Immagini della pagina
PDF
ePub

Hr. K.,,kann sich eines gewissen Schmerzes im Interesse der Wissenschaft nicht enthalten, wenn ich von zahlreichen Stellen spreche, die bis jetzt noch nicht genügend haben hergestellt werden können". Er ist nicht gemeint dem Gefühl des Unendlichen der Wissenschaft sich zu entziehen, aber in dem Sinne, wie ich sie meine, sei sie nicht vorhanden, viele Stellen seien wirklich hergestellt. Vielleicht sehen Andere deutlicher ein als ich, was die Behauptung zahlreiche (das sind doch nicht zahllose) Stellen im Livius seien bis jetzt noch nicht genügend verbessert, mit der Unendlichkeit der Wissenschaften zu schaffen habe; eben so wenig verstehe ich, wie Hr. K. glauben kann durch die Behauptung, viele Stellen seien wirklich hergestellt, meine Ansicht, dass zahlreiche Stellen noch nicht genügend hergestellt seien, widerlegt zu haben; oder mit welchem Rechte er dieselbe überhaupt dem, was ich sage, gegenüberstellt. Kann denn, namentlich bei einem Schriftsteller von dem Umfange wie Livius, nicht Beides richtig sein? will Hr. K. etwa seine Leser glauben machen, ich nehme an, es sei noch keine einzige wirklich verbessert, oder zahlreiche Stellen seien noch nicht genügend hergestellt bedeute so viel als es sei noch keine hergestellt? Oder glaubt Hr. K., es seien jetzt alle zweifelhaften Stellen beseitigt, und im Livius für den Kritiker nichts mehr zu thun? Oder folgt daraus, dass man an der Sicherheit einzelner Conjecturen zweifelt und Bedenken trägt sie in den Text zu setzen, dass man deshalb den Text selbst für richtig halte, oder gar glaube, die Handschriften müssten, um mit Hrn. K. zu reden,,, mit Haut und Haar" abgedruckt werden?

Die Furcht des Hrn. Recensenten, dass bei der Anwendung des Dukerschen Grundsatzes die Tyrannei der vulgata, wie er es nennt, wieder herbeigeführt würde, dürfte eine wenig begründete sein. Wird der vulgata (bei Liv. an sich schon ein vager Begriff, da man nicht weiss, ob der Text Drakenborchs oder Gronovs oder der vor Gronov gewöhnliche gemeint sei) nur insoweit Geltung beigelegt als sie sich passend vertheidigen lässt und auf den Handschriften beruht, so kann von einer Tyrannei derselben nicht die Rede sein; es sind die Grenzen bezeichnet, innerhalb deren ein besonnener Kritiker Bedenken tragen wird eine anerkannte Lesart zu ändern. Wollte aber Hr. K. behaupten, der Grundsatz an sich führe zwar nicht zu einer Tyrannei der vulgata, aber die Anwendung, die ich von demselben gemacht habe, so würde ihn jede Seite in meinen Bearbeitungen des Livius widerlegen, da ich es mir habe angelegen sein lassen den

[ocr errors]

VII

hergebrachten an dem handschriftlichen Texte zu prüfen und jenen nur dann aufrecht zu halten, wenn dieser verdorben ist, und so oft die handschriftliche Lesart hergestellt habe (Hr. K. möge nur nachsehen, an wie vielen Stellen Madvig zu der früheren Lesart zurückgekehrt ist), dass ich wohl den Vorwurf gefürchtet hätte, ich habe den Handschriften zu hohen Werth beigelegt, nimmermehr aber den, dass ich der vulgata zu viel Recht eingeräumt oder dass bei den Grundsätzen, die ich oft ausgesprochen und befolgt habe, sogar die Tyrannei derselben wieder herbeigeführt werden müsste.

