, Aarons und Mosis. Ferner zeugt die Art, wie das mosaische Gesez die Israeliten über die Trauergebräuche belehrt, von freudiger Gewißheit eines Fortlebens über das Grab hinaus. „Über einen Todten sollt ihr euer Fleisch nicht zerschneiden, noch Figuren oder Malzeichen euch machen. Ich bin der Herr!" (Lev. 19, 28.) Ihr seid Kinder des Ewigen; macht euch keine Einschnitte und scheeret euch nicht kahl um eines Todten willen, denn du bist ein heilig Volk dem Ewigen deinem Gotte" (Deut. 14, 1 ff.). Das Bewußtsein, daß sie Kinder Gottes

Glaubenslehre. Unsterblichkeit.

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seien, soll demnach die Israeliten von der Nachahmung heidnischer Trauergebräuche abhalten. Was kann damit anders gesagt sein, als daß sie vermöge ihres Zusammenhanges mit Gott eine Lebenskraft in sich trügen, welche das Grab überdauert, daß aber wegen der Heiligkeit dieses Gottes das Todesverhängniß zur Läuterung eintreten müsse. Überdieß sehen wir die Lehre von der Unsterblichkeit der Seele nach der mosaischen Zeit in Israel oft bekannt und ausgesprochen, ohne daß auch nur die leiseste Andeutung gegeben wäre, dieß sei eine neue Verkündung, eine Ergänzung der Offenbarung am Sinai. *)

Wenn z. B. Saul in Endor vor der Schlacht auf Gilboa (2 Sam. 28, 11.) von einer Beschwörerin der Todten begehrt, ihr den bereits begrabenen Samuel heraufzuführen, so muß vorausgesezt werden, daß er an ein Fortleben desselben im Hades oder Scheol glaubte. Allerdings steht diese Thatsache einzeln da, aber sie ruht auf einem Sprachgebrauche, welcher bereits in den Büchern Mosis angewendet wird, und welcher selbst ohne die Beleuchtung durch jenes Faktum den Glauben an das Fortleben der Seele nach dem Tode bezeugen würde; wir meinen das Wort Scheol oder Hades als Bezeichnung für den Aufenthaltsort der Abgeschiedenen. So sagt Jakob in der Klage um Josephs Tod: „Ich möchte zu meinem Sohne hinabsteigen in den Scheol" (Genef. 37, 35.) u. f. f.

§. 10.

Immerhin bleibt es aber wahr, daß die Lehre von der Unsterblichkeit der Seele und von allem, was das Jenseits betrifft, in den Büchern Mosts sehr wenig berücksichtigt ist. Erst allmählig tritt sie mit andern, die in's Reich der Geister einschlagen, immer mehr in's Leben ein, bis sie im Buche der Weisheit zur anschaulichsten Klarheit sich entfaltet. Dasselbe gilt von der Messiashoffnung, welche um Weniges weiter geführt wird, als wir sie bei den Patriarchen sahen. Wie ist diese Schweigsamkeit zu erklären, nicht bloß hinsichtlich dieser Wahrheit, sondern auch hinsichtlich vieler Fragen, welche

*) Der Segen Abigails über David: „Wenn sich ein Mensch erhebt, dich zu vers folgen und deine Seele zu suchen, so sei die Seele meines Herrn gebunden im Bündel der Lebendigen bei dem Ewigen deinem Gotte, aber die Seele deiner Feinde möge er durch den Griff der Schleuder schleudern“ (1 Sam. 25, 29.), kann wohl auch als Beleg für die sprüchwörtliche Ausprägung der Lehre von der Unsterblichkeit der Seele in der Zeit Sauls angeführt werden.

sich dem Menschen über ein Reich der Geister aufdrängen? Die mosaische Offenbarung giebt sich für eine Kundgebung Gottes aus, warum beantwortet sie so wenig Fragen, welche über den Kreis der menschlichen Thätigkeit auf dieser Welt hinausgehen?

