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nur an grosser Breite leiden, sondern auch das Gepräge der Nachahmung oft sehr stark an sich tragen.

Wo sich aber Zeit und Raum zur Lectüre in der Schule nicht immer finden sollte, da wird Ciceros Brutus jedenfalls als ein sehr brauchbares Büchlein für die Privatlectüre der Schüler, wie ausserdem für ein sorgfältigeres Privatstudium angehender Philologen zu empfehlen sein.

Diesen Zwecken einer gründlichen Schul- und Privatlectüre zu dienen ist nun eben die vorliegende neue Ausgabe des Brutus bestimmt, die hoffentlich auch neben 0. Jahns verdienstvoller Arbeit (der ich selbst nicht wenig zu verdanken habe), um ihrer besonderen Eigentümlichkeiten und möglichst selbständigen Behandlung willen sich wird behaupten dürfen.

Die Einrichtung des Commentars ist ähnlich, wie in meiner Ausgabe von Cicero de oratore: die erklärenden indices schienen auch hier ganz zweckmässig. Dass dabei der eine oder andere Artikel aus den indices zu de oratore mit herübergenommen ist, war unvermeidlich; doch ist bei weitem das meiste unter stetem Hinblick auf die Stellen im Brutus, zu deren Erklärung die indices bestimmt sind, wieder besonders bearbeitet.

Der Text ist einer genauen Revision unterworfen und, wie der kritische Anhang näher ausweist, nicht nur durch den Versuch einer Wiederherstellung der Schlussworte, sondern auch durch die Emendation einer Anzal anderer Stellen soviel als möglich berichtigt worden.

Hanau im Merz 1862.

K. W. Piderit.

EINLEITUNG.

In der Trias der grösseren oratorischen Schriften Ciceros, § 1. der von ihm selbst so benannten libri oratorii1), nimmt nach Stoff und Form wie nach der Abfassungszeit sein Brutus de claris, oratoribus die mittlere Stelle ein. Die drei Bücher de oratore, der Brutus und der Orator, die sämtlich der letzten SchriftstellerPeriode Ciceros (vom J. 56 bis 43 v. Ch.) angehören, bilden nämlich in dieser ihrer Aufeinanderfolge ein wolgegliedertes Ganzes und können so gewissermassen als eine Art theoretisch-oratorischer Trilogie betrachtet werden. Natürlich ist das nicht so zu verstehen, als ob Cicero gleich von vorn herein die drei Werke als eine solche Trilogie concipiert und danach Plan und Gang bis ins Einzelnste festgestellt und im Geiste durchdacht habe; im Gegenteil jedes der drei Werke ist ein besonderes Kunstwerk für sich, das nach Inhalt und Darstellung seine volle Selbständigkeit behauptet. Die Einheit der drei Theile besteht vielmehr zunächst nur in der Planmässigkeit, mit der Cicero an die grundlegende Schrift die beiden andern angereiht hat.

Als Cicero nicht lange nach seiner Rückkehr aus dem Exil § 2. gewahr wurde, dass sein politischer Einfluss gebrochen war und hinter der wachsenden Macht der beiden Gewalthaber Pompejus und Cäsar zurücktreten musste, trieb es ihn, seinem Vaterlande auf andere Weise nützlich zu werden 2): er erkannte es nunmehr

1) de div. II 1, 4 Cumque Aristoteles itemque Theophrastus, excellentes viri tum subtilitate, tum copia, cum philosophia dicendi etiam praecepta coniunxerint, nostri quoque oratorii libri in eundem numerum referendi videntur. Ita tres erunt de oratore, quartus Brutus, quintus Orator,

2) de div. II 1, 1 Quaerenti mihi multumque et diu cogitanti, quanam re possem prodesse quam plurimis, ne quando intermitterem consulere reipublicae, nulla maior occurrebat, quam

CIC. BRUT.

si optimarum artium vias traderem
meis civibus, quod compluribus iam
libris me arbitror consecutum (durch
den Hortensius, die 4 Bücher Acade-
mica, die 5 Bücher de finibus bono-
rum et malorum, die 5 Bücher der
disputationes Tusculanae, die 3 Bücher
de natura deorum, an die sich dann
die 2 Bücher de divinatione und die
Schrift de fato anreihen; ferner durch
die 6 Bücher de republica, die Schrif-
ten de consolatione, dejsenectute oder
den Cato maior, die Lobschrift auf
M. Cato Uticensis; endlich durch die