Endlich behauptet Hr. K. ich sei im Irrthum, wenn ich durch die Zulassung der gewöhnlichen Ausdrucksweise an Stellen, wo die besten oder alle Handschriften eine weniger gebräuchliche, aber an sich nicht verwerfliche bezeugen, die Eigenthümlichkeit des Schriftstellers zu verwischen fürchte; er fügt als erläuternd hinzu,,dass die Analogie, nicht die Anomalie entscheidet, ist ein Grundsatz, den alle grossen Kritiker, Aristarch an der Spitze, durchgeführt haben." Ich fürchte Hr. K. hat auch hier über das Ziel hinausgeschossen. Ohne zu untersuchen, ob der von ihm zuletzt angeführte, im Alterthum bekanntlich viel bestrittene Grundsatz über die Geltung der Analogie in solcher Weise auf die Kritik übergetragen werden dürfe, erlaube ich mir nur zu bemerken, dass selbst Aristarch neben der Analogie auch das Recht der Ueberlieferung anerkannte (die Zeugnisse dafür wird Hr. K. bei Lehrs 260 ff., und Lersch die Sprachphilosophie der Alten 65 ff. finden) und ich wohl mich auf das Verfahren desselben berufen dürfte, wenn ich einzelne Abweichungen von dem Gewöhnlichen anerkenne, nicht aber Hr. Koch. Noch deutlicher geht dieses hervor aus den trefflichen Untersuchungen Steinthals, Geschichte der Sprachwissenschaft bei den Griechen und Römern, wo nachgewiesen wird, in welchem Sinne und Masse Aristarch selbst den Grundsatz der Analogie erkannt und angewendet habe, s. S. 459; 463 ff.; 473 f.; 477 ff.; 483; 488; aus denselben möge H. K. erkennen, wie durch das unbedingte Festhalten an der Analogie die Nachfolger Aristarchs zu einem rein willkürlichen und gewaltsamen Verfahren in der Behandlung der Sprache und der Texte geführt wurden, s. S. 493; 501f., und dass endlich die Analogie dahin gedrängt wurde, wenn auch unter anderem Namen die Anomalie in sich aufzunehmen und so sich selbst aufzugeben S. 511; 522; 703f. Uebrigens räume ich gern ein, dass Liv. bei gewissen häufig wiederkehrenden Verhältnissen und Erscheinungen sich oft derselben Ausdrucksweise be

[ocr errors]

diene, glaube aber demungeachtet, dass es unrichtig wäre, wenn man annehmen wollte, Liv. habe hier nach der Schablone gearbeitet und sich nie eine Abweichung von der ihm geläufigen Form gestattet, ich erinnere nur an die verschiedenen Bezeichnungen der Verlosung und Vertheilung der Provinzen, der Unterwerfung Ueberwundener u. Ae.; vielmehr zeigt er auch hier einerseits die Abhängigkeit von seinen Quellen, wie so eben Nissen über die Quellen der 4. u. 5. Decade des Livius S. 108 f. nachgewiesen hat, andererseits sein Streben auch in diesen gewöhnlichen Verhältnissen Abwechslung zu gewinnen. Wenn Hr. K. dem Ausdruck des Livius,,eine bestimmte Färbung" zuschreibt, so haben frühere und neuere Beurtheiler der Ausdrucksweise des Liv. das Eigenthümliche derselben gerade in der grossen Mannigfaltigkeit gefunden. Es wäre allerdings zu wünschen, dass die Eigenthümlichkeit der Livianischen Darstellung, in der sich neben so manchem Alterthümlichen so vieles Neue zum Theil der Dichtersprache seiner Zeit Entlehnte findet, im Ganzen, wie es für einzelne Punkte von Stange, Kreitzner u. A. geschehen ist, untersucht und ihre Grenzen festgestellt würden, es liesse sich dann sicherer bestimmen, in wie weit bei ihm Singularitäten zuzulassen seien; aber schon jetzt steht so viel fest, dass es ein Irrthum wäre, wenn man glauben wollte, es sei alles selten oder nur einmal Vorkommende aus dem Texte desselben zu entfernen oder mit dem Gewöhnlichen zu vertauschen; bis jetzt hat noch keiner auch der kühnsten Kritiker dieses gewagt, und selbst Madvig kein Bedenken getragen ungewöhnliche und bei Liv. sonst nicht vorkommende Formen und Ausdrucksweisen entweder anzuerkennen oder sogar durch Conjectur einzuführen, s. Emendatt. p. 10. n. 1, die Bemerkungen daselbst zu 7, 37, 13; 9, 12, 10; 22, 20, 7; 41, 24, 10 u. a. Ich würde im Vertrauen auf das Urtheil unbefangener und weniger kühner Kritiker diese Entgegnung auf die Ausstellungen Hrn. K's. unterdrückt haben, wenn er nicht einen Gelehrten wie Duker angegriffen und herabgesetzt hätte, der sich um Livius sehr verdient gemacht hat, an die Ansichten desselben Folgerungen und Befürchtungen knüpfte, die in der Wirklichkeit, wie der Hr. Rec. für die vierte Decade selbst gesteht, nicht existiren, selbst aber Grundsätze aufstellte, die, wenn sie nicht dem Wesen nach mit den Dukerschen übereinstimmen, sondern einen anderen Sinn haben sollen, zu einer willkürlichen Behandlung des Textes und der Aufnahme zunächst seiner eigenen Conjecturen in denselben, dann vieler anderen, die gleiche Ansprüche erheben, führen müssten.

Den vierten Band der Ausgabe Madvigs erhielt ich erst als der Druck der vorliegenden Bearbeitung bereits bis zum 30. Buche vorgeschritten war. Ich benutze daher die Gelegenheit die Stellen zu bezeichnen, die ich nach den neuen Untersuchungen des grossen Kritikers, wenn sie mir früher bekannt gewesen wären, würde geändert haben. 27, 6, 15 würde ich nur T. Otacilii Crassi an der zweiten Stelle als unächt, aus der vorhergehenden Zeile wiederholt, bezeichnen; ib. § 19 temporis eius schreiben; 27, 7, 11 iam tilgen, c. 8, 8 die Interpunktion ändern: appellavit. flamen; 11, 11: ei ius; 21, 4: consulem eum; 27, 8: L. Arrenius; 34, 7 coegit; 43, 7. -8 das in der Anmerk. erwähnte monet in den Text nehmen und nach der edit. Mogunt. und Madvig interpungiren: verteret, litteris ... edocet et monet, ut, oder mit Duker verteret, litteris . . . edocet, et ut lesen; 28, 20, 9: terrorque inde; ib. 33, 5: missis oder lieber näher der handsch. Lesart, omissis levibus telis, s. 5, 47, 5; 28, 34, 3: tutius in adflictis; 38, 8: frequentes; 39, 11: nobis, absit verbo invidia 42, 6: cetera neque elevo * *, nullo schreiben; 29, 12, 3: Dimallumque oppugnari; ib. 14, 13: precantes; 17, 17 singuli quae, was ich nach der Bamb. Hds. früher selbst aufgenommen hatte; 18, 17: circumdare templum voluerunt; 22, 3: horrea ad belli apparatum; 28, 8: magis duci credebant ducem; 35, 14 nach Gronov: et navalia et castra. Zugleich bemerke ich, dass 29, 10, 3, worauf Madvig hingewiesen hat, hätte bemerkt werden sollen, dass et tanta incesserit vis morbi nicht in gleicher Construction wie neque

[ocr errors]
[ocr errors]

ne,

esse stehe, sondern an den unmittelbar vorhergehenden Nebensatz sich angeschlossen habe, wie es 28, 18, 7; 5, 25, 6; 6, 11, 5 geschehen ist, und dass 29, 35, 7 simul et . . . simul et entweder nicht richtig oder eine ungewöhnliche Verbindung sei.

Eisenach im Juli 1863.

Weissenborn.

Nachdem bereits das Manuscript abgeschickt und der Druck vollendet war, sind mir die Quaestiones Livianae von Herm. Perthes durch die Güte des Verfassers zugekommen, in welchen mehrere Stellen aus den vorliegenden Büchern behandelt sind. Lib. 27, 17, 7 wird S. 14 ff. folgende Ergänzung vorgeschlagen: et quae [Carthagine ceperat, et quae] post captam.... opificum [numero in officinis incluso]. cum etc.; ib. 47, 10 vermuthet H. P.: dum lux iam ostenderet viam, ad flumen milites] tendentis

signa ferre iubet . . . haud multum processisset [reliquam noctis partem substitit] ubi prima lux etc., wo es jedoch zweifelhaft bleibt, ob ad flumen zu tendentis oder zu ferre gehöre, und tendentis sowohl als die Wiederholung von prima lux nach lux iam immer noch auffallend ist; reliquam noctis partem aber leicht aus dem Zusammenhange ergänzt werden kann. 28, 34, 9 wird S. 42 solutos animos als unächt, das handsch. solutus enim mos nicht sehr wahrscheinlich als Zusatz eines Abschreibers bezeichnet; auch Cicero Verr. 2, 2, 75, 185 sagt: ubi animo semper soluto liberoque erat. 30, 10, 4 vermuthet der Verf. S. 17 nicht unwahrscheinlich: Scipio postquam [ad Uticam pervenit, contra quam] in navali; ib. 26, 5 soll nach S. 26 gelesen werden annus, insignis incendio ingenti . . . . insignior annonae vilitate fuit; doch ist es wenig wahrscheinlich dass in dem handsch. siannonae das vermuthete insignior annonae liege; leichter scheint mir noch immer die Veränderung: annus ut insignis . . . sic annonae vilitate fuit.

[merged small][merged small][merged small][ocr errors]
« IndietroContinua »