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Staat im engeren Sinne, ähnlich wie Rom, die römischen Colonien, und die unterworfenen Italiker den engeren römischen Staat bildeten.

Zu diesem Kerne des Staates kommen nun noch drei andre Elemente, die verbündeten punischen Städte, die abhängigen africanischen Nomadenstämme und die auswärtigen Besitzungen.

Es ist ein untrügliches Zeichen von der politischen Begabung der Punier daß, so viel wir hören, zwischen den verschiedenen phönizischen Colonien keine aus Eifersucht und Herrschsucht erzeugten Kriege geführt wurden, wie sie die einst blühenden griechischen Colonien in Italien und Sicilien zu Grunde richteten. Zwar waren die Phönizier eifersüchtig bedacht, andre Völker von den Gegenden fern zu halten, worin sie ihre Handelsniederlassungen gegründet hatten; auch mag Karthago bestrebt gewesen sein den Handel seines africanischen Gebietes vorzüglich in Karthago zu concentriren 4. Aber es kam nie zu Vertilgungskriegen zwischen verschiedenen Städten phönizischen Stammes. Sämmtliche tyrischen und fidonischen Colonien in Africa, auf den Inseln des westlichen Mittelmeeres und in Spanien, wo sie zum Theil lange vor Karthago gegründet worden waren, schlossen sich allmählich an Karthago an, und erkannten in ihm das Oberhaupt ihrer Nation.

Wie diese Einigung bewerkstelligt wurde, ist in dem gänzlichen Dunkel der älteren karthagischen Geschichte verborgen. Wir dürfen vielleicht annehmen, daß die gemeinsamen nationalen und mercantilen Interessen die vereinzelten Niederlassungen der weitsehenden Phönizier zu friedlicher Einigung und Unterordnung unter den mächtigsten Staat veranlaßten 5. So wurde es einer Handvoll Menschen fremden Stammes möglich, wie jezt den Engländern in Ostindien, eine ausgedehnte Herrschaft in einem fernen Welttheile über zerstreute Ländergebiete und wilde Barbarenvölker zu begründen.

Die bedeutendste Stadt dieser phönizischen Bundesgenossen der Karthager war Utica, in kleiner Entfernung nördlich von Karthago am Aus

4) Movers Phönizier II, 2. 488. Daß aber, wie Movers vermuthet, die Karthager den Hafen von Großleptis unbrauchbar gemacht hätten, ist undenkbar. Sie wären ja sonst für den Export der Waaren von Leptis nach Karthago auf den schwierigen und theuren Landtransport beschränkt gewesen. Mehr als ein Hafen des frühen Alterthums ist verdorben, ohne daß Menschen dabei mitgewirkt hätten.

5) Wenigstens ist von gewaltsamer Unterwerfung der kleineren phönizischen Städte durch Karthago Nichts bekannt.

Unterthanen, Verbündete, fremde Beigungen.

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flusse des Bagradas gelegen. In den Staatsverträgen, welche Karthago schloß, wurde in der Regel Utica als einer der Contrahenten genannt 6. Es war also eher Bundesgenosse als Unterthan von Karthago, ähnlich wie Präneste und andre italische Städte sich zu Rom verhielten. Von den übrigen phönizischen Städten an der Nordküste von Africa haben wir weniger Kunde. Keine von ihnen war so bedeutend, um mit Karthago und Utica in einer Linie genannt zu werden. Sie waren verpflichtet festen Tribut zu zahlen und Contingente zu stellen, regierten sich aber sonst selbständig nach eigenen Geseßen.