1

als seinen eigentlichen Beruf, durch seine schriftstellerische Thatigkeit die Prosaliteratur seines Volks zu der Höhe zu erheben, die sie in ihm für alle Zeiten erreicht hat. Sein Augenmerk war dabei zuerst und vornehmlich auf die oratorische Prosa, auf die Beredsamkeit gerichtet. Hier galt es vor allem, den unvollkommenen Standpunkt, den er einst selbst eingenommen3), zu überwinden, und der trockenen, dem Leben entfremdeten griechischen Schulrhetorik wie der blossen rednerischen Routine gegenüber die Notwendigkeit einer allgemein wissenschaftlichen Bildung für den Redner mit allem Nachdruck hervorzuheben. Das Epoche machende Werk, das aus diesem Streben hervorgieng, sind bekanntlich seine 3 Bücher de oratore aus dem J. 56. Sicheren Takts beginnt Cicero den Cyclus seiner grösseren rhetorischen Werke in dieser Schrift als oratorius sermo de ratione dicendi1) mit dem Aufbau einer rhetorischen Theorie nach einem höheren, ebenso wissenschaftlichen als wahrhaft praktischen Gesichtspunkt. Erst wenn dieser Grund gelegt, wenn das vollständige rhetorische System nach allen seinen Richtungen an der Hand der Wissenschaft und Erfahrung entwickelt, wenn die Forderungen, die der Redner zu erfüllen, und der Weg, den er zu gehen hat um sein Ziel zu erreichen, in lebendiger Klarheit dargelegt waren, erst dann konnte auf diesem Fundamente weiter gebaut und zuletzt der alles vollendende Abschluss hinzugefügt werden. Eine ästhetische Kritik an den geschichtlichen Erscheinungen der oratorischen Prosa zu geben, gieng nicht eher an, als bis die allgemeinen Grundsätze für eine solche Beurteilung feststanden, bis ein sicherer Masstab aufgestellt war, an dem die rednerischen Producte der Vergangenheit gemessen werden konnten. Und ebenso wenig liess sich weiterhin das Ideal des Redners und die höchste Vollendung der oratorischen Sprache in befriedigender Weise darstellen, wenn nicht zuvor sowol das ganze Gebiet, auf dem sich der Redner zu bewegen hat, nach allen Richtungen durchwandert und die mannigfachen Functionen, die ihm obliegen, bestimmt, klar und vollständig erörtert waren, als auch andererseits durch die Geschichte der Beredsamkeit sich herausgestellt hatte, in wie weit im Laufe der Zeiten, in den einzelnen Perioden, jene an den Redner zu stellenden Forderungen von den Trägern der Beredsamkeit erfüllt waren; welche objective Leistungen in der grossen Reihe der Redner vom Anfang bis zur Gegenwart geschichtlich vorlagen, und wie die verschiedenen Stufen und Richtungen der Redekunst in den geschichtlichen Persönlichkeiten der Redner hervortraten. Diesen methodisch vollkommen richtigen Gang hat denn auch Cicero in der

libri oratorii; tres de oratore, quartus Brutus, quintus Orator.) Vgl. de nat. deor. I 4,7. de div. II 2, 6 f.

3) in seiner Jugendarbeit, den libri

rhetorici (de inventione). de or. I 2, 5. Quint. II 15, 6.

4) ad Quint. fr. III 6, 1.

Aufeinanderfolge seiner drei grossen oratorischen Werke eingehalten und als die Zeitverhältnisse ihn wieder auf die Beschäftigung mit den Wissenschaften und die schriftstellerische Thätigkeit als die einzige Stätte des Trostes hinwiesen, so zur Ausführung gebracht, dass er an die früher herausgegebenen Bücher de oratore erst seinen Brutus, dann nicht lange darnach den Orator anreihte.

Zunächst also will Cicero auf die Theorie der Beredsamkeit § 3. eine geschichtliche Darstellung folgen lassen. Hatte doch sein Vorbild unter den Griechen, Aristoteles, gleichfalls in seiner τεχνῶν συναγωγή die rhetorischen Systeme seiner Vorgänger zusammengestellt3), um damit geschichtlich den Weg darzulegen, den die Rhetorik oder die Theorie der griechischen Beredsamkeit durchlaufen hatte, ehe sie an dem Ziel anlangte, das sie in der Aristotelischen Rhetorik erreichte. Eine ähnliche Geschichte der Theorie der römischen Beredsamkeit zu schreiben, daran konnte freilich Cicero nicht denken und zwar aus dem sehr einfachen Grunde, weil es eine solche Geschichte in Rom vor ihm nicht gab Cicero ist selbst erst durch seine rhetorischen Schriften der eigentliche Anfänger und Begründer der römischen Rhetorik geworden. Wol aber konnte er dem grossen Meister darin folgen, dass er, wie Aristoteles die Systeme der griechischen Theoretiker vor seiner Zeit bis auf seine eigene Rhetorik in geschichtlicher Aufeinanderfolge dargestellt hatte, so durch die Charakteristik der oratorischen Praktik er seines Volks), d. h. der römischen Redner in der vorciceronianischen Zeit den Entwickelungsgang veranschaulichte, den die (praktische) römische Redekunst von ihren ersten Anfängen bis zur Höhe ihrer gegenwärtigen Vollendung durchlebt hatte.