Auf dieses Bedenken giebt Moses selbst am Schlusse seines legten Buches die bestimmteste Antwort (Deut. 29, 28.): „Die verborgenen Dinge sind die Sache des Ewigen unsers Gottes, die geoffenbarten aber unsere Sache und unserer Kinder auf ewig, daß wir beobachten alle Worte dieses Gesezes."

Diese Zurechtweisung gilt nicht bloß für die Offenbarung des alten, sondern auch des neuen Testamentes. Auch hier möchte der menschliche Vorwiz vor allem einen Reichthum an Aufschlüssen über eine Welt fordern, die über das Gebiet der Sinnenwelt hinausgeht.

Allein selbst in der christlichen Offenbarung ist die Zahl der übernatürlichen Eröffnungen nicht groß; das Hauptgewicht fällt auf lebendige Durchübung der wenigen Lehren von Gott im Glauben und in der Sehnsucht, und zugleich auf die Haltung der göttlichen Gebote. Wenige Lehren reichen hin, um das Dasein Gottes und seine Eigenschaften sowie die Bestimmung des Menschen bekannt zu machen, nun gilt es, im Willen die Hingebung an den erkannten Gott zu üben. Ohne Durchübung des Willens würde eine engelgleiche Erkenntniß mehr Gefahren darbieten, als Segnungen. Darum enthält der größte Theil der mosaischen Offenbarung Sittenlehren und nicht mit Unrecht nennt man die ganze mosaifche Offenbarung Geseß Mofis, oder schlechtweg Gesez, obwohl der ursprüngliche Name: Lehre" bedeutet. *) In dem Maaße, als die Propheten einzelne Glaubens wahrheiten näher beleuchten, verstärken sie auch die sittlichen Mahnungen. Je näher der Erlöser rückt, um der unsterblichen Seele den Himmel zu öffnen, desto höher werden die Anforderungen an ihre Ausbildung in gutem Willen. **)

"

*) in Thorah von 1997 lehren; daher Thið Lehrer.

**) Daß die mosaische Offenbarung die Lehre vom Jenseits weniger beleuchtet, als die Propheten, kann zugleich als alttestamentliche Bestätigung von der freudigen Eröffnung der jenseitigen Welt durch Chriftus gelten. Je ferner für die Zeit vor Christus im Jenseits der unmittelbare Genuß des Himmels in Aussicht stand, desto weniger war Veranlassung da, sich darüber zu äußern.

Sittenlehre. Verhalten gegen Gott.

Zweite Abtheilung. Sittenlehre.

§. 11.

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I. Verhalten gegen Gott. a) Innerliche Pflichten gegen Gott. Die Lehre von dem Einen, persönlichen lebendigen Gott bringt sehr natürlich die Pflicht mit sich, sie festzuhalten und jedem dawider streitenden Irrthume zu widerstehen. Zum Theil ist diese Pflicht schon im ersten Gebote des Dekaloges enthalten; die spätern Eröffnungen erweitern das dort Geforderte. Es tritt im Verlaufe der ganzen Gesezgebung ein buntes Heidenthum als Gegensag auf und stellt sich als Gegenstand der Bekämpfung und Verwerfung dar. Es ist nicht genug, daß in Bezug auf die Religion der Canaaniter gefordert wird: „Du sollst ihre Götter nicht anbeten, noch ihnen dienen und sollst ihre Werke nicht thun," es ist auch befohlen: „Du sollst sie zerstören und ihre Bildsäulen zerbrechen..... Du sollst kein Bündniß mit ihnen schließen, noch mit ihren Göttern. Sie sollen in deinem Lande nicht wohnen" (Exod. 23, 24 f. 32 f.). Somit ist es Pflicht, den Glauben äußerlich darzustellen, falls ein heidnischer Irrthum entgegentritt. Dieses Gebot, welches unter verschiedenen Wendungen wiederkehrt, ist die Grundlage jener Ausrottung der Canaaniter, welche unter dem Namen Anathem als religiöser Akt erscheint, *) und auf welche wir bei der Eroberung Canaans näher eingehen müssen. Unter der Vorausseßung, daß der Israelit mit heidnischem Unwesen zusammentrifft, muß er seinen Glauben mit. Strenge äußern. Diese Strenge nach außen wird zunächst mit den Worten motivirt: „Damit sie dich nicht zur Sünde bringen wider mich“ (das. 23, 33.).

Ebenso strenge wird nach Innen, im Volke selbst jedes Vergehen geahndet. Der Gotteslästerer sowie falsche Prophet (Irrlehrer) ist des Todes schuldig (Levit. 24, 14 f. Deut. 13, 1 ff.); ebenso, wer den Göttern opfert [Exod. 22, 20. **)]. Es läßt sich nicht läugnen, daß hiedurch die Inquisition für die Dauer des jüdischen Geseßes sanktionirt wurde. Zur Zeit Mosis und Josua's sehen wir mehrere Fälle von Todesstrafen wegen rein religiöser Vergehen. Im spätern Verlaufe der in der Bibel beurkundeten Geschichte Israels ist aber kein Fall von der Hinrichtung eines Gottesläugners oder Irrlehrers auf

חרם (*

זבח לאלהים יחרם בלתי ליהוה לבדו ("

gezeichnet; obwohl, wie sich später zeigen wird, oft falsche Propheten auftraten und als solche vom bessern Theile der Nation erkannt wurden. Nur aus der Zeit des zweiten Tempels hat die jüdische Literatur das Andenken an solche Hinrichtungen bewahrt. Namentlich wird ein gewisser Jeschu, Schüler des Josua Ben Perachia, der etwas mehr als hundert Jahre vor Christus lebte, als Opfer seiner Irrlehre dargestellt. *) Um so auffallender ist es, daß der König und Führer der wahren Propheten durch die jüdische Inquisition zum Tode vers urtheilt wurde: „Wir haben ein Gesez und nach diesem Geseze muß er sterben" (Joh. 19, 7.). Er selbst hat für sein Reich der Inqui sition die Bestätigung versagt (Matth. 13, 24.), obwohl gerade die Parabel vom Unkraut im Waizen, in welcher sich Christus über diese Anstalt des Feuereifers äußert, zum Beweise dient, 1) daß die eifrigsten Diener des Herrn auf den Gedanken kommen können, sogleich strafend einzugreifen, wo sich Abweichungen von dem ächten Worte Gottes zeigen, und 2) daß im Weltgericht eine Inquisition zu erwarten sei, der alle Irrlehrer und Irrgläubigen Rede stehen müssen, so gut wie Jene, welche unmäßig oder heuchlerisch geeifert haben. Im Judenthume war diese Anstalt ein Schußmittel des Glaubens an Gott, welchen festzuhalten die heiligste Pflicht jedes Israeliten war.

Die Pflicht gegen Gott fordert aber auch Liebe, Hingebung des Willens und des ganzen Gemüthes. Dieß spricht Moses an derselben Stelle aus, welche die Pflicht des Glaubens an den Einen Gott enthält: „Du sollst den Herrn deinen Gott lieben aus deinem ganzen Herzen und aus deiner ganzen Seele und aus all' deinen Kräften“ (Deut. 6, 5.).

§. 12.

Ein natürliches Ergebniß von Glaube und Hingebung, das Gebet, ist im mosaischen Geseze nicht so sehr ignorirt als Neuere **) glaubten. Wir werden finden, daß bei den Sühnopfern das Gebet des

*) Sanhedrin f. 43. a. und 103. a. Die Stellen des Talmuds, welche auf dieses Faktum Bezug haben, sind in den neuern Ausgaben getilgt und zwar vermöge eines Dekretes angesehener Rabbiner. S. Meyer, generatio Immanelis S. 72. Es würde uns hier zu weit abführen, wenn wir die Meinung widerlegen wollten, daß Christus der Herr in jenen Stellen ges meint sei.

**) 3. B. Winer.

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