Südlich und westlich von dem eigentlichen Gebiet der karthagischen Republik wohnten verschiedene Stämme der eingeborenen Libyer, die gewöhnlich mit dem Namen Numidier bezeichnet werden. Diese waren aber keinesweges, wie ihr griechischer Name „Nomaden“ anzudeuten scheint, ausschließlich Hirtenvölker. Viele Gegenden ihres Gebietes, besonders im heutigen Algerien, eigneten sich vortrefflich zum Ackerbau. Daher hatten sie nicht nur vereinzelte feste Wohnpläge, sondern eine Anzahl nicht unbedeutender Städte, von denen Hippo und Cirta, die Residenzen numidischer Fürften die bedeutendsten waren. Die Häuptlinge der numidischen Stämme waren wohl mehr durch ihr eigenes Interesse als durch die kriegerische Uebermacht der Karthager als Bundesgenossen an die reiche Handelsstadt gebunden. Zum großen Theil vermittelten sie den Handel Karthagos nach den inneren Gegenden Africas und sie zogen aus diesem Zwischenhandel ihren Vortheil. Der Kriegsdienst in den karthagischen Heeren war für die armen raub- und beuteluftigen Söhne der Steppen ein lockender Beruf und die unübertreffliche leichte Reiterei der Numidier gab den Karthagern eine Waffe, denen weder Römer noch Griechen etwas Ebenbürtiges entgegenseßen konnten. Die Fürsten der Numidier wurden durch eine kluge Politik von Seiten Karthagos bei guter Laune erhalten. Geschenke, Ehrenbezeigungen und Heirathsverbindungen mit edlen Karthagerinnen verknüpften sie mit der Stadt, die somit über sie verfügte und sich ihrer bediente, ohne daß sie glaubten sich in Abhängigkeit zu befinden. Daß übrigens ein so unsicheres, schwankendes Bundesverhältniß nicht ohne Gefahr für Karthago war, daß die leicht beweglichen Numidier, nur auf unmittelbaren Vortheil bedacht, in der Stunde der Noth sich den Frieden Karthagos ohne Bedenken zu

6) Polybius III, 24.

wenden würden, sollte Karthago im zweiten Kriege mit Rom zu seinem Unglück erfahren.

Neben seinem unmittelbaren Gebiet in Africa, neben den verbündeten phönizischen Städten und den numidischen Bundesgenossen hatte Karthago noch eine Anzahl auswärtiger Besizungen und Colonien, welche seinen Namen und Einfluß überall im westlichen Mittelmeere verbreiteten.

An der Nordküste von Africa bis über die Meerenge von Gibraltar hinaus und sogar am Westrande des Continents also an der Küste von Numidien und Mauretanien war eine Anzahl von Niederlaffungen gegründet worden, die aber in erster Linie dem karthagischen Handel dienen sollten und keineswegs den Zwecken der Eroberung. So waren auch die ältesten Ansiedelungen in Spanien, und den Inseln des Mittelmeeres auf den Balearen, Malta, den liparischen Inseln, auf Sardinien und schließlich auf Sicilien ursprünglich Handelsfactoreien und nicht Colonien in römischem Sinne. Aber wo der Handel des Schußes der Waffen bedurfte, verwandelten sich solche Factoreien bald in militärische Posten, ähnlich wie die der Engländer in Ostindien, und die Eroberung größerer oder kleiner Strecken Landes und ganzer Inseln war die Folge. Daß in Sicilien die Karthager mehrere Jahrhunderte lang nicht auf Eroberung ausgingen, ift klar ersichtlich. Sie wichen dem Zusammenstoß mit den Griechen aus, verzichteten auf die ganze Oft- und Südküfte, wo anfänglich phönizische Colonien in Masse gewesen waren 7 und beschränkten sich auf wenige unbedeutende feste Punkte im äußersten Westen der Insel, welche sie als Handels- und Schifffahrtsstationen nicht entbehren konnten. Erst im fünften Jahrhundert scheinen sie einen Versuch gemacht zu haben sich in militärischen Besiß eines größeren Theils von Sicilien zu seßen. Aber nach dem Mißlingen dieses Versuchs durch die Niederlage bei Himera (480 vor Chr.) hören wir von keinen weiteren ähnlichen Unternehmungen bis in die Zeit des peloponnesischen Krieges.

Sardinien dagegen scheint früh ganz in die Gewalt der Karthager gekommen zu sein, nachdem der Versuch der griechischen Phokäer, sich dort niederzulaffen, durch die farthagische Flotte vereitelt war. Sardinien war übrigens nicht wie Sicilien ein Land von großer Anziehungskraft für Fremde. Es war nicht der ewige Zankapfel streitender Nachbarn, wie die reichere Schwesterinsel und so scheint es, daß der Besiz desselben,

7) Movers Phönizier II, 2. S. 324 ff.

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nachdem Karthago dort keine Nebenbuhler fand, sich als ein natürliches Ergebniß ohne große Anstrengung herausstellte.

Mit Gades, der uralten phönizischen Niederlassung in Spanien und mit den andern ähnlichen im Thale des Baetis, dem alten Lande Tarteffus, scheint Karthago in einem Freundschaftsverhältnisse der Art gestanden zu haben, daß ohne Eifersucht und gegenseitige Schädigung die africanischen und spanischen Punier im Frieden freundschaftlich mit einander verkehrten und im Kriege sich einander beistanden. Später, als Karthago sich erobernd in Spanien ausbreitete, mag Gades und die andern Orte in ein ähnliches Verhältniß zu Karthago getreten sein wie Utica.