Für eine Geschichte der (praktischen) römischen Redekunst § 4. aber fehlte es für Ciceros Zweck im Ganzen nicht an hinlänglichem Material. War doch die aus dem öffentlichen Leben der Römer selbst geborene, mit ihrem Rechts- und Staatswesen auf das innigste verwachsene römische Beredsamkeit das Gebiet der

5) de inv. II 2, 6 ac veteres quidem scriptores artis usque a principe illo atque inventore Tisia repetitos unum in locum conduxit Aristoteles et nominatim cuiusque praecepta magna conquisita cura perspicue conscripsit atque enodata diligenter exposuit, ac tantum inventoribus ipsis suavitate et brevitate dicendi praestitit, ut nemo illorum praecepta ex illorum libris cognoscat, sed omnes, qui quod illi praecipiant velint intellegere, ad hunc

quasi ad quendam multo commodio-
rem explicatorem revertantur. de or.
II 38, 160 cuius et illum legi librum,
in quo exposnit dicendi artes omnium
superiorum.

6) Brut. 36, 137 est enim propo-
situm colligere eos, qui hoc munere in
civitate functi sunt, ut tenerent ora-
torum locum. Vgl. 19,74 qui (Atticus)
me inflammavit studio illustrium ho-
minum aetates et tempora persequendi.

römischen Literatur, das nicht allein der griechischen Lite gegenüber auf eine grössere Selbständigkeit und Originalitä spruch machen konnte, als alle anderen Literaturzweige, so unstreitig auch am längsten und sorgfältigsten cultiviert wo Denn wenngleich in Rom (wie in Griechenland 7)) die Entsteh zeit einer eigentlichen Beredsamkeit verhältnismässig spät so war es doch immerhin eine ganz ansehnliche Zahl von p schen Rednern, die in langer Reihe von Cicero und seinen Ze nossen bis in die ersten Zeiten der römischen Republik hi reichte. Eben diese lange Reihe römischer Redne ihrer zeitlichen Folge und oratorischen Bedeut ist es nun, die Cicero in seinem Brutus uns vorführt. Die b Grenz- und Endpunkte, innerhalb deren sich die Darstellung wegt, sind natürlich die von der Geschichte selbst gegebenen Darstellung reicht von den ältesten Zeiten der römischen Rep bis auf die Gegenwart, d. h. bis auf Ciceros Zeit oder von ersten Anfängen der römischen Beredsamkeit bi dem Höhepunkt ihrer Vollendung. Freilich konnte Ci schicklicher Weise als diesen Höhepunkt der Vollendung nicht mittelbar sich selbst preisen), sondern musste vielmehr da brechen, wo er als Träger der römischen Redekunst auftritt kann also genau genommen die Geschichte der römischen Be samkeit nur bis auf seinen nächsten grossen Vorgänger Horter verfolgen 9). Da es aber andererseits für die Erreichung se Zweckes wesentlich war, die Geschichte der römischen Bereds keit eben bis zu ihrem gegenwärtigen Höhepunkt zu schildern in keinem andern diese höchste Blüte erreicht war, als in Cic so sucht er der geschichtlichen Wahrheit dadurch gerecht zu v den, dass er zur Ergänzung nicht nur eine ausführliche Dars lung seines eigenen oratorischen Entwickelungsganges in die schichte mit einflicht 10), sondern auch andern gefeierten Redn und competenten Kritikern ein anerkennendes Urteil über s oratorische Meisterschaft in den Mund legt 11) und ausserdem me mals deutlich genug zu verstehen gibt 12), dass in ihm die höcl Stufe erreicht sei. Aus demselben Grunde, nämlich um uns Augen doch auch über Hortensius hinaus auf die nächste Zeit n dessen Tod zu richten, weicht denn auch Cicero von dem a

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