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Vorwort.

Mit der Ausgabe der Fragmente des Lucilius von Friedrich Marx ist für das Studium und das Verständnis des Dichters und seiner Satiren eine völlig neue Grundlage geschaffen worden. Welche reiche Fülle staunenswertester Gelehrsamkeit und feinsinnigster Bemerkungen und Beobachtungen zumal der Kommentar enthält, vermögen nur die voll zu würdigen, die vorher den für sich erschienenen Textband durchgearbeitet hatten und denen dann erst durch den Marxschen Kommentar an zahllosen dunkelen Stellen Verständnis und Deutung in sieghafter Überzeugungskraft eröffnet worden sind.

Philologisch dürfte die Arbeit für Lucilius durch Marx im wesentlichen getan sein. Es erwächst nunmehr aber den Nachbarwissenschaften die Pflicht, auch ihrerseits auf den von Marx gewiesenen Bahnen und auf dem von ihm gelegten Fundamente weiter vorzuschreiten und weiter zu bauen.

Dies gilt besonders von der Geschichte, für die die Bedeutung des Lucilius gar nicht hoch genug angeschlagen werden kann. Ist uns doch mit dem Marxschen Lucilius für eine der wichtigsten, zugleich aber auch dunkelsten Perioden der römischen Geschichte eine bedeutsame zeitgenössische Quelle zugänglich gemacht und eigentlich erst neu geschenkt worden. Lucilius Blütezeit umfaßt den Zeitraum etwa von der Mitte des numantinischen bis fast zum Ende des Cimbern- und Teutonenkrieges und aus dieser ganzen Epoche sind die nahezu 1400 Verse des Lucilius, abgesehen von einigen wenigen Rednerfragmenten, die einzigen zeitgenössischen Nachrichten, die wir überhaupt besitzen. Dabei enthalten sie eine solche Fülle historischen Materials, wie sie sich bei einem römischen Dichter kaum noch einmal wiederfindet. Es bilden eben die politischen Verhältnisse und Kämpfe der Gegenwart vielfach direkt den Gegenstand der Dichtungen, und der Dichter

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hat offenbar selbst in den Kämpfen seiner Zeit lebhaft Partei genommen. Eine Menge wichtiger Ereignisse hat er selbst mit erlebt, dabei hat er zu den führenden politischen Persönlichkeiten teils nahe vertraute Beziehungen unterhalten, so vor allem zu dem ersten Staatsmanne der Zeit, zu Scipio, teils ihnen in erbitterter Feindschaft gegenüber gestanden. Für das Verständnis der ganzen Periode müssen daher künftighin die Fragmente des Lucilius mit eine Hauptgrundlage bilden.

Die nachfolgenden Untersuchungen wollen es unternehmen, einen Teil des wertvollen historischen Materials aus den Resten der lucilianischen Satiren zu gewinnen und für die Geschichte der Zeit wie die des Dichters zu verwerten. Wenn ich dabei in manchen Punkten zu anderen Ergebnissen als Marx gelangt bin, so wird dadurch die Dankbarkeit gegen ihn und die Bewunderung für seine große wissenschaftliche Tat um nichts vermindert. Auch diese Untersuchungen sind überhaupt erst durch seine Arbeit ermöglicht und fußen überall, auch dort, wo sie von ihm abweichen, auf dem Grunde, den er gelegt hat.

Die außerordentlichen Schwierigkeiten, die Lucilius bietet, sind bekannt. Ganz besonders groß aber sind sie für den Historiker, der gezwungen ist, hier beständig auf das Gebiet der Philologie hinüberzugreifen. Das ist wohl auch der Grund gewesen, weshalb bisher noch kein Historiker sich mit dem wichtigen und dankbaren Stoffe befaßt hat. Auch ich würde es nicht haben wagen können, dieses Buch zu veröffentlichen, wenn ich nicht das Glück gehabt hätte, in meinen lieben Freunden Eduard Norden und Franz Skutsch zwei wie wenige berufene philologische Berater und Mithelfer zu besitzen. Mit Norden ist alles und jedes in dem Buche von seinen frühesten Anfängen bis zum endlichen Abschlusse immer von neuem wieder gemeinsam durchgesprochen, durchgedacht und durchberaten. Mehr als zwei Jahre hindurch hat er mir in treuer Freundschaft ratend, belehrend, mahnend zur Seite gestanden und so ist denn sein Anteil an dem Buche ein unendlich viel größerer, als es äußerlich hat zum Ausdrucke gebracht werden können. Ebensowenig freilich läßt sich der Dank, den ich ihm für alles schulde, in der Weise, wie ich ihn fühle, mit Worten ausdrücken. Auch Skutsch hat mir jederzeit, seinen wertvollen wissenschaftlichen Rat gewährt, mir eine große Anzahl wichtiger Hinweise und Bemerkungen beigesteuert und sich vor allem,

ebenso wie Norden, aufopfernd der großen Mühe, die Korrektur zu lesen, unterzogen. Auch ihm bin ich daher zu dauernder herzlicher Dankbarkeit verpflichtet.

Ferner möchte ich es nicht unterlassen, die unermüdliche Unterstützung hervorzuheben, die mir mein Schüler stud. phil. Karl Linde bei der Niederschrift, der Korrektur und bei der Anfertigung der Register geleistet hat.

Endlich drängt es mich, der Weidmannschen Buchhandlung und ihrem Chef, Herrn Dr. Ernst Vollert, den aufrichtigsten Dank für die außerordentliche Förderung auszusprechen, durch die unter schwierigen Verhältnissen das Zustandekommen und der Abschluß des Druckes ermöglicht worden sind.

Breslau, im März 1908.

Conrad Cichorius.

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