So war also der karthagische Staat aus verschiedenartigen, durch Abstammung und geographische Lage weit von einander abstehenden Bestandtheilen zusammengeseßt. Für friedliche Zeiten, für industrielle und commercielle Entwickelung war dieser Staat vortrefflich gelegen und gebildet. Die Mannichfaltigkeit der Erzeugnisse der einzelnen Landestheile fand durch die vermittelnde Thätigkeit der Karthager ihren Markt. Die verschiedenen Völker ergänzten sich gegenseitig und konnten nicht verfehlen in dem Verkehr mit einander, und in der Vermittlung desselben durch Karthago ihr gemeinsames Interesse zu erkennen. Aber für einen ernsten Krieg war das Gefüge eines solchen Staates zu locker. Daß er auch nur irgend einen Krieg mit Erfolg unternehmen oder einen Unfall überdauern konnte, war der Natur der Dinge nach kaum zu erwarten. Trogdem hat Karthago mit Ruhm und Erfolg manchen Kampf bestanden, und Jahrhunderte lang sich als der erste Staat im westlichen Meere erhalten, ehe es den harten Schlägen der römischen Legionen erlag. Dieser Erfolg ist nur möglich geworden durch eine politische Ordnung des Staates, welche die vorhandenen spröden Elemente zu einem festen Körper vereinigte.

Von der karthagischen Verfassung haben wir allerdings nur mittelbare Kunde durch griechische und römische Geschichtschreiber, es bleibt uns also Vieles darin dunkel und unverständlich und besonders fehlt uns die Einsicht in ihre Entstehung und fortschreitende Entwickelung; aber über ihren allgemeinen Charakter sind wir im Klaren und wir dürfen keinen Anstand nehmen, dieselbe mit Aristoteles und Polybius zu den

8) Movers Phönizier II, 2. S. 594 ff.

besten zu rechnen, die das Alterthum kannte. Es tritt uns hier die auffallende Erscheinung entgegen, daß troß des grundverschiedenen Nationalcharakters der semitischen Karthager ihre staatlichen Einrichtungen nicht nur weit entfernt sind einen scharfen Gegensaß zu bilden zu den hellenischitalischen Staatsformen, sondern sogar in der ganzen Anlage und im Einzelnen eine große Aehnlichkeit zeigen, eine Aehnlichkeit, welche Ariftoteles darauf führt, dieselbe mit der spartanischen und kretischen zu vergleichen, während Polybius 10 sie der römischen an die Seite stellt. Diese Aehnlichkeiten sind zum Theil, aber auch nur zum Theil daraus zú erklären, daß die fremden Beobachter geneigt waren in Karthago Analogien mit ihren heimathlichen Institutionen zu finden und durch Anwendung griechischer und römischer Bezeichnungen in dieser Ansicht bestärkt wurden, grade wie sie in den fremden Göttern immer hellenische wieder erkannten. Aber ohne eine Uebereinstimmung der Grundzüge der Staatsformen wäre dies nicht möglich gewesen, und wir sind also zu der Annahme gezwungen, daß die Karthager ihrer politischen Begabung nach nicht Aftaten, sondern Occidentalen waren oder es durch die Macht der Verhältnisse wurden.

Karthago hatte von vorn herein dieses mit der griechischen und der römischen Republik gemein, daß der Staat aus einer Stadt erwuchs und dauernd die städtische Verfassung beibehielt. Dadurch war auch schon die republikanische Form nothwendig geworden, d. h. der periodische Wechsel wählbarer, verantwortlicher Beamten und die Anerkennung des Volkes als Quelle aller politischen Macht und als Träger der Souveränität.

Die obersten Beamten, welche wie bei den Juden den einheimischen Namen Schofetim, latinisirt Suffeten, hatten und von den Griechen Könige genannt werden, wurden vom Volke aus den vornehmsten Geschlechtern erwählt. Wüßten wir Näheres über die Entwickelungsgeschichte der karthagischen Verfassung, so würde sich wahrscheinlich ergeben, daß diese Beamten anfänglich mit umfassender Machtfülle bekleidet, aber ähnlich wie die entsprechenden Behörden in Athen, Sparta, Rom und anderwärts im Laufe der Zeit mehr und mehr beschränkt wurden, und Theile ihrer Befugnisse an andre Beamte abgeben mußten. Später scheinen die Suffeten nur noch religiöse und andre Ehrenrechte, sowie 10) Polybius VI, 51.

9) Polit. II, 8. 1.